Künstliche Intelligenz macht Quantensprünge
Quelle: Fujitsu

Fujitsu Forum 2019

Künstliche Intelligenz macht Quantensprünge

Von Michael Kurzidim

Fujitsu will Firmen helfen, die Herausforderungen der ­digitalen Transformation mit Der japanische Lösungs- und Infrastrukturanbieter Fujitsu hilft Unternehmen, die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern. KI-Chips und ein quanten-ähnlicher Superrechner bilden dabei eine sehr leistungsstarke Kombination.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2019/12

     

KI-Prozessoren, Co-Creation und Quantencomputer hies­sen die Kernthemen, die auf dem Fujitsu Forum, das im November in München stattfand, verhandelt wurden. Universell einsetzbare Quantencomputer sind so etwas wie der heilige Gral der Informatik weltweit. Alle suchen danach, aber keiner hat ihn bislang gefunden. Fujitsus Digital Annealer, ein quanten-inspirierter Rechner, kommt den Versprechen der Quanten-Enthusiasten jedoch schon ziemlich nahe. Der Annealer spielt seine Stärken besonders bei kombinatorischen Problemen aus, wo Milliarden von Optionen performant kalkuliert und auf Effizienz evaluiert werden müssen. Solche Problemstellungen tauchen zum Beispiel in der smarten Verkehrsplanung, der Logistik, der medizinischen Diagnostik oder im Portfolio-Management von Finanzinstituten auf, und dort soll Fujitsus Annealer durch hochgradige Parallelisierung um bis zu 10’000 Mal schneller rechnen als heute verfügbare Supercomputer. Er soll in der Lage sein, 10100 kombinatorische Optionen, das ist eine Zahl mit hundert Nullen, in einer Sekunde durchzuspielen.

Superrechner

"Unser Ziel war es, Fähigkeiten zu bauen, die nicht auf eine unbestimmte Zukunft vertrösten, sondern die direkt abrufbar sind", betont Joseph Reger, theoretischer Physiker, Informatiker und CTO bei Fujitsu. "We solve real-world problems in real-time", sagen Fujitsu-Manager nicht ohne Stolz und machen sich damit auch ein Stück weit über die Pilotprojekte der Konkurrenz lustig, die allenfalls stark eingegrenzte Spezialaufgaben bewältigen können. Der Digital Annealer dagegen kam im April dieses Jahres in einer verbesserten zweiten Version auf den Markt und hat sich in der Praxis bereits bewährt. Die britische Natwest optimiert damit ein Investment-Portfolio in Höhe von 120 Milliarden Pfund. Die Commerzbank hat mit dem quantenähnlichen Superrechner der Japaner ihr Leasing-Vertragsmanagement auf Effizienz getrimmt.


Stichwort Data-driven Enterprise: Letztlich kommt es darauf an, nicht nur schnellere, sondern auch bessere Entscheidungen zu fällen, die auf realen Daten basieren. Der Chief Risk Officer eines Finanzinstitutes sei mit quanten-inspirierten Rechnern wie dem Annealer in der Lage, Risikobewertungen nahezu in Echtzeit durchzuführen, um seine Investitionsentscheide besser abzusichern, erläutert Wilhelm Petersmann, Managing Director für die Schweiz und Österreich und Head of Financial Services bei Fujitsu. Bislang fahren Unternehmen sehr rechenintensive Jobs im Batchbetrieb über Nacht oder am Wochenende. Diese Zeit, so Petersmann, sei aber häufig nicht vorhanden; die Verzögerung wirke sich nachteilig auf die Unternehmen aus.

KI-Prozessor für smarte Entscheide

Schneller smarte Entscheidungen treffen heisst die Devise auch der digitalen Transformation. Fujitsu präsentierte auf seiner Kunden- und Partnerkonferenz in München seinen neuen KI-Chip, der in einigen Monaten auf den Markt kommen soll. Die DLU – das Akronym steht für Deep Learning Unit – liefert die Hardware-Basis für die darüber liegenden Layer. Als Betriebssystem dient Linux OS, auf dem oberen Software-Layer laufen das Zinrai Deep Learning System und Googles Tensorflow, gekapselt unter anderem in Docker-Containern. Ein KI-Prozessor, der fest in Hardware verdrahtete KI-Operationen bereitstellt, ist per se schneller als durch Software emulierte, sehr rechenintensive neuronale Netze. Auf erste Benchmarks und Ergebnisse darf man deshalb gespannt sein. Davon profitieren werden alle Unternehmen, die mit hochgradig komplexen kombinatorischen Problemstellungen zu kämpfen haben, im Transportwesen, der Verkehrsplanung, der medizinischen Diagnostik, im Anlage- und Portfolio-Management, der Qualitätssicherung per Bilderkennung oder in der Betrugsbekämpfung bei Banken und Versicherungen.


Das dritte Kernthema Co-Creation ist weder ein Produkt noch eine Lösung, sondern eine Methodik, dem Mittelstand dabei zu helfen, die digitale Transformation zu initialisieren. "Schweizer Unternehmen haben viele wunderbare Ideen und Pläne", sagte Fujitsu-Manager Petersmann zur Redaktion. "Aber die Geschwindigkeit, mit der dann die Umsetzung erfolgt, ist nicht zufriedenstellend, weil es viele Firmen versäumen, über den Tellerrand hinaus zu denken". Dadurch rücken innovative neue Geschäftsmodelle oft gar nicht erst ins Blickfeld.

Strategiepapier in einem Tag

Co-Creation heisst, dass Lösungsanbieter, Partner und Berater gemeinsam mit Kunden, auf der Basis von bestehenden Geschäftsmodellen, zukünftige Marktbedürfnisse identifizieren und davon ausgehend zunächst einen Proof of Concept aufsetzen. Fujitsu hat dafür einen strukturierten Evaluationsprozess in acht Schritten entwickelt, der bereits an einem Tag verwertbare Ergebnisse liefern soll, so das Versprechen. Wichtig ist jedoch, sich bereits vorab Gedanken zu machen und den Geschäftsbereich, der digital transformiert werden soll, klar einzugrenzen. "Eine Digitalisierungsstrategie zum Beispiel für die Grossbank UBS zu erstellen dauert sicher etwas länger", scherzt Petersmann. Aber für die Geschäftseinheit strukturierte Anlageprodukte etwa sei eine Blaupause an einem Tag ein realistisches Ziel. Ein eintägiger Co-Creation-Workshop ist für interessierte Firmen kostenfrei. Das Grundgerüst einer für den Flughafen London Heathrow entwickelten Lösung ist, so erklärt Fujitsu, in einem solchen Co-Creation-Workshop entstanden.
Auf das KI-Hype-Thema Sprachverarbeitung und Chatbots, die nahezu wie Menschen kommunizieren und gegenüber Kunden Beratungsaufgaben übernehmen, schaut Fujitsu-Manager Petersmann mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Glarner Kantonalbank hatte in der Anlagenberatung einen Chatbot im Einsatz, der aber die Bankkunden nicht völlig überzeugt hat. Die Glarner haben den Chatbot mittlerweile vom Netz genommen und erst einmal in Urlaub geschickt. "Im Anlagenberatungsgeschäft geht es nicht nur um mathematische Kalkulation, sondern vor allem um persönliches Vertrauen", erklärt sich Petersmann die mangelnde Akzeptanz aufseiten der Kunden. Er sieht für Chatbots und Robot Process Automation aber im technischen Support und im Kundencenter ein grosses Potenzial. Am Support Desk stellen erfahrungsgemäss 80 Prozent der Anrufer Standardfragen, die auch ein digitaler Mitarbeiter sehr gut beantworten kann. Davon profitieren die Kunden und die Mitarbeiter gleichermassen. Mitarbeiter werden entlastet und können sich höherwertigen Beratungsaufgaben widmen, Anrufer vertrödeln nicht lange Zeit in Warteschleifen, sondern werden sofort bedient.


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