Editorial

Editorial: Wenn ­Privates zu Geschäftlichem wird


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/12

     

Wenn ich mir die Zahlen anschaue, die Adobe in seinem Social Intelligence Report veröffentlicht hat, so erstaunt es nicht, dass auch hierzulande immer mehr Unternehmen ihren eigenen Facebook-Auftritt lancieren. Die Klickrate im sozialen Netzwerk ist im dritten Quartal 2013 innert Jahresfrist um 275 Prozent gestiegen und Firmen setzen mit jedem Besucher auf ihrem Facebook-Profil im Schnitt 93 US-Cent um.
Solche Statistiken sind zwar schön und gut, sollten jedoch mit Vorsicht genossen werden. Denn ein Punkt, den viele neben den altbekannten Sicherheitsfragen ausser Acht lassen, ist der Umstand, dass durch den Run der Unternehmen auf Facebook Privates und Geschäftliches zusehends verschmelzen. Das stösst mir etwas sauer auf. Denn um gegenüber der Öffentlichkeit auch eine gewisse Glaubwürdigkeit an den Tag zu legen, werden oftmals die Mitarbeiter miteingebunden. Sie sollen die eigene Unternehmensseite liken und Inhalte mit ihren Freunden teilen – im Klartext: ihr persönliches Netzwerk für die Interessen der Firma nutzen. So wird Reichweite generiert.

Erst kürzlich erhielt ich auf meinem Account erneut eine Freundschaftsanfrage eines Kollegen aus der Branche. Und einmal mehr sass ich eine Weile unschlüssig vor meinem Computer, bevor ich beschloss, die Anfrage abzulehnen. Anschliessend habe ich den Kollegen auf Xing als Kontakt hinzugefügt und ihm mein Verhalten in einer Nachricht erklärt: «Vielen Dank für deine Kontaktanfrage auf Facebook. Da ich diese Plattform ausschliesslich für private Zwecke nutze, würde ich mich stattdessen lieber auf Xing mit dir vernetzen.»
Meine Haltung mag manch einem kleinlich erscheinen, doch ist man im realen Leben doch oft auch darum bemüht, Privates und Geschäftliches zu trennen. Weshalb sollte ich dies also in der virtuellen Welt anders handhaben? Ich stelle mir jeweils die Frage, ob ich wirklich will, dass über meine geteilten Standorte oder anhand von Fotos all meine Geschäftskontakte darüber ins Bild gesetzt werden, wie ich mein Wochenende gestalte. Oder ob ich mit ihnen teilen will, wer meine Freunde und meine Familienmitglieder sind. Die Antwort hierauf lautet in meinem Fall: Nein. Je nachdem wie ausführlich ich mein Profil ausgestalte, gibt Facebook eine Menge Informationen über mich preis. Informationen, die nicht immer für jedermanns Augen bestimmt sind. Hinzu kommt, dass die Timeline zunehmend mit geschäftlichen Anliegen geflutet würde, und es mir so auch nach Feierabend nicht möglich wäre, die Arbeit auszublenden.
Klar kann ich über die Einstellungen genau festlegen, welche meiner Kontakte welche Inhalte zu sehen bekommen. Fotos, Informationen zu Freunden oder auch Inhalte können dementsprechend für einen ausgewählten Freundeskreis freigegeben werden. Doch geht für mich damit der Sinn der Plattform verloren. Wenn ich ein Foto nur wenigen Freunden zeigen möchte, brauche ich Facebook nicht. Ich kann dies über altbewährte Kanäle wie E-Mail auch persönlich tun. Ausserdem hält sich meine Lust, all meine Kontakte in verschiedene Kategorien einzuteilen, in Grenzen. Und was, wenn man die Einstellungen aus Fahrlässigkeit falsch vornimmt oder Facebook wieder einmal die Bestimmungen ändert?
Ich für meinen Teil befolge daher den Grundsatz, nur Kontakte anzunehmen, die auch all meine Inhalte sehen sollen. Wofür gibt es denn Business-
Plattformen wie Xing oder Linkedin, wenn nicht genau zum Zwecke der Trennung von Geschäftlichem und Privatem? Business hat nicht in allen Bereichen des Lebens etwas zu suchen, irgendwo sollte die Grenze gezogen werden. Und im Falle Social Media ist diese für mich bei Facebook erreicht.
(af)


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