Neue Rolle für Mittelstands-CIOs

Unternehmen reagieren auf veränderte Anforderungen ihrer Kunden und wollen globale Integration fördern. Dem CIO wird eine neue Rolle des Prozessarchitekten zugeschnitten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/04

     

Mittelständische Firmen stehen heute auf der Schwelle zu einem global operierenden Unternehmen. Diese Firmen haben oft mehrere Standorte im Ausland und sind teilweise über mehrere Kontinente hinweg vernetzt. Die Internationalisierung ist geprägt von unterschiedlichen Länderorganisationen und dezentralen Führungsstrukturen. Prozesse und Systeme hinken dabei der raschen Expansion oft hinterher und erschweren sowohl das organische Wachstum wie auch die Integration von Akquisitionen. Die Realisierung von weiteren Wachstumsschritten erfordert einen höheren Organisationsgrad. Die Abstimmung des Geschäftsmodells mit globalen Prozessen und Systemen rücken vermehrt in den Fokus der Firmenleitungen, um den veränderten Rahmenbedingungen gerechtzuwerden.


Mittelständische Unternehmen rechnen mehr denn je mit massiven Veränderungen in der Zukunft. Acht von zehn Unternehmen sind der Meinung, dass sie ihr bisheriges Geschäftsmodell grundlegend überarbeiten müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gemäss der IBM-Studie «The Enterprise of the Future» geht allerdings hervor, dass nur gerade 57 Prozent der über 1100 befragten Führungskräfte in der Vergangenheit die notwendig gewordenen Veränderungen mit Erfolg umgesetzt haben. Bei den anderen klafft noch eine Umsetzungslücke, ein sogenanntes «Change-Gap».



Globale Integration vorantreiben

In den kommenden drei Jahren wollen die CEOs mittelständischer Unternehmen etwa 20 Prozent mehr als bisher in die aufstrebenden Märkte in Ländern aus Asien, Osteuropa und Lateinamerika investieren. Sie sehen dort – vor allem durch die zunehmende Kaufkraft der Konsumenten – gute Chancen für das eigene Wachstum. Um ihre globale Expansion voranzutreiben, überdenken viele Mittelständler ihre Unternehmensstruktur – drei Viertel werden in den kommenden drei Jahren ihr Geschäftsmodell ändern und wollen sich so besser vom Wettbewerb abheben. Die befragten CEOs haben drei elementare Massnahmen identifiziert, durch die sie ihre Ziele erreichen wollen: Die Zusammenstellung des Wissens- und Asset-Portfolios grundlegend überarbeiten (60 Prozent), intensiv mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten (54 Prozent) und den Eintritt in neue Märkte aktiv angehen (51 Prozent).


Als Voraussetzung für die Umsetzung der Massnahmen nennen die Führungskräfte ein standardisiertes Geschäftsprozessmodell auf der Basis einer integrierten, betriebswirtschaftlichen Lösung.


Differenzierende Merkmale erkennen und stärken

IBM hat eine Methode entwickelt, um differenzierende Merkmale einer Unternehmung zu eruieren und standardisierte Prozesse zu entwickeln. Der Ansatz beinhaltet auch die Etablierung eines nachhaltigen Geschäftsmodells sowie die rasche und abgestimmte Einführung einer betriebswirtschaftlichen Lösung. Das Component Business Model (CBM) ist eine von IBM entwickelte übersichtliche Darstellung eines Unternehmens als Zusammenspiel von einzelnen, nicht überlappenden Komponenten. Diese Komponenten bilden ein Gerüst, das Organisation, Prozesse und Technologie zu einem Ganzen verknüpft und so neue Ansätze zur Analyse strategischer Fragestellungen eines Unternehmens bietet. Jede Komponente stellt dabei eine logische Gruppierung von Mitarbeitern, Technologien und Ressourcen dar, die


? einen spezifischen Wertbeitrag leistet sowie


? unabhängig operieren kann.


Komponenten interagieren mit anderen Komponenten nach festgelegten Standards (übergreifende Prozesse, Richtlinien, Sys-teme, SLA, etc.). CBM schafft somit die Verbindung von Business- und IT-Sicht in einer transparenten und überschaubaren Darstellung von Geschäfts- und Technologiekomponenten eines Unternehmens.


IBM hat bisher generische «Business Component Maps» für insgesamt 56 Industrien entwickelt. Die Business Component Maps werden ausgehend von der Strategie eines Unternehmens eingesetzt für


? den Abgleich des externen und internen Leistungsspektrums der Kundenorganisation mit der definierten Strategie


? die Herausarbeitung von Kernkompetenzen und differenzierenden Geschäftskomponenten


? Überlegungen zur Optimierung und Neustrukturierung des Geschäftsmodells (inklusive Sourcing-Strategie)


? die Zuordnung von notwendigen Applikationen und technischen Infrastrukturen zu den einzelnen Geschäftskomponenten



Neue Aufgaben für den CIO

Dem CIO wird über die CBM-Methode eine neue, zukunftsträchtige Rolle des Prozessarchitekten zugeschnitten. Die IBM-Studie zeigt auf, dass viele CIOs dazu bereit sind, eine strategische Führungsrolle in ihren Unternehmen einzunehmen. Sie richten ihre Arbeit und ihre Teams enger als jemals zuvor an den Zielen ihrer CEOs und des Führungsstabs aus. Noch nie waren IT-Verantwortliche in einer besseren Position als heute, um das Wachstum und Veränderungen in ihrem Unternehmen gezielt voranzutreiben. Noch überwiegt jedoch bei vielen CIOs die Verantwortung, mit geeigneten technischen Lösungen zum Geschäftserfolg beizutragen. Dennoch gilt, dass der CIO bes-tens gerüstet ist, um sich vom reinen Technologie-Lieferanten zu einem strategischen Unternehmensberater zu entwickeln. Die Ergebnisse der Untersuchung können in vier übergreifenden Themenbereichen zusammengefasst werden:


1. CIOs gehören in ihren Unternehmen zum Kreis der Führungskräfte und spielen eine zunehmend wichtige Rolle, wenn es darum geht, Veränderungen herbeizuführen und zu managen. 91 Prozent der CIOs gaben an, dass sie eine klare Vorstellung davon haben, wie sie mit IT ihr Unternehmen in Zukunft voranbringen wollen. 90 Prozent der Befragten sagten, dass sie Mitarbeiter auch ohne formelle Weisungsbefugnis steuern und beeinflussen. Von den Teilnehmern der Studie arbeiten 85 Prozent bereits an Initiativen, die ihr Unternehmen flexibler machen und es somit besser auf Veränderungen reagieren kann.


2. CIOs haben einen festen Platz in der Geschäftsführung – 87 Prozent der Befragten haben eine gute Beziehung zu den Entscheidern im Unternehmen. Allerdings nutzen noch nicht alle CIOs die gegebenen Möglichkeiten in vollem Umfang: Nur 67 Prozent arbeiten aktiv an der Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie.


3. CIOs werden zunehmend zu Treibern für Innovationen im Unternehmen. Es besteht aber nach wie vor eine grosse Lücke zwischen realisierbaren und tatsächlich realisierten Innovationen. Knapp zwei Drittel (63 Prozent) der CIOs haben bereits technologiegetriebene Geschäftsmöglichkeiten identifiziert und anschliessend die dafür nötigen Ressourcen erfolgreich sichern können.


4. CIOs wissen zwar, welche Richtung sie mit der IT einschlagen müssen, sie tun sich aber weiterhin schwer damit, Aufgaben zu delegieren und sich geeigneten Nachwuchs heranzuziehen. Während 93 Prozent der Befragten wissen, welche Kenntnisse sie künftig in ihrem Team brauchen, haben nur 64 Prozent eine konkrete Vorstellung davon, wie sie ihr Team ausbauen sollen und geeigneten Nachwuchs akquirieren können. Nur 69 Prozent folgen einem genauen Plan, wenn es darum geht, Verantwortung weiter zu delegieren, um sich mehr Zeit für strategische Aufgaben zu verschaffen.


Der mittelständische CIO verfügt über eine «End-to-End»-Sicht der Prozesse quer über die Unternehmung und kann unbelastet von singulären Business-Unit-Vorteilen die bestmögliche Lösung vorschlagen und dank seinem Instrumentarium auch entsprechend umsetzen – ein «Asset» für jedes Unternehmen. Interessant ist dabei die Feststellung, dass vor allem die CIO es sind, welche in der IBM-Studie die Notwendigkeit herausgestrichen haben, den Faktor Mensch in den Mittelpunkt aller Bemühungen zu setzen, globale Reife zu erlangen oder mit neuen, technologieunterstützten Geschäftsmodellen neue Märkte zu erobern.




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