Die Wolke und die IT-Organisation

Von Ben Martin

Cloud Computing stellt neue Anforderungen an eine IT-Organisation. Kompetenzen, die auf das Management der Cloud-Service-Phasen ausgerichtet sind, sind zu definieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/11

     

Cloud Computing, aber auch andere aktuelle Entwicklungen in der IT wie etwa Bring your own Device (BYOD), Social Media oder Big Data Management, werden einen starken Einfluss auf die Aufstellung von IT-Organisationen, inklusive ihren Rollen, Funktionen und Kompetenzen haben.
Einerseits werden in der Zukunft die klassischen, operationalen IT-Tätigkeiten (z.B. System-Administration) mehr und mehr von spezialisierten Outsourcing- oder auch Cloud-Service-Providern ausgeführt werden und nicht notwendigerweise von den internen IT-Organisationen eines Unternehmens. Andererseits sind neue Kompetenzen gefragt, die eine serviceorientierte Zusammenarbeit mit externen Service Providern sowie das Management von steigenden Risiken im Bereich Security und Governance ermöglichen.

Will man sich genauer mit diesen Kompetenzverschiebungen beschäftigen, lohnt es sich, die Kompetenzanforderungen mit den Abläufen und Prozessen vor und während einer Cloud-Computing-Entscheidung in Beziehung zu setzen. Um die Abläufe und Prozesse in Zusammenhang mit Cloud-Computing-Entscheidungen besser zu verstehen, kann man auf den vertrauten Prozessen im bekannten ITIL Service Lifecycle aufbauen und diese Prozesse in Beziehung setzen zu den allgemein definierten Abläufen eines Sourcing Lifecycle (siehe Abbildung 1).
Welche Kompetenzen einer internen IT-Organisation sind nun relevant in den verschiedenen Phasen des Cloud Computing Lifecycles?

1. Cloud Computing Strategie – Service Strategie

Die Gesamtverantwortung für das Cloud Sourcing und das Service Lifecycle Management sollte beim CIO beziehungsweise IT-Leiter liegen. Seine Kernkompetenzen sollten ausgeprägt sein hinsichtlich des Analysevermögens von Business- und IT-Entwicklungen, des Business-Prozess-Verständnisses, des Stakeholder Managements und der Entwicklung von Sourcing-Strategien sowie der Durchsetzung von Sourcing-Entscheidungen.
Weitere Rollen und Funktionen, die an der Entwicklung und Definition einer Sourcing und Service Strategie beteiligt werden sollten, sind:
-Senior Business Process Analyst
-Service Portfolio Manager
-CIO und sein Management Team
-HR (Organisationsanalyse)
-Financial Manager
-Senior Architect
-Risk-, Compliance-, Security-, Quality-Manager
Die Erarbeitung des Cloud Business Case und die Scope-Definition sind sicher im Kompetenzbereich des CIO und seines Management Teams anzusiedeln. Dabei werden sie unterstützt von den Funktionen aus Finanz-, Architektur- sowie Risk-, Compliance-, Security- und Quality-Management. Um die Prozesse der Strategieerarbeitung erfolgreich zu managen, ist ein Verständnis von Sourcing- und Cloud-Computing-Governance-Frameworks wesentliche Voraussetzung.

2. Cloud Computing Selection – Service Design

Die Gesamtleitung des Cloud-Service-Selektionsprozesses sollte bei einem Senior-Projekt- oder Programm-Manager mit Sourcing- und Cloud-Governance-Erfahrungen liegen. Die Verantwortung für die Definition der Cloud-Service-Einkaufsrichtlinien, abgeleitet aus den allgemeinen Einkaufsstandards der Firma, sollte einem erfahrenen Einkäufer obliegen, der idealerweise Erfahrungen im Einkauf von IT-Dienstleistungen besitzt. Die Kompetenzen für den erfolgreichen Abschluss der Kern-Selektionsaktivitäten («Request for Proposal», Due Diligence, Vertragserarbeitung) und die darin involvierten Rollen und Funktionen sind in der Tabelle «Cloud Computing Selektions-Prozesse» zusammengefasst.
Wie man der Tabelle entnehmen kann, liegt ein Kompetenzschwerpunkt in der Formulierung von genauen Service-Level-Anforderungen hinsichtlich Verfügbarkeits-, Kapazitäts-, Security- und Compliance-Management sowie in der Widerspiegelung dieser Service-Anforderungen in vertraglich vereinbarten Service Level Agreements (SLAs, siehe Abbildung 2).

3. Cloud Computing Transition – Service Transition

Die Transition des Cloud Services sollte auch auf Kundenseite von einem erfahrenen IT-Projektleiter geführt werden, als Gegenstück zum Transition Manager auf der Cloud-Service-Provider-Seite, der die Gesamtverantwortung für die Service-Implementation trägt. Unterstützung, vor allem hinsichtlich des Change-, Configuration-, Test-, Release- und Deployment-Managements, erhält er durch die spezifischen Prozess-Manager.

4. Cloud-Computing-Partnerschaft – Service Operation

Ist der Cloud Service erfolgreich eingeführt, muss er im täglichen Betrieb gemanagt werden, um die Service-Ziele gemäss den Service-Anforderungen zu erreichen. In der Tabelle «Cloud Computing Partnerschafts-Prozesse» sind die beteiligten Prozesse, Kompetenzen, Rollen und Funktionen aufgeführt.
Den Schwerpunkt der Kompetenzen bilden hier Service und Supplier Management sowie die regelmässige Anpassung des Vertrages an neue oder geänderte Service Anforderungen (siehe Abbildung 3).
In Abhängigkeit davon, wie kritisch ein Service für die Firma ist, sowie von der Grösse, dem Volumen, dem Risiko und der Komplexität der Cloud-Computing-Services können verschiedene Kompetenzen in weniger Rollen und Funktionen gebündelt werden. So kann man sicherlich einige der Service-Design-Rollen (Capacity-, Availabiltiy- und Continuity-Management) in einer «Service Design»-Funktion zusammenfassen.
Ergibt sich jedoch – auf Basis der Sourcing-Strategie – ein Multi-Vendor-Ansatz, kann die Komplexität der Prozesse und Aktivitäten in einem Mass steigen, das es erforderlich macht, dedizierte Rollen und Funktionen mit den dazugehörigen Kompetenzen in der IT-Organisation gezielt zu entwickeln und die Personalentwicklungspläne im Unternehmen daraufhin abzustimmen.

Wichtig bleibt jedoch festzustellen, dass die benötigten Kompetenzen nur durch adäquates Training und durch relevante Erfahrungen erworben werden können. Auch wenn man einzelne Kompetenzen auch im «Learning by Doing» in der Zusammenarbeit mit einem erfahrenen, externen Berater relativ schnell entwickeln oder einkaufen kann und der Markt für solche externen Berater sich sicher gut entwickeln wird.
Relevante Trainings zur Unterstützung der Kompetenzbildung sind die allgemein bekannten Trainings wie die ITIL-Kurse oder ISO-20000-, ISO-27000- und -Cobit-Ausbildungen. Daneben gibt es seit neuestem spezielle Trainings, wie zum Beispiel «Sourcing Governance Foundation» und «Cloud Computing Foundation», die gezielt Sourcing- und Cloud-Governance-Kompetenzen vermitteln und die mit einem Zertifikat von anerkannten Trainingsinstituten abgeschlossen werden können. Beide Kurse werden in der Schweiz und der gesamten DACH-Region in Deutsch und in Englisch angeboten.
Als Cloud Service Kunde muss man davon ausgehen, dass die Mitarbeiter des Cloud-Service-Anbieters alle notwenigen Kompetenzen erworben haben und ihren Kunden in den verschiedenen Prozessen und Aktivitäten kompetent entgegentreten – was sicher gewollt und gut ist, aber das Risiko in sich birgt, das die Kundenseite in einigen Punkten überfahren wird – zum Nachteil des Business Case des Kunden.




Ben Martin ist Partner bei Glenfis, einem Spezialisten für IT Governance.



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