Die Schweizer ERP-Landschaft
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Die Schweizer ERP-Landschaft

Kaum ein Unternehmen kommt heute noch ohne ein Enterprise-Resource-Planning-System aus. Ein Rundgang durch den Schweizer Markt mit Ausflügen zu den wichtigsten Trends.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2018/05

     

Enterprise-Resource-Planning-­Systeme bilden in vielen Unternehmen das Rückgrat des Betriebs. Sie dienen der zentralen Verwaltung aller geschäftsrelevanten Daten und werden zur Steuerung der einzelnen Unternehmensbereiche wie Finanz- und Rechnungswesen, Personal-Management, Warenwirtschaft und Produktionssteuerung bis hin zum Management der Kundenbeziehungen eingesetzt. Nicht zuletzt deshalb sind moderne ERP-Systeme in der Regel modular aufgebaut und lassen sich so bestmöglich an die realen Gegebenheiten im Unternehmen anpassen. Das bedeutet aber auch, dass ERP-Systeme in der Regel tief in die Unternehmensstrukturen eingreifen und auch die meisten, wenn nicht sogar alle Prozesse lenken und beeinflussen, die für die strategischen und operativen Funktionen von elementarer Bedeutung sind.

Auch beim Thema ERP weist der Weg in die Cloud

Wie sich Schäden am Rückgrat eines Menschen auf den ganzen Körper auswirken können, so können sich die Folgen eines ungeeigneten oder eines nicht sachgemäss implementierten ERP-Systems auch auf das gesamte Unternehmen auswirken. Firmen, bei denen die Neuanschaffung eines ERP-Systems oder der Wechsel zu einem neuen System ansteht, tun daher gut daran, sich eingehend mit der Materie zu befassen und im Bedarfsfall einen spezialisierten Berater hinzuzuziehen, wenn in den eigenen Reihen keine Ressourcen mit der dafür nötigen Erfahrung vorhanden sind. Dazu aber mehr im Artikel ab Seite 36. Gerade schnell wachsende Start-ups und KMU dürften um die Beschaffung einer Enterprise-Resource-Planning-Lösung nicht umhinkommen, nämlich spätestens dann, wenn sich abzeichnet, dass die Vielzahl der über lange Zeit sorgsam konstruierten Excel-Tabellen die Komplexität des Unternehmens nicht mehr adäquat abbilden können. Aber auch für einen Wechsel gibt es mehrere Gründe. Ein solcher ist beispielsweise angezeigt, wenn das vorhandene System nicht mehr über die nötigen Funktionen verfügt und diese nicht selbst entwickelt werden können oder das System sich nicht ohne grös­sere Entwicklungsschritte und entsprechende Kosten erweitern lässt. Auch können die Betriebskosten überproportional steigen oder gar aus dem Ruder laufen und die Evaluation einer neuen Lösung in den Fokus rücken.
Das moderne Konzept des Enterprise Resource Planning blickt je nach Sichtweise auf eine rund zwei bis drei Jahrzehnte umspannende Geschichte zurück, im Laufe derer vor allem grosse und alteingesessene Player ein gutes Stück des Marktes unter sich aufteilen konnten, so auch in der Schweiz. Neben branchenübergreifenden Lösungen haben sich auch immer mehr branchenspezifische ERP-Systeme etabliert. Handelt es sich bei einigen Lösungen aber noch mehrheitlich um monolithische Gebilde, die vornehmlich on Premise beim Endkunden zum Einsatz kommen, hat sich der Markt mit der wachsenden Bedeutung der Cloud und dem Entstehen einer immer grösseren Anzahl von SaaS-Diensten und -Lösungen in den letzten Jahren verändert. Neue, kleinere und agile Anbieter, die von Anfang an auf die Cloud gesetzt haben, konnten verschiedene Nischen erobern, und die älteren und grösseren Fische im Teich mussten ihre Lösungen dementsprechend den Bedürfnissen des Marktes und der Kunden anpassen. Dabei besteht der Vorteil einer Cloud-Lösung für die Kunden unter anderem darin, dass für deren Einsatz keine Anfangsinvestitionen in kostspielige Hardware getätigt werden müssen. Am Markt sind heute sowohl On-Premise-Lösungen wie auch solche in der Cloud oder hybride ­Gebilde vertreten, die beide Aspekte vereinen.

Der Schweizer ERP-Markt

Trotz stetiger Weiterentwicklung und der Einführung neuer Technologien haben sich die grundlegenden Funktionalitäten der ERP-Systeme über die Jahre nur geringfügig verändert. Dies widerspiegelt sich auch im Schweizer Markt für solche Lösungen, der in vielen Bereichen von Kontinuität geprägt ist. Laut regelmässig stattfindenden Erhebungen von Profondia (zur Methodik siehe Kasten), die hierfür die Antworten von 12'491 Standorten in der Schweiz angesiedelter Unternehmen mit mindestens 30 Mitarbeitenden und 10 PCs analysiert hat, ist die Fluktuation der Marktanteile der zehn hierzulande meistgenannten Anbieter von ERP-Software zwischen Januar 2015 und März 2018 praktisch vernachlässigbar und liegt bei den meisten bei weit unter einem Prozent (siehe Grafik 1). Das bedeutet, dass in diesem Zeitraum nur ein Bruchteil der befragten Unternehmen das eigene ERP-System ausgewechselt hat. Durch die enge Verzahnung solcher Systeme mit den Strukturen und Prozessen in den Unternehmen ist dies allerdings auch wenig verwunderlich, denn der Wechsel zu einer neuen ERP-Lösung wird dadurch zu einem Schritt, der gut überlegt sein will, auch weil er bedeutet, dass sich die gesamte Belegschaft in ein ­neues System einarbeiten muss. Auffallend ist bei der Aufschlüsselung nach Marktanteilen auch, dass heute immerhin noch 3,23 Prozent der Unternehmen auf intern ent­wickelte ERP-Lösungen setzen, während es im Januar 2015 noch 3,61 Prozent waren. Aus der Erhebung geht allerdings nicht hervor, welchen Funktionsumfang diese aufweisen.
Die tiefe Verwurzelung der ERP-Systeme in den Unternehmensstrukturen schlägt sich auch in der durchschnittlichen Lebensdauer solcher Lösungen nieder. Waren 2012 ERP-Systeme im Durchschnitt während 11 Jahren und einem Monat im Einsatz, verlängerte sich ihr Lebenszyklus per Ende März 2018 gar auf 14 Jahre und einen Monat. Spannend ist auch, dass Cloud-Lösungen zwar auf dem Vormarsch sind, aktuell aber erst 39,1 Prozent der befragten Unternehmen an ihren Standorten eine solche einsetzen. Davon beziehen wiederum 26,1 Prozent der Firmen ein ERP-System aus einer Private Cloud. Bei der Frage nach dem Funktionsumfang der eingesetzten Lösungen zeigt sich, dass 65,7 Prozent der Unternehmen auf ein System setzen, das über integrierte Personal-Management-Funktionalität verfügt, während 50,4 Prozent ein solches mit CRM-Funktionalität im Einsatz haben. Integriertes Dokumenten-Management wird von 27,5 Prozent genutzt und 15,9 Prozent setzen auf ein Modul für die Warenwirtschaft, während lediglich 10,7 Prozent Produktionsplanung und -Steuerung (PPS) einsetzen. Diesen stehen Unternehmen gegenüber, die für gewisse Funktionalitäten eigenständige Lösungen nutzen. Beim Dokumenten-Management sind es 29,3 Prozent, im Bereich Business Intelligence 23,9 Prozent, 16,1 Prozent nutzen eine eigenständige CRM-Lösung und 10,3 Prozent setzen für das Personal-Management auf eine spezialisierte Anwendung. Hinzu kommt die Aussage, dass 40,4 Prozent der Firmenstandorte der befragten Unternehmen mehr als eine Applikation zur Steuerung der Unternehmensprozesse im Einsatz haben. Das heisst soviel, dass viele Unternehmen neben einer Standard-ERP-Anwendung für gewisse Schlüsselprozesse weitere Applikationen einsetzen, welche oft branchenspezifische Aspekte besser abdecken.
In der Schweiz werden alle möglichen Arten von ERP-Systemen genutzt. Zum einen die bekannten Lösungen grosser, internationaler Anbieter, aber auch lokale Player konnten sich über die Jahre etablieren. Nicht zuletzt lohnt sich auch ein weiterer Blick auf die Aufstellung der Marktanteile. Unter "Andere Brachen-Lösungen" sind branchenspezifische Business-Applikationen subsummiert, welche für die Geschäftsprozesse wichtige Funktionen abdecken, wie Spezialprogramme für Architekten, Ingenieurbüros oder Anwälte. "Andere Hersteller ERP" sind Systeme, die von den Befragten weniger als zehn Mal genannt wurden und für welche darum von Profondia keine eigene Referenz erstellt wurde. "Andere Applikationen" schliesslich sind Business-­Applikationen, die als Lösungen genannt werden, welche die Geschäftsprozesse unterstützen, aber nicht als eigent­liche ERP-Lösungen gelten und auch nicht einer bestimmten Branche oder einer von Profondia definierten Software-­Kategorie zugeordnet werden können. Beispiele können Lösungen für das Projekt-Management oder die Steuerung von Software-Entwicklungen sein. Das Gesamtbild, das sich daraus ergibt, ist ein ziemlich heterogenes, und ist ein Indiz dafür, dass es in den Unternehmen viel mehr unterschiedliche Realitäten gibt, als selbst die grossen Hersteller von ERP-Systemen mit ihren Lösungen abzudecken vermögen, und das wird sich auch in Zukunft vermutlich nur bedingt ändern.

Erhebungsmethodik

Profondia erhebt seit 27 Jahren Daten über den Einsatz und Telekommunikation bei den grössten Schweizer Unternehmen durch kontinuierliche Befragungen. Stand Ende März 2018 umfasste das Profondia-Universum 12'491 Standorte von Firmen, welche mehr als 30 Mitarbeiter in der Schweiz beschäftigen und mindestens 10 PCs einsetzen. Davon 304 Standorte Niederlassungen, welche mindestens 50 Mitarbeiter vor Ort beschäftigen und über Informatik-Personal vor Ort verfügen.


Die Firmengrunddaten werden alle sechs Monate überprüft, die Befragung über die eingesetzte Hardware, Software und Services sowie die geplanten ICT-Investition erfolgt jährlich. Die Informationen basieren auf der freiwilligen Auskunftsbereitschaft der Unternehmen. Per 31. März 2018 hatten von den 12'491 erfassten Standorten 9369 Angaben zu den eingesetzten ERP-Systemen gemacht, was einer Auskunftsbereitschaft von 75 Prozent entspricht. (luc)


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