Gemeinsam ist man stark

von Alexander Brügger

Heute gibt es in der Geschäftswelt drei unterschiedliche Formen der Kollaboration. Was braucht es für jede dieser Formen und wo geht der Trend hin?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/12

     

Ein wesentlicher Vorteil von Collaboration Tools ist der beschleunigte Wissensaustausch im Unternehmen und mit Partnern. Inzwischen vernetzen sich immer mehr Firmen in drei Richtungen. Sie bringen auf verschiedene Abteilungen und Standorte verteilte Mitarbeitende über Unified Communication & Collaboration (UCC) und Web-2.0-Anwendungen zu virtuellen Projektteams zusammen. Im nächsten Schritt erweitern sie die Team Collaboration zu Cross-Company-Zusammenarbeit, indem sie sich firmenübergreifend mit Zulieferern und Partnern vernetzen. Noch einen Schritt weiter geht Mass Collaboration in Unternehmen, die mit Kunden und Anwendern direkt in der Produktentwicklung zusammenarbeiten, um die Wünsche der späteren Käufergruppe schon in der Innovationsphase zu verarbeiten. Auf allen Ebenen flexibilisieren und beschleunigen die Kollaborations-Tools die Arbeitsabläufe, verbessern das Time-to-Market und minimieren Produkte-Risiken. Je nach Unternehmen, Marktstrategie und Produktportfolio müssen die Potentiale dieser Collaboration-Formen separat bewertet werden. Auch die erforderlichen ICT-Lösungen dürfen nicht einfach übergestülpt werden, sondern müssen die bestehenden Unternehmensprozesse möglichst passgenau abbilden.
Gerade Marken- und Lifestyle-Unternehmen sind im Bereich Mass Collaboration im Web-2.0-Umfeld bereits neue Wege gegangen. Umgedreht sind viele global aufgestellte Hersteller mit komplexen Zuliefererstrukturen im Bereich der Team Collaboration oder Cross Company sehr weit fortgeschritten. Generell kann sich heute kein Grossunternehmen den neuen Collaboration-Formen komplett entziehen, ohne Wettbewerbsnachteile zu riskieren. Die Herausforderungen liegen vor allem darin,

- den Best-of-Breed-Ansatz zu finden, mit dem die Interoperabilität den höchsten unternehmerischen Mehrwert generiert,


- homogene End-to-End-Plattformen und keine Insellösungen zu schaffen und

- für die nötige Sicherheit in Bezug auf Daten, Systeme, Zugriffsrechte, Identitäten oder Patent- und Urheberrechte zu sorgen.

Virtuelle Unternehmensstrukturen abbilden

Über mehrere Länder verteilte Produktionsstandorte, global ausgerichtete Beschaffung, weltweiter Vertrieb – die unternehmerischen Prozesse eines vernetzten Unternehmens sind komplex, da ein Grossteil des Tagesgeschäfts von Abteilungs- und Standort-übergreifenden Verantwortlichkeiten geprägt ist.
Werden in einem ersten Schritt die Kommunikationsoptionen innerhalb des Unternehmens auf einer integrierten UCC-Plattform mit einheitlicher Benutzeroberfläche zusammengefasst, verbessert sich die Erreichbarkeit bei gleichzeitiger Reduktion des Aufwands für die Wahl des geeigneten Kanals. Zudem kann der Zugriff auf diejenige Kontaktmöglichkeit optimiert werden, die für den erforderlichen Austausch das beste Medium darstellt. Instant Messaging beispielsweise kann der förmlichen E-Mail den Rang ablaufen, wenn es um kurzfristige Abstimmungen in Echtzeit geht. Dank Bild- und Tonübertragungen in Echtzeit können per Videokonferenz reale Meetings simuliert werden. Weiteren Mehrwert bietet eine professionelle UCC-Lösung mit so genannten Präsenzinformationen, die Transparenz darüber schaffen, welcher Kollege gerade verfügbar oder beschäftigt ist. Noch weiter geht Team Collaboration, wenn die verschiedenen Kommunikationskanäle auch in die Geschäftsanwendungen des Unternehmens integriert sind und Kontaktanfragen direkt aus der Applikation heraus gestartet werden können.
Diese einheitlichen Kommunikationsplattformen auf Basis von UCC lassen sich in einem nächsten Schritt um weitere Anwendungen für die virtuelle Zusammenarbeit ergänzen. Projekte werden dann im Rahmen von virtuellen Projekträumen, so genannten Sites, organisiert. Je nach Projektteilnahme oder Zuständigkeit wird der Zugang zu Prozessen und Inhalten geregelt. Dateien können gemeinsam bearbeitet werden, was Freigabeschleifen und damit Zeit spart. Eine Versionierung zeigt an, wer zuletzt an welchen Inhalten gearbeitet hat und was verändert wurde. Über Application Sharing können Entwickler zusammen dasselbe Programm nutzen und mit Desktop Sharing kann man seinem Gegenüber sogar den gesamten Desktop freigeben. Auch Portale steigern die Effizienz der Kommunikation und Zusammenarbeit. Mit Hilfe interner Wikis können nicht nur Begrifflichkeiten unternehmensweit erklärt und definiert werden, auch einzelne Bereiche können sich und ihre Leistungen beschreiben. Im Gegensatz zur Kommunikation via Intranet sind Wikis dezentral organisiert und können von Lesern direkt bearbeitet werden. Sie sind eine unschätzbare Quelle für den internen Wissenstransfer. Wie auch Blogs, die aber eher vom Engagement einzelner Experten leben. Die Technologien wie auch die Anbieterlandschaft für diese Formen der Team Collaboration sind vielfältig. Die Angebote lassen sich nach Einsatzziel, Medium und Funktionsumfang differenzieren. Eine professionelle Beratung ist daher vor der Auswahl und Implementierung einer Lösung durchaus sinnvoll. Doch gelingt es, die Strategien und Prozesse zielorientiert abzubilden, können die Mitarbeitenden produktiver und die Geschäftsprozesse innovativer werden. In der Schweiz werden gemäss einer von T-Systems und dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen durchgeführten Studie Web-2.0-Elemente wie Wikis, Blogs oder Instant Messaging bereits sehr gut für das Wissensmanagement und die unternehmensweite Zusammenarbeit genutzt.

Wertschöpfungsnetzwerke verknüpfen und Risiken minimieren

Die Kooperation mit Partnern rund um den Globus hat für Unternehmen viele Vorteile: Sie können alternative Sourcing-Modelle nutzen, neue Markt- und Kundenpotentiale erschliessen oder erhalten Zugang zu Kompetenzen lokaler Nischenanbieter. Doch Cross Company Collaboration ist zweischneidig: Der firmen-übergreifende Informationsaustausch soll möglichst reibungslos verlaufen. Gleichzeitig dürfen Know-how und Daten nicht unkontrolliert über die Unternehmensgrenzen hinaus gelangen. Auf vier Ebenen sind besonders heikle Punkte angesiedelt, die bei der Implementation einer Cross-Company-Collaboration-Lösung zwingend beachtet werden müssen:

- Identitätsmanagement: Alle Projektteilnehmer müssen eine hochsichere Verbindung zum virtuellen «Projektraum» herstellen können – dies geschieht sinnvollerweise über ein in die Lösung integriertes persönliches Sicherheitszertifikat.


- UCC-Funktionalitäten: Im besten Fall sind UCC-Funktionalitäten wie Präsenzstatus, Telefonie, Video und Instant Messaging sowie Application- und Desktop-Sharing bereits in der Kollaborationslösung integriert. So entsteht bei jedem beteiligten Unternehmen nur eine einzige Schnittstelle, was wiederum die Anbindung neuer Partner ans Kollaborationsnetzwerk vereinfacht.

- Projektmanagement: Auf der Stufe Cross Company Collaboration müssen unternehmensübergreifende Abläufe für die Zusammenarbeit an Dokumenten und Applikationen definiert werden.

- Datenmanagement: Wo werden welche Daten gespeichert? Wer hat welche Zugriffsrechte? Diese und ähnliche Fragen tauchen schnell auf, wenn mehrere Unternehmen auf einem System zusammenarbeiten. Die betei-ligten Unternehmen müssen – gemeinsam und für sich selbst – entscheiden, wie das Kollaborationssystem in ihre bestehenden Systeme und Prozesse integriert wird.
Technologien ab der Stange, um all diese – meist unternehmens- und branchenspezifischen – Anforderungen zu erfüllen, gibt es nicht. Es existieren aber Projektmanagementanwendungen, welche modular aufgebaut sind und sich deshalb an individuelle Anforderungen des Business anpassen lassen. Doch gemäss erwähnter Studie steht die Nutzung von Schnittstellen zu den Kunden, Lieferanten und Partnern in der Schweiz noch weitgehend am Anfang.

Next Generation Collaboration: Anwender einbeziehen

Auch die kollektive Intelligenz ausserhalb des Unternehmens kann heute für unternehmerische Zwecke nutzbar gemacht werden. Mit Web 2.0 können Kunden und Anwender helfen, Produkte und Leistungen zu optimieren und innovative Angebote zu entwickeln. Unternehmen, die ihren Kunden Community-Portale bereitstellen, haben sowohl den Markt besser im Blick als auch einen engen Kontakt zur Zielgruppe. Die eher passive Form der Nutzung besteht in der schlichten Beobachtung der sozialen Medien: statistische Auswertungen von Nutzerprofilen oder das Monitoring von Beiträgen in Diskussionsforen liefern einem Hersteller wertvolle Informationen über Meinungen und Emotionen seiner Kundengruppen. Aktiver wird ein Unternehmen, wenn es seinen Kunden und Anwendern selbst ein offenes Internet-Forum bereitstellt und die Diskussionsbeiträge – ob positive oder negative - jeweils kommentiert. Die aufwendigste, aber auch direkten Nutzen stiftende Interaktionsform ist die aktive Partizipation des Kunden. Unternehmen können ihre Kunden über so genannte Open-Innovation-Plattformen direkt einbeziehen. Die Kunden können Ideen und Meinungen einbringen und damit dazu beitragen, das optimale Produkt zu entwerfen. Zwar engagieren sich auf solchen Open-Innovation-Plattformen nur wirklich interessierte Kunden. Es sind jedoch genau diese, welche am meisten Hintergrundwissen mitbringen und damit dem Unternehmen auch die besten Vorschläge liefern. Ein Beispiel aus der Automobilindustrie ist der Fiat 500, für dessen Entwicklung auf einer eigens aufgesetzten Plattform mehr als zwei Millionen Designvorschläge von Fans eingegangen waren. Bei Serienreife lagen dann bereits 80’000 Bestellungen vor. Die Antizipation von Kundenwünschen in der Projektentwicklung durch deren direkte Beteiligung senkt so das Risiko eines Produkte-Fehlstarts am Markt.

Der Autor

Alexander Brügger ist Product Manager Collaboration bei T-Systems.


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