CIO-Interview: «Hardware zu managen, das ist einfach»
Quelle: Pilatus
Flugzeugwerke

CIO-Interview: «Hardware zu managen, das ist einfach»

Pilatus sorgt derzeit mit dem neuen Flieger PC-24 Twin-Jet für Aufsehen. In dessen Entwicklung sind auch Christoph Büeler und sein rund 50-köpfiges IT-Team involviert.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/07

     

Swiss IT Magazine: Herr Büeler, seit mittlerweile 13 Jahren sind Sie für die Informatik der Pilatus Flugzeugwerke verantwortlich. Erinnern Sie sich noch, wie Sie zu diesem Job gekommen sind?
Christoph Büeler:
Ja, das war über einen Personalberater, der die Position im Auftrag von Pilatus besetzen durfte.

Was hat sich bei Ihnen in der IT verändert, seitdem Sie an Bord sind?
Wir sind von einem reinen Hardware- und Software-Betreiber zu einem Service-Anbieter geworden. Eine meiner wichtigsten Aufgaben ist es dabei, den Mitarbeitern immer wieder zu erklären, dass es heute egal ist, ob die Firewall im Hintergrund, also ein Hardware- oder Software-Thema der Störfaktor ist. Schlussendlich ist der Service gestört und das stört den Kunden.
Können Sie ein Beispiel nennen, an dem diese Veränderung erkennbar ist?
Unser E-Mail-System: Vom Endbenutzer wird es als Qualität empfunden, wenn es ihm nicht nur zur Verfügung steht, sondern auch performant ist. Was es dahinter für Software, Hardware und Security-Systeme braucht, das interessiert ihn nicht. Wir haben heute einen Single-Point-of-Contact, der entgegennimmt, wenn das System eine Störung hat. Wir schauen dann intern bei uns, wo genau der Grund liegt. Der Nutzer muss nichts weiter tun.


Wie ist die IT heute personell aufgestellt?
Sehr gut. Wir haben für unsere über 1500 End­anwender, die wir betreuen, aktuell 42 Vollzeitmitarbeiter. Diese Grösse wird benötigt, da wir sehr wenig outgesourct haben und sehr viel intern abdecken.

Hat sich die Mitarbeiterzahl in den vergangenen Jahren damit eher erhöht oder ist sie gesunken?
Vor 13 Jahren startete ich mit 32 Mitarbeitern. Diese Zahl hat sich mit mehr Aufgaben, der Globalisierung und einem Wachstum an Benutzern im Laufe der Jahre erhöht. So betreuen wir heute beispielsweise auch die ganze nun VoIP-basierte Telefonie und Videokonferenzsysteme.

Bietet Pilatus auch Informatiklehrstellen?
Ja, wir bilden acht Lernende aus, in System- wie auch Applikationsrichtung. Pilatus ist ganz allgemein sehr aktiv in der Lehrlings- und Jugendförderung und bietet insgesamt zehn verschiedene Berufe an, die man erlernen kann, und bildet im Moment 102 Lernende aus.


Ich habe bei Recherchen für dieses Interview gesehen, dass Ihnen dieser Bereich besonders am Herz liegt.
Das stimmt, ich bin Lehrabschlussexperte und engagiere mich sehr stark in der Lehrlingsausbildung. Ich bin Vorstandsmitglied des Vereins zur Förderung der ICT Berufsbildung, VFI, so etwas wie der Informatik-Lehrmeistervereinigung der Zentralschweiz.

Sind Sie momentan auf der Suche nach neuen IT-Mitarbeitern?
Ja, wir suchen aktuell nach einem Datenbankspezialisten und haben zwei SAP-Stellen offen.

Stichwort Fachkräftemange: Ist es schwierig, diese Stellen zu besetzen?
Ich würde sagen: Je spezialisierter eine Aufgabe ist, desto schwieriger ist es, jemanden zu finden. Wir versuchen durch die Ausbildung eigener Lernenden, Engpässe abzudecken und diese später im Berufsleben weiter zu förden.


Haben Sie als Flugzeugbauer vielleicht einen kleinen Vorteil gegenüber anderen Arbeitgebern? Sind Sie attraktiver?
Von meinen 42 Mitarbeitern sind zwei mit Pilotenbrevet und ich denke, die würden nicht bei uns arbeiten, wenn sie bei uns nicht auch fliegen könnten. Wir haben schon eine gewisse Attraktivität, ganz sicher.

Was heisst das, Mitarbeiter können fliegen?
Wir haben eine eigene Motorfluggruppe, in der man vergünstigt Flugstunden nehmen kann, also Fliegen lernen und sein Hobby ausüben kann.

Wie ist Ihre IT-Abteilung heute aufgebaut?
Es gibt drei Teams. Eines kümmert sich um die Infrastruktur und betreut unsere Server-Systeme, die IP-Telefonie, etc. Dann haben wir ein klassisches ERP-Team, das unsere SAP-Prozesse unterstützt. Und was uns speziell macht, ist unser drittes, das CAD-Team, das die Computer-unterstützte Konstruktion von Flugzeugteilen in 3D betreut.

Mit welchen Geräten arbeiten Sie in der Flugzeugkonstruktion?
Unsere CAD-Arbeitsplätze sind mit Workstations und je zwei 24-Zoll-Bildschirmen sowie Spaceballs ausgestattet. Ausserdem gibt es noch normale PCs und Notebooks.


Wie sieht Ihre IT-Landschaft sonst aus?
Wir zählen momentan 250 Server, die meisten davon sind virtualisiert. Wir haben erst vor kurzem eine Server-Konsolidierung durchgeführt und haben nun nur noch ganz wenige physische Geräte. Der Virtualisierungsgrad liegt bei ungefähr 70 bis 80 Prozent. Dann haben wir wie erwähnt zirka 1500 Arbeitsplätze, die wir betreuen. Dazu gehören rund 350 Workstations und 550 Notebooks, während der Anteil an klassischen Desktop-PCs immer mehr abnimmt. Dazu kommen rund 350 Drucker beziehungsweise MFP.

Warum nimmt der Anteil an Desktop-PCs ab?
Die Leute werden mobiler und wollen ein Notebook, damit sie überall arbeiten können. Andere brauchen leistungsfähigere Workstations.

Sie haben erwähnt, dass Sie sehr viel intern machen. Was genau?
Es ist einfacher gesagt, was outgesourct ist. Das ist nur der Betrieb unserer SAP-Systeme, weil die redundant, mit Katastrophenvorsorge und entsprechend rund um die Uhr betreut werden müssen, über vier Zeitzonen hinweg, von Australien über Europa bis in die USA. Und sonst machen wir wirklich alles selber. Das reicht von der Programmierung unserer Website, über Mobile Computing bis zur Netzwerkbetreuung und einigem mehr.


Sind Sie auch für die IT in den Flugzeugen selbst verantwortlich?
Nein, die IT im Flieger ist etwas ganz anderes, wofür unser Engineering und externe Partner zuständig sind. Diese Systeme müssen durch die Luftämter zertifiziert werden.

Sie arbeiten also trotzdem mit externen Partnern zusammen?
Ja, wir arbeiten eigentlich in jedem Projekt mit externen Partnern zusammen. Sie bringen uns schlussendlich das Know-how ins Haus. Wir sind gut im flexibel einspringen. Und wir sind gut im Halten eines hohen Service-Grads und in der Swissness. Wo wir uns aber verstärken wollen, ist beim Input an Innovation. Durch die Zusammenarbeit mit Partnern wollen wir unseren Innovationsgrad hoch halten.


Sie haben auch eine ganz klare Meinung zu Tablets, wie ich anlässlich der HP Invent in Baden gehört habe.
Ja, das habe ich. Tablets sind in meinen Augen momentan primär etwas für Sales-Leute. Ein Ingenieur, Fachspezialist oder Buchhalter braucht ganz einfach ein Gerät mit einer richtigen Tastatur. Wenn ich am Ende einfach ein Tablet als zusätzliches Gerät habe, dann hab ich nur noch weitere teure Lizenzen, die wir bezahlen müssen und ein Gerät mehr, das wir verwalten. Ich persönlich setze ein Tablet dann ein, und das ist meine feste Überzeugung, wenn ich mit dem Gerät reden kann, also wenn die Spracheingabe in zwei bis drei Jahren soweit ist, wie ich das erwarte. Erst dann kann ich auf eine richtige Tastatur verzichten. In der Zwischenzeit bevorzuge ich Ultrabooks.

Was machen Sie, wenn heute trotzdem jemand zu Ihnen kommt und ein Tablet nutzen möchte?
Natürlich tragen wir dem als grosses Unternehmen mit über 40 Nationalitäten und sehr speziellen Jobs Rechnung. Wir haben seit über einem Jahr eine BYOD-Lösung im Einsatz und betreuen so momentan über 100 Geräte vom Android-Smartphone, über das iPhone bis hin zu Tablets. Nicht-Firmenstandardgeräte werden so kontrolliert ins Unternehmen eingebunden.


Wie sieht es im Bereich Smartphones aus? Welche Geräte setzen Sie hier ein?
Unser Standardsystem ist Windows Phone, HTC und Nokia sind unsere Standardhersteller. Wir setzen auf Windows Phone, weil wir glauben, dass es sich im geschäftlichen Umfeld besser und sicherer managen lässt. Insbesondere in unserem Umfeld mit militärischer Kundschaft, in der wir eine sehr hohe Datensicherheit gewährleisten müssen, ist das besonders wichtig.

Gibt es spezielle Regelungen für Ihre Mitarbeiter bezüglich Datenschutz?
Ja, jeder Mitarbeiter unterschreibt bei uns eine Geheimhaltungsvereinbarung und er weiss, dass er rechtliche Konsequenzen zu erwarten hat, wenn er Informationen nach Aussen trägt, die nur für intern gedacht sind. Für ganz spezielle IT-Funktionen gibt es während des Rekrutierungsprozesses sogar eine spezielle Personenüberprüfung, damit wir nicht jemanden einstellen, der beispielsweise schon mehrfach vorbestraft ist.

Haben Sie neben den angesprochenen Geräten noch speziellere Clients im Einsatz?
Ja, Toughbooks, also Notebooks, die stoss- und wettersicher sein müssen. Die setzen wir zum Auslesen von Flugdaten in unseren Flugzeugen ein und zwar sowohl in der Wüste wie im tiefsten Winter.


Wie sieht es Software-seitig aus? Auf welche Hersteller setzen Sie hier?
Als Betriebssystem wird im Moment zu 80 Prozent Windows eingesetzt, genauer Windows 7 auf Client-Seite und Windows Server 2008 im Server-Bereich. Der Rest und immer mehr ist Linux, vor allem im Web-Umfeld. Auf der ERP-Seite setzen wir wie erwähnt auf SAP.

Windows 8 ist für Sie noch kein Thema?
Es ist in Prüfung, aber für den Industriebereich haben wir bis jetzt noch keine klaren Vorteile gesehen für eine Migration. Wir überspringen gerne auch eine Generation. Bei Office sind wir beispielsweise von der Version 2003 direkt auf Office 2010 umgestiegen. Der Aufwand unsere Mitarbeiter zu schulen, ist einfach sehr gross.

Schulen Sie intern?
Ja, wir machen das intern, haben jedoch einen Zusammenarbeitsvertrag mit der Migros Klubschule. Sie kommt als Trainer zu uns.


Sie sind eher zurückhaltend was neue Technologien betrifft, sehe ich das richtig?
Ja, das ist so. In unserer IT-Strategie steht sinngemäss, dass nur erprobte Technologien eingesetzt werden. Oder anders ausgedrückt: Wir setzen nur auf das zweitneueste. Wir können es uns in der Fliegerei schlicht nicht erlauben, dass wir Pilotkunden oder Versuchskaninchen irgendeiner Technologie sind. Wir dürfen da keine Kompromisse machen. Lieber das zweitneueste, dafür das, das funktioniert.

Trotzdem dürfte es bei Ihnen momentan einige interessante, grosse Projekte geben. Können Sie uns eines nennen?
Ein grosses Projekt, an dem wir arbeiten und das uns die nächsten Monate stark beschäftigen wird, ist die digitale Archivierung. Das langfristige Aufbewahren unserer Dokumente von bis zu 20 Jahren ist eine grosse Herausforderung. Und wir legen immer weniger per Papier ab und haben immer mehr elektronische Dokumente. Bis 2016 wollen wir dafür eine Lösung haben.


Was ist die aktuelle Hauptherausforderung für Sie, neben den angesprochenen Projekten?
Das Personalmanagement. Hardware zu managen, das ist einfach. Software ist schon komplexer. Aber ein gutes Team zu haben, das ist nicht einfach. Es ist wie im Fussball: Man darf den Nachwuchs nicht vernachlässigen, man muss aber auch eine Seniorenmannschaft haben, also eine gute Mischung von fähigen und motivierten Mitarbeitern. Und das ist eine grosse Herausforderung. Wir wollen beispielsweise eine möglichst tiefe Fluktuation und das ist in der heutigen Zeit nicht mehr so einfach.

Das Geld ist keine Herausforderung?
Doch, das ist auch bei uns immer eine Herausforderung. Das Top-Management will natürlich nur das optimierte Minimum in die IT investieren. Ich habe aber in den letzten Jahren einen Wandel festgestellt, dahingehend, dass die Firmenleitung sieht, dass Innovation durch IT kommt und die Bereitschaft gestiegen ist, in IT zu investieren. Noch vor fünf Jahren hat man in die IT investiert, um das Geschäft am Laufen zu halten, heute, um das Geschäft zu unterstützen und weiterzuentwickeln.


Apropos Innovationen: Welchen Einfluss hat die IT auf das vor kurzem vorgestellte neue Flugzeug, den Pilatus PC-24?
In dem Sinn, als dass nicht nur Modell und Design der Flugzeugkomponenten im 3D CAD erfolgen, sondern auch realisitische Simulationen und Belastungstests mit Software durchgeführt werden. Früher wurden Flugzeuge komplett von Hand gezeichnet, heute erfolgt praktisch alles mit dem Computer. Die Unterstützung der IT bei der Flugzeugentwicklung bei Pilatus ist also hoch und wird immer höher. (mv)


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