Selbstmotivation als Schlüssel

Von Stefan Bald

Im Berufsleben sind heute teils andere Fähigkeiten als früher gefragt – auch im Soft-Skill-Bereich. Denn die Arbeitsstrukturen in den Betrieben haben sich gewandelt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/06

     

Was unterscheidet einen sehr guten von einem eher durchschnittlichen Mitarbeiter? Klar ist: Wer in seinem Job Spitze sein möchte, braucht das nötige fachliche Wissen und Können. Denn ohne dieses kann weder ein Mechaniker Motoren reparieren, noch ein ITler Software programmieren.
Doch Fachwissen allein genügt in der Regel nicht, um im Beruf erfolgreich zu sein. Denn Berufstätige agieren nicht in einem luftleeren Raum. Als Angestellte sind sie vielmehr Teil einer Organisation. Also müssen sie mit anderen Menschen kooperieren und harmonieren. Das gilt insbesondere für die Personen, die in den IT-Bereichen der Unternehmen arbeiten. Denn diese haben oft eine Dienstleistungsfunktion in ihrer Organisation. Und dieses Harmonieren und Kooperieren setzt ebenfalls gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten voraus. Doch welche?
Das hängt ausser von den Arbeitsinhalten auch von der Struktur der Betriebe und deren Arbeitsorganisation ab. So waren zum Beispiel in den sehr hierarchisch strukturierten Betrieben, die bis vor knapp 20 Jahren die Unternehmenslandschaft prägten, primär die klassischen Sekundärtugenden gefragt. Die Mitarbeiter sollten pünktlich und fleissig sein; zudem gewissenhaft und zuverlässig sowie die ihnen von ihren Chefs übertragenen beziehungsweise in ihren Stellenbeschreibungen fixierten Aufgaben erfüllen. Und ansonsten sollten sie, überspitzt formuliert, möglichst den Mund halten.

Neue Arbeitsorganisation – neue Anforderungen


Über viele Jahre funktionierte dieses System und wurde immer weiter optimiert. Doch irgendwann waren die Optimierungspotentiale ausgereizt. Und die Unternehmen kamen zur Erkenntnis: Wenn wir uns weiter verbessern wollen, müssen wir die Arbeit ganz neu strukturieren. Als Folge davon begann vor circa 20 Jahren der Siegeszug der Team- und Projektarbeit. Das heisst, statt einzelnen Mitarbeitern Teilaufgaben zu übertragen, wurden nun an Mitarbeitergruppen mehr oder weniger komplexe Aufgaben delegiert, die sie weitgehend in Eigenverantwortung lösen sollten.
Dies wirkte sich auch auf die Anforderungen an die Mitarbeiter aus. «Teamfähig soll unser Mitarbeiter sein», lautete fortan eine Standardanforderung in fast allen Stellenanzeigen. Doch nicht nur dies: Zudem sollten die Neuen kommunikativ und konfliktfähig sein. Denn wenn mehrere Mitarbeiter gemeinsam eine Aufgabe erfüllen, besteht nicht nur ein grösserer Abstimmungsbedarf. Dann gibt es auch mehr Reibungspunkte, als wenn jeder Mitarbeiter allein vor sich hin arbeitet und ausschliesslich seine exakt definierten Aufgaben erfüllt – eine Erfahrung, die zum Beispiel die IT-Bereiche der Unternehmen in der Zusammenarbeit mit deren Fachabteilungen fast täglich sammeln.

Team- und Projektarbeit ist eingeübte Praxis


Entsprechend boomten in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten in den Unternehmen neben den Team- und Projektmanagement- auch die Kommunikations- und Konflikt-Management-Trainings. Und heute? Heute ist die Team- und Projektarbeit in weiten Teilen der Unternehmen gängige Praxis und die Mitarbeiter sind daran gewöhnt – auch weil sie heute teilweise bereits in den (Hoch-)Schulen diese Arbeitsform einüben.
Das bedeutet nicht, dass die Themen Team- und Projektarbeit in der betrieblichen Weiterbildung keine Rolle mehr spielen. Aber in den Trainings hat sich die Akzentsetzung verschoben. Heute geht es in den Trainingsmassnahmen zumeist nicht mehr darum, Team- oder Projektarbeit einzuführen, sondern diese zu optimieren.
Dafür gewinnen neue Themen an Bedeutung. Denn aufgrund der Globalisierung und der rasanten technologischen Entwicklung stehen die Unternehmen unter einem immer grösser werdenden Veränderungsdruck. Das heisst, sie und ihre Mitarbeiter müssen sich in immer kürzeren Zeitabständen fragen: Können wir mit unserer aktuellen Art zu arbeiten und Aufgaben zu lösen unsere Ziele noch erreichen?

Mitarbeiter müssen Selbstentwickler werden


Für die Mitarbeiter bedeutet dies, dass sie immer häufiger ihre Denk- und Verhaltensmuster den veränderten Rahmenbedingungen anpassen müssen. Hieraus resultiert ein gesteigerter Lernbedarf. Dieser ist so gross, dass er durch Personalentwicklungsmassnahmen, die von der Personalabteilung konzipiert und den Mitarbeitern verordnet werden, allein nicht mehr gedeckt werden kann – auch weil der Lern- und Entwicklungsbedarf der Mitarbeiter zu verschieden ist. Folglich muss das Lernen ein Teil des Arbeitsalltags werden und die Mitarbeiter müssen ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen. Sie müssen sozusagen Selbstentwickler werden, um begehrte Arbeitskräfte zu bleiben. Das gilt nicht nur für die Angehörigen (informations-)technischer Berufe, deren Fachwissen aufgrund des technischen Fortschritts oft schnell veraltet, sondern auch für die Angehörigen anderer Berufe. Denn nicht nur die Herausforderungen, vor denen Unternehmen stehen, wandeln sich immer schneller, sondern auch die Art und Weise, wie sie Aufgaben und Probleme lösen.
Dieses «Selbstentwickler-werden» setzt eine Reihe von Fähigkeiten voraus. So müssen die Mitarbeiter zum Beispiel lernen, selbst – oder mit selbstorganisierter Unterstützung – ihren Entwicklungsbedarf zu ermitteln sowie eigene Lernprozesse zu organisieren und zu evaluieren. Und zudem müssen sie es schaffen, sich selbst zum Lernen zu motivieren, auch wenn es mal nicht auf Anhieb klappt.
Die Fähigkeit zur Selbstmotivation entwickelt sich zu einer Schlüsselkompetenz in unserer heutigen von Veränderung geprägten Arbeitwelt. Denn je eigenständiger und -verantwortlicher und ohne unmittelbare Kontrolle von oben Mitarbeiter arbeiten, desto häufiger müssen sie zu sich selbst sagen: Ich mache das jetzt, obwohl ich dazu keine Lust habe. Und je häufiger sie vor neuen Herausforderungen stehen, umso öfter geraten sie an Punkte, bei denen sie zunächst das Gefühl haben, dass sie das nicht können. Dann wird von Arbeitnehmern heute zunehmend erwartet, dass sie nicht unmittelbar die Flinte ins Korn werfen, sondern sich fragen, unter welchen Voraussetzungen sie die Aufgabe vielleicht lösen könnten, und einen Versuch wagen.

Zuversicht, es zu schaffen


Das setzt zweierlei voraus: Zum einen müssen die Mitarbeiter im Verlauf ihrer Biografie eine gewisse Grundzuversicht entwickeln: «Irgendwie schaffe ich das schon. Schliesslich habe ich in der Vergangenheit schon viele Aufgaben, die mir zunächst unlösbar erschienen, gelöst.» Zum anderen müssen sie lernen, ihre Gedanken und somit ihre Gefühle und ihr Verhalten zu steuern. Das heisst, sie können, wenn eine neue Herausforderung auf sie zukommt, zwar durchaus zunächst innerlich fluchen. Nach einiger Zeit sollten sie aber zum Beispiel denken: «Na ja, das gehört halt zu meinem Job. Und so schlimm, wie es auf den ersten Blick scheint, wird es schon nicht werden.»
Diese Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und in eine positive, zuversichtliche Stimmung zu versetzen, haben viele Arbeitnehmer noch nicht ausreichend entwickelt. Die Folge: Sie verfallen bei neuen An- und Herausforderungen in eine Art Schockstarre und fühlen sich schnell überfordert. Ein Indiz hierfür ist die wachsende Zahl von Burn-outs und psychischen Erkrankungen. Ihre Ursache ist meist nicht, dass die Mitarbeiter vor so vielen Herausforderungen stehen, dass sie diese mengenmässig nicht mehr bewältigen könnten. Die Ursache ist vielmehr, dass sie vor Herausforderungen stehen, für deren Lösung sie noch keine Strategie entwickelt oder verinnerlicht haben. Als entsprechend belastend werden sie empfunden. Diesen Zusammenhang sollten die firmen­internen Personalentwickler stärker reflektieren. Denn dann könnten sie auch Unterstützungs- und Präventionsmassnahmen organisieren.

Wie selbstwirksam sind Sie?

Schätzen Sie bei den folgenden Aussagen auf einer Skala von 1 bis 5 ein, wie stark diese auf Sie zutreffen (5 = stimmt haargenau, 1 = stimmt überhaupt nicht). Dieser Test ist nur ein Denkanstoss. Deshalb gibt es keine Auswertung.

· Wenn ich beruflich oder privat vor neuen Herausforderungen stehe, finde ich Wege, damit angemessen umzugehen.
· Neuen Aufgaben und Herausforderungen sehe ich gelassen entgegen, weil ich mir und meinen Fähigkeiten vertraue.
· Neue, herausfordernde Aufgaben gehe ich beherzt an und schiebe sie nicht auf die lange Bank.
· Es fällt mir beruflich und privat recht leicht, meine Ziele zu erreichen.
· In unerwarteten Situationen und bei überraschenden Ereignissen bewahre ich einen kühlen Kopf und gerate nicht in Panik.
· Es fällt mir leicht, bei Bedarf Gewohnheiten und Routinen aufzugeben.
· Wenn mal etwas schief geht, zweifle ich nicht an mir und meiner Kompetenz.
· Ich bin überzeugt, dass nur wer wagt, gewinnt, und kein Meister vom Himmel fällt.
· Es fällt mir leicht, andere Menschen um Unterstützung zu bitten, wenn ich an meine Grenzen stosse.
· Ich bin überzeugt, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt.
· Ich bin stolz darauf, welche herausfordernden Aufgaben ich in der Vergangenheit schon gelöst habe.
· Ich fühle mich wohl in meiner Haut und bin voller Lebensmut.

Der Autor

Stefan Bald ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, für die fast 50 Trainer, Berater und Coaches arbeiten.
www.kraus-und-partner.de


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