Kolumne 2.0 oder was es mit Web 2.0 auf sich hat


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/06

     

Grüezi, mein Name ist Daniel Niklaus, und jetzt bin ich wichtig. Richtig, Sie halten sie in der Hand, schwarz auf weiss: meine erste Kolumne in der Version 2.0. Ich darf meinen Senf zu allen Themen geben, ohne dass ich etwas davon verstehen muss. Das ist sozusagen ein Kolumnistenprivileg. Zugegeben, wie wichtig mich das jetzt wirklich macht, steht auf einem anderen Blatt. Aber dem Ego schmeichelt es ganz gehörig.



Apropos Ego-Schmeicheln und Web 2.0

Web 2.0 ist das Thema dieses Heftes und gleichzeitig ist das Schlagwort Web 2.0 typisch für unsere Branche. Da die Entwicklung immer rasant vorwärtsgehen muss, haben wir in der IT-Welt gelernt: Wichtig bist du, wenn du den neuesten Hype mitmachst. 2.0 ist besser als 1.0. Stellen Sie sich vor, ich würde heute mit dem Motto hausieren: Kaufen Sie Internet, also Web 1.0! Da zuckt der Kunde kurz mit der Schulter und schiebt ein gelangweiltes Gähnen hinterher. Sie verkaufen damit keine neuen Computer, keine neue Software, kein neues Projekt – Sie verkaufen gar nichts. Nicht einmal ein IT-Heft. Darum müssen wir in unserer Branche laufend Neuigkeiten auf den Markt werfen. Und haben wir einmal nichts anzubieten, dann muss wenigstens ein neues Schlagwort her. Web 2.0 ist so eines – da muss der Kunde mitmachen. Er darf ja keinen Trend verpassen, und die gesamte Branche jubelt angesichts der neuen Einnahmequelle, die sich da auftut.


Was bitte ist Web 2.0?

Ehrlich gesagt weiss niemand so genau, was Web 2.0 eigentlich ist. Vermutlich ist das Schlagwort deshalb seit 2004 so erfolgreich. Man kann unter Web 2.0 Social Media, 3D-Welten und Podcasts verkaufen. Und man darf mit Web 2.0 auch erfolgreiche Websites wie Facebook, Youtube oder Wikipedia betiteln. Das Schlagwort ist sogar beinahe beliebig abänderbar: Business 2.0, E-Learning 2.0, Government 2.0 oder eben Kolumne 2.0. Und vor allem ist es mit Web 2.0 wie mit allen Fachbegriffen in der IT-Welt: Web 2.0 macht uns wichtig. Sie kennen bestimmt dieses Gefühl: Lassen Sie in einem Gespräch gekonnt den einen oder anderen Fachbegriff fallen, blicken die Zuhörer, für die IT ein Fremdwort ist, ehrfürchtig zu Ihnen hoch. Dieser Blick, der sagt ‹Ich habe keine Ahnung, von was du sprichst, aber es hört sich unglaublich kompetent an›, schmeichelt dem Ego und entlohnt doch für die vielen Stunden, in denen wir selbst verzweifelt vor dieser dummen Kiste sitzen, weil sie wieder einmal nicht das macht, was wir wollen.


Darum sind wir hervorragend im Erfinden neuer Begriffe. Was natürlich nicht bedeutet, dass dahinter auch etwas Neues stehen muss. Nehmen wir als Beispiel Cloud Computing – the next big thing –, also dicke Server, auf denen die Software läuft, und dünne Clients, die über das Internet darauf zugreifen. Vor kurzem hiess der Begriff noch Software as a Service (SaaS), davor nannten wir es Application Service Provid-ing (ASP), noch früher «the net is the computer» (Sun beziehungsweise heute Oracle) und irgendwann in den 70er Jahren waren es eigentlich immer nur: Dicke Server, dünne Clients.


Natürlich dürfte ich das so niemandem erzählen. Aber hier bleibt es ja unter uns.




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