«Es ist wichtiger, Kunden zu begeistern, als Produkte zu entwickeln»

Der Erfolg eines Unternehmens hat viel mit Begeisterung zu tun. «Radical Management» trägt dem Rechnung. Ein Gespräch über die Unterschiede zu den klassischen Managementmethoden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/07

     

Das Interview führte Peter Stevens, SwissICT-Fachgruppe Lean, Agile & Scrum

Der Buchautor und Management-Trainer Steve Denning bringt es auf den Punkt: «Es gibt lediglich zwei Arten von Unternehmen: Jene, die ihre Kunden begeistern, und solche, die dazu nicht in der Lage sind. Erstgenannte zeichnen sich durch Erfolg und Wachstum aus. Letztere stagnieren und kämpfen ums Überleben.» Was auf den ersten Blick etwas gar pointiert zu sein scheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als aktuelle Realität. Was es damit auf sich hat, erläutert Steve Denning anlässlich der diesjährigen «Lean Agile Scrum Konferenz 2011» vom 14. September 2011. Der Referent äussert sich in seiner Keynote zu den Themen «Radical Management» und «Storytelling». Wir hatten bereits im Vorfeld der Veranstaltung Gelegenheit, Steve Denning einige Fragen zu stellen.


SwissICT: Im Rahmen der diesjährigen LAS-Konferenz widmen Sie sich in Ihrer Keynote dem Thema «Radical Management». Was dürfen wir darunter verstehen?
Steve Denning:
Es handelt sich dabei um eine Grundeinstellung beziehungsweise um eine fundamental andere Managementmethode, als wir sie traditionellerweise kennen. Dabei fokussiert sich das gesamte Unternehmen auf den Faktor Kundenzufriedenheit. Es gilt, einzigartige Werte zu schaffen, Kunden für Produkte und Dienstleistung, für das Unternehmen zu begeistern. Dies wird mehr und mehr zum wettbewerbsentscheidenden Faktor, zum eigentlichen Schlüssel, im intensiven Wettbewerb bestehen zu können. Firmen, die den nachhaltigen Erfolg suchen, sind sich bewusst, dass sich ändernde Marktbedingungen adäquate Veränderungen im Unternehmen bedingen. Sie setzen sich deshalb mit der Frage auseinander, wie Änderungen eingeführt werden können, wie das Unternehmen mit Menschen umgeht, wie die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens ausgestaltet werden kann und wie die Interaktion mit und zu den Kunden erfolgen soll.

Veranstaltungshinweis: «Zurich Radical Management Gathering for Top Management»
Im Rahmen der ganztätigen Veranstaltung vom Montag, 12. September 2011 im Hotel Uto Kulm in Zürich vermitteln Steve Denning und Peter Stevens vertieftes Wissen über «Radical Management». Dabei gehen sie detailliert auf die fünf wichtigsten Management-Shifts ein und zeigen Wege auf, Kunden nachhaltig zu begeistern.


Weitere Informationen finden Sie hier.
Was ist an «klassischen» Management-Methoden so falsch?
Traditionelle Managementmethoden, wie sie namentlich in grösseren Organisationen anzutreffen sind, neigen dazu, Kreativität und Innovation im Keime zu ersticken. Sie basieren auf Prinzipien, die dem Erfolg hinderlich sind, die gar über Sein oder Nichtsein des Unternehmens (mit)entscheiden. Zu den grossen Fehlern des traditionellen Managements zähle ich unter anderem die Fokussierung auf den Output, die Konzentration auf Effizienz, die befehlsbetonte Führungskultur sowie die Festigung von Hierarchie und Dienstweg. Damit einher geht oft die Einstellung, dass die Mitarbeitenden nicht mehr und nicht weniger als «Ressourcen» sind und dass sich Kunden über einen Bedarf an Produkten und Dienstleistungen definieren lassen. Im Rahmen mehrjähriger Untersuchungen konnte ich immer wieder feststellen, dass die für den mittel- und langfristigen Erfolg entscheidenden Massnahmen kurzfristigen Überlegungen wie Effizienzsteigerung und Gewinnmaximierung zum Opfer fallen. Faktoren wie Innovation, agile Entwicklung, schlanke Produktionsprozesse (lean production), kreatives Marketing oder Wissensmanagement verkümmern dabei schlicht. Dies ist umso tragischer, als dass es sich dabei um erfolgsrelevante Aspekte handelt. Vor diesem Hintergrund habe ich mich auf die Suche nach Organisationen gemacht, die anders funktionieren – deren Managements eine (Führungs-)Kultur pflegen, die kreative Prozesse unterstützt bzw. fördert.


Darüber berichten Sie in Ihrem Buch «The Leader’s Guide to Radical Management».
Ja, das Buch nimmt sich exakt dieser Thematik sowie dem «Leadership Change Management» an. Es beschreibt die fünf wichtigsten Unterschiede zu klassischen Führungsmethoden, die ich erkennen konnte und die den erfolgreichen Unternehmen gemeinsam sind. Allen voran steht das Bestreben der Unternehmen, nicht primär Produkte herzustellen, sondern Kunden zu begeistern. Als treffendes Beispiel dazu sei Apple erwähnt. Zweitens hat sich die Rolle des Managements dahingehend gewandelt, dass nicht mehr das Controlling, sondern das Unterstützen und Motivieren der Mitarbeitenden im Vordergrund stehen. Drittens haben bürokratische Abläufe dynamischen Verbindungen, dem situationsgerechten Austausch Platz gemacht. Viertens sind nicht monetäre Ziele, sondern das Schaffen nachhaltiger Werte im Fokus. Und fünftens haben diese Firmen von der «Befehlserteilung» Abschied genommen. Sie setzen stattdessen auf autonom funktionierende Teams, die sich selbst organisieren und deren Mitglieder auf Augenhöhe miteinander umgehen.
Können Sie Beispiele beziehungsweise Firmen nennen, die «Radical Management» konkret umgesetzt haben?
Wegweisend im Bereich «Radical Management» ist die Software-Industrie, welcher Entwicklungsmethoden wie Agile und Scrum nicht fremd sind. Konkret applizieren beispielsweise Salesforce.com sowie das dänische Unternehmen Systematic Software die Prinzipien und Praktiken von Agile und Scrum in ihr gesamtes Business. Weitere Beispiele sind die global agierenden Unternehmen Toyota – der Inbegriff für «lean production» schlechthin –, Apple, Ford und Amazon.


Lassen sich Wirkung und Bedeutung des «Radical Managements» beweisen?
Der sogenannte «Shift Index» von Deloitte macht deutlich, dass das traditionelle Management ausgedient hat. So beträgt etwa der Ertrag auf Vermögenswerten von US-Unternehmen noch einen Viertel dessen, was er 1965 war. Die Lebenserwartung von Fortune-500-Unternehmen hat sich von 75 Jahre auf nur gerade noch 15 Jahre reduziert. Und lediglich einer von fünf Mitarbeitenden bezeichnet sich in Umfragen als motiviert und engagiert. Im Vergleich dazu erzeugt «Radical Management» erwiesenermassen die Fähigkeit zur kontinuierlichen Neuerung bzw. Wandlung des Unternehmens, ein bemerkenswertes Engagement der Mitarbeitenden sowie begeisterte Kunden. Unternehmen wie Apple, Google und Salesforce.com stehen synonym dafür und weisen als Folge davon ein kontinuierliches Wachstum in hart umkämpften Märkten auf. Meiner Ansicht nach stellt sich nicht mehr die Frage, ob «Radical Management» implementiert werden soll, sondern nur noch wann und wie.
Ein eng mit Ihnen verbundener Begriff ist «Leadership Storytelling». Was ist «Führungserzählkunst»?
Es handelt sich dabei um eine gezielte Vorgehensweise, Ideen und Informationen durch verständliche Storys mitzuteilen. Das Konzept basiert auf der «Macht der Erzählkunst» beziehungsweise auf der Erkenntnis, dass sich Ideen durch Geschichten schneller und leichter kommunizieren lassen. Dies lässt sich beispielsweise daran verdeutlichen, dass der Erfahrungsaustausch unter Berufskollegen oft wirksamer ist als elektronische Dokumentationssysteme oder Handbücher. Führungsgeschichten sind in aller Regel kurze, sachliche Geschichten, welche Botschaften plausibel zu vermitteln vermögen. Sie erlauben den Mitarbeitenden, sich in die Geschichte einzudenken, gar Teil davon zu werden – so, dass das Erzählte zur eigenen Erfahrung wird. Geschichten transformieren Daten zu Informationen und Wissen. Sie machen Zusammenhänge klar und wecken Verständnis. Und sie bilden die eigentliche Drehscheibe für ein firmenweites Wissensmanagement.


Warum sollten Führungskräfte mittels Storytellings kommunizieren?
Ganz einfach, weil nichts anderes wirklich funktioniert. Tabellen und Statistiken langweilen und hinterlassen oft Unklarheiten. Geschriebener Text wird nicht gelesen. Argumente mögen Sachverhalte erläutern, aber keine Abmachungen begründen. Die Erfahrung lehrt: Wenn es darum geht, Mitarbeitende und Personengruppen für Veränderungen «ins Boot zu holen», sind Geschichten der beste – wenn nicht gar der einzig gangbare – Weg.

Steve Denning

Der Australier Steve Denning, ehemaliger Direktor «Knowledge Management» der Weltbank, ist anerkannter Buchautor, Berater und Trainer. Zu seinen wichtigen Büchern zählt das Standardwerk «The Leader‘s Guide to Radical Management:
Reinventing the Workplace for the 21st Century».

Lean Agile Scrum Konferenz 2011

Die «Lean Agile Scrum Konferenz 2011» vom 14. September 2011 in Zürich steht unter dem Motto «Vom Pilotprojekt zur Unternehmensstrategie - Berichte aus der Praxis». Zur Teilnahme eingeladen sind IT-qualifizierte und IT-affine Personen unterschiedlichster Stufen und Bereiche. Ob Senior Manager, Projektleiter oder Product Manager, ob Software-Architekt, Entwicklungsingenieur oder Business Analyst – die LAS-Konferenz zeigt konkrete Wege auf, die eigene Organisation nachhaltig zu verbessern und bietet eine praxisbezogene Auseinandersetzung mit der zukunftsweisenden Thematik.


Für weitere Informationen: www.leanagilescrum.ch


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