CIO-Interview: «Die Hardware im Zirkus hält erstaunlich gut»
Quelle: Circus Knie

CIO-Interview: «Die Hardware im Zirkus hält erstaunlich gut»

Das Interview führten Marcel Wüthrich und Andrea Luca Späth

Franco Knie Junior ist technischer Leiter beim Circus Knie. Im Interview erklärt er, wie die Digitalisierung die Arbeit in der Manege verändert hat.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/05

     

Swiss IT Magazine: Sie sind bis letztes Jahr mit den Elefanten in der Manege gestanden. Inzwischen bekleiden Sie noch das Amt des technischen Leiters beim Circus Knie. Wie wird man technischer Leiter beim Zirkus?
Franco Knie Junior:
Ich bin meine sechzehnte Saison beim Circus Knie und technischer Leiter bin ich seit letztem Jahr. Zuvor war ich aber schon stellvertretender technischer Leiter und mein Vater Franco Knie war damals Hauptverantwortlicher. Vor einem Jahr hat er sich dann entschieden, auf die Tournee zu verzichten, weil er sich komplett um das Himmapan-Park-Projekt im Kinderzoo Rapperswil kümmern wollte, und ich habe das Amt offiziell übernommen. Als Teil der Knie-Familie hat man meistens mehrere Funktionen und deshalb hatte ich schon vorher als Stellvertreter verschiedene technische Verantwortlichkeitsbereiche. Da die Elefanten jetzt nicht mehr mit auf Tournee kommen, kann ich mich voll und ganz um meine Aufgaben unter anderem als technischer Leiter kümmern.


Wie sind Sie von der Zirkus- in die Informatik-Welt gekommen?
Die IT-Welt interessiert mich schon seit meiner Jugend extrem. Das Meiste habe ich mir selber beigebracht. Zudem hatte ich das Glück, dass ich fast zwei Jahre bei Bluewin arbeiten durfte, wo ich auch nochmals sehr viel gelernt habe.

Für was ist der technische Leiter im Circus Knie verantwortlich?
Das ist ein breites Aufgabenfeld. Unter meiner Verantwortung steht die ganze IT des Circus Knie, des Kinderzoo Rapperswil und des Winterquartiers an der St. Wendelinstrasse in Rapperswil, in dem unsere Büros und die Buchhaltung platziert sind. Zudem koordiniere ich als technischer Leiter zusammen mit der SBB den ganzen Zirkus-Transport durch die Schweiz. Dann sind auch die Elektriker, die Werkstätte, die Küche und das Magazin unter der Verantwortung der technischen Leitung. Somit stehen alle technischen und physischen Belangen im Circus Knie in meiner Verantwortung.


Wie viele IT-Arbeitsplätze betreuen Sie?
Momentan aktualisieren wir gerade die ganze Dokumentation, da wir einerseits den Himmapan-Park neu eröffnet und andererseits erst mit der Tournee angefangen haben. Alles in allem betreuen wir im Zirkus, Kinderzoo und Winterquartier insgesamt rund 50 Arbeitsplätze. Auf der Tour haben wir dieses Jahr zwischen 15 und 18 IT-Arbeitsplätze.

Wie sieht eine IT im Zirkus aus?
Eine offizielle IT gibt es im Knie erst seit 2001. Damals haben wir die ersten Workstations installiert. Zuvor gab es einfach einige private Computer und Schreibmaschinen. Auch 2001 noch war die IT eine ganz kleine Geschichte. In den Bürowagen wurden Workstations und Drucker installiert, die untereinander verbunden waren und Daten austauschen konnten. Zusätzlich hatten wir einen Router und in jeder Stadt hat Swisscom, sofern es möglich war, eine Standleitung gezogen. Die ganze Installation war wegen der Leitungen und der Telefonnummern relativ teuer. Mit der Zeit hat sich die Informatik im Zirkus entwickelt. Wir haben einen eigenen Server zugekauft, der in einem Bürowagen versteckt ist. Darüber laufen alle Daten und Backups. Die Bürowagen sind alle miteinander verkabelt und greifen alle auf den Server zu und die ganze IT wird vom Server-Wohnwagen gesteuert. Im Server-Wohnwagen haben wir inzwischen auch zwei GSM-Router, durch welche wir standortunabhängig sind und dank denen wir sehr viel Geld sparen, da wir die Fixleitungen nicht mehr ziehen lassen müssen.


Nehmen Sie den Server deshalb mit auf Tournee, damit der Traffic über das GSM-Netz überschaubar bleibt?
Der GSM-Traffic ist sehr hoch bei uns. Vor allem im Medienbüro, in dem wir viel mit Audio- und Videodaten arbeiten. Die Datenabos haben eine Grenze, die wir momentan – dank dem eigenen Server vor Ort – nur in seltenen Fällen überschreiten. Die Daten gleich vor Ort zu haben, ist natürlich zudem einfacher. Darum nehmen wir einiges an eigener Infrastruktur mit auf Tournee.

Vom GSM-Netz hört man Verschiedenes bezüglich Stabilität und Sicherheit.
Wir hatten noch nie grosse Probleme, obwohl wir einen sehr hohen Traffic über das GSM-Netz haben. Teilweise haben wir unseren Standplatz zwischen Wohnhäusern. Dann kann es vorkommen, dass der Empfang nicht ganz so gut ist wie wenn wir auf einem offenen Feld stehen. Früher war es schwieriger, da es teilweise Orte gab, bei denen wir nur EDGE-Empfang hatten, was das Arbeiten fast unmöglich machte. Aber das wussten wir jeweils bereits im Vorfeld und haben uns dementsprechend organisiert. Inzwischen haben wir aber überall guten bis sehr guten Empfang.


Was sind die grössten IT-Herausforderungen auf der Tournee?
Wir arbeiten auf einem sehr beschränkten Raum. Die IT-Infrastruktur findet sich in einem Bürowagen in einem Rack. Eine grosse Herausforderung ist zudem die Kühlung der Anlage, vor allem im Sommer, wenn die Wohnwagen relativ schnell warm werden. Darum haben wir eine extra Klima-Anlage installiert. Hinzu kommen die ständigen Umzüge, die für die Hardware nicht besonders förderlich sind. Sie müssen sich vorstellen, wir ziehen 41 Mal pro Saison um und jedes Mal wird der Server-Wagen von einem Traktor an die SBB-Rampe gefahren und dann auf die Schienen verladen. Deswegen müssen wir den Server jedes einzelne Mal rauf- und runterfahren. Nun sollte ein Server ja eigentlich konstant in Betrieb sein und nicht immer an- und ausgeschaltet werden. Zum Glück ist unser Server-Modell sehr stabil und hält sich im harten Zirkus-Alltag gut.

Haben Sie diese schwierigen Aspekte beim Kauf der Hardware berücksichtigt und kommen spezielle Komponenten zum Einsatz?
Zirkus-taugliche Komponenten gibt es leider nicht. Wir haben allerdings schon geschaut, in Absprache mit unserer IT-Support-Firma, dass wir relativ robuste Komponenten anschaffen. Dann ist es natürlich wichtig, dass die Geräte transporttauglich installiert werden, dies erledigt unsere Werkstatt.

In dem Fall arbeiten Sie mit einem externen IT-Dienstleister zusammen?
Den ganzen Support übernimmt eine externe Firma, ja.


Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Die wichtigste Anforderung, die wir an unseren IT-Support stellen, ist die schweizweite Unterstützung – sieben Tage die Woche während 24 Stunden. Davon sind auch Sonn- und Feiertage nicht ausgenommen. Die Verträge mit unseren Service-Providern sehen zudem vor, dass innerhalb von vier Stunden ein Fachmann beim Circus Knie, egal an welchem Standort in der Schweiz, vorbeikommt und die Sache wieder zum Laufen bringt.

Welche Aufgaben rund um Ihre IT übernehmen Sie selber und welche Ihr Dienstleister?
Ganz am Anfang habe ich das Allermeiste noch selber gemacht. Dann sind immer mehr Aufgaben dazugekommen und ich hatte zudem meine Auftritte in der Manege. Mittlerweile koordiniere ich noch den Einkauf der Hardware selber. Zudem mache ich auch die Konzeption selber und spreche diese dann in einem zweiten Schritt mit unseren IT-Partnern ab. Den Support grober technischer Störungen musste ich an unsere Dienstleister abgeben, da mir leider die Zeit und in gewissen Belangen auch das nötige Know-how fehlt.

Wie koordinieren Sie die IT im Zirkus?
Wir haben interne Richtlinien, die besagen, dass alle Anfragen zuerst über mich gehen müssen. Ich entscheide dann, ob der Support hinzugezogen wird oder ob wir das Problem selber lösen können. So behalte ich den Überblick. Bei grösseren Projektanfragen muss ich mir die nötige Zeit nehmen, um mir das Ganze in Ruhe anzuschauen. Das kann manchmal ein bisschen länger dauern.


Inwiefern spürt man die Digitalisierung bei der Arbeit in der Manege?
Beim Circus Knie ist es so, dass wir einerseits ein klassisch-traditioneller Zirkus sein und andererseits aber auch mit der Zeit gehen wollen. Ich denke, im Zirkus muss man in Sachen Digitalisierung mit kleinen Schritten vorwärts gehen, um den Zuschauern das perfekte Erlebnis bieten zu können.

Das heisst beispielsweise, Licht und Ton im Zelt sind unabhängig von Server und Netzwerk?
Ja. Als technischer Leiter habe ich vor zwei Jahren die Anschaffung von neuen Mischpulten, Beleuchtungen und Lichtscannern mitorganisiert. Die sind aber nicht an die IT gekoppelt. Es gibt zwar Bemühungen, dass gewisse Technikkomponenten im Zelt in Zukunft Wireless angesteuert werden können. Im Moment machen wir dazu Tests mit WLAN im Zelt und haben festgestellt, dass in diesem Bereich noch einige Herausforderungen auf uns zukommen.

Stellen Sie auch das Netzwerk für die private Nutzung der Zirkus-Belegschaft zur Verfügung?
Nein, wir stellen nur Arbeitsplätze für die Personen zur Verfügung, die für ihre Arbeit eine Internetanbindung benötigen. Zudem haben einige Mitarbeiter auf ihren mobilen Geräten einen offiziellen Mail-Zugang vom Knie. Die anderen Mitarbeitenden haben fast alle einen privaten Internetzugang.


Wieso erlauben Sie nicht allen Mitarbeitern den Zugriff auf das interne IT-Netz?
Wenn wir allen den Zugriff auf das Netz ermöglichen würden, würde dies einen hohen Aufwand bedeuten und zudem wäre das Netz dann öfters überlastet. Zudem hätte ich Bedenken bezüglich der Sicherheit.

Wie tourkritisch ist die IT für den Circus Knie?
Sicher ist, dass eine Zirkus-Vorstellung trotzdem durchgeführt werden kann, wenn IT ausfallen sollte. Allerdings hatten wir noch nie einen Komplettausfall. Das einzige Problem, an welches ich mich erinnern mag, war, dass vor zwei oder drei Jahren in Zug einmal das GSM-Netz von Swisscom ausgefallen ist und der Kassenwagen, der auch an die GSM-Infrastruktur gekoppelt ist, keinen Zugriff mehr auf das Verkaufssystem unseres Ticketingpartners hatte. Als Fail-Over haben wir dann das Ticketing-System im Kassenwagen über eine SIM-Karte eines anderen Mobilfunkanbieters laufen lassen.


Legen Sie im Winter die Basis für die Tournee, die jeweils im März beginnt?
Natürlich habe ich im Winter mehr Zeit, um mich um die IT zu kümmern. Aber wir haben das Glück, dass wir unsere IT nicht jedes Jahr weiterentwickeln oder vergrössern müssen. Für die Tournee ist vor allem wichtig, dass die Ausstattung nicht zu komplex und zu gross ist. Zudem sollte Infrastruktur jeweils schnell auf- und abgebaut sowie im Notfall einfach repariert werden können. Dies ist schon seit einigen Jahren eine Anforderung, die wir an uns stellen und an der wird zumindest im Moment nicht gross gerüttelt.

Welche grosse IT-Projekte haben Sie zuletzt realisiert?
Mit dem Himmapan-Park im Kinderzoo Rapperswil haben wir gerade ein grosses Projekt abgeschlossen. Dort haben wir ein internes Netz sowie ein WLAN für die Gäste, Remote-Zugänge für die ganze Technik und komplexe Steuerungen realisiert. Das läuft inzwischen alles stabil. Zudem haben wir auf diese Saison hin im Zirkus Bildschirme installiert, über welche Preislisten und Werbung angezeigt werden können. Da kämpften wir mit gewissen Kinderkrankheiten.

Um welche Kinderkrankheiten handelte es sich?
Die Anzeigen auf den verschiedenen Bildschirmen waren nicht von Beginn an synchron, dieses Problem konnten wir inzwischen aber dank gutem Support beheben.


Was für IT-Projekte stehen momentan an?
Das nächste Projekt ist wohl die Anschaffung eines neuen oder weiteren Servers. Jedoch gibt es auch Überlegungen dahin, ob wir den Server in Zukunft nicht outsourcen oder in die Cloud verlegen wollen. Dann müssen wir uns sicherlich auch Gedanken zum Thema IP-Telefonie machen, da unsere Anlage bis anhin noch nicht über das IP-Netz läuft.

Wie läuft ein IT-Projekt von der Planung bis zur Realisierung im Circus Knie ab?
Nach der Planung, die bei mir liegt, entscheidet die Familien-Geschäftsleitung über die Realisierung eines Projekts und gibt vor, wie es konkret aussehen soll. Wenn sich die GL für ein Projekt entschieden hat, beginnen wir mit der eigentlichen Realisierung. Das bedeutet, dass wir ein Konzept ausarbeiten, welches die Zirkus-spezifischen Probleme adressiert, Offerten einholen und dann das beste Angebot evaluieren.


An wen rapportieren Sie als technischer Leiter?
Bei uns ist es so, dass die Geschäftsleitung aus der Familie besteht. Ein Teil der Familienmitglieder sind zudem noch Verwaltungsräte. Der Verwaltungsrat kümmert sich unter anderem um die Zahlen und das Budget. Wir müssen in unseren Abteilungen ein Budget erstellen und dieses in einem ersten Schritt jeweils von der Familien-GL und in einem zweiten Schritt vom Verwaltungsrat absegnen lassen.

Das heisst, Sie haben ein jährliches IT-Budget?
Mehr oder weniger. Im Zirkus ist immer ein bisschen mehr Flexibilität gefragt als an anderen Orten. Auf der Tournee kann immer etwas Überraschendes passieren und deswegen haben wir auch ein wenig Spielraum bei unseren Jahresbudgets.

Was macht Sie besonders stolz als technischer Leiter des Circus Knie?
Dass – auch wenn es keine massgeschneiderten Zirkus-Lösungen gibt – wir jeweils einen Weg finden, Dinge perfekt zu lösen und zu implementieren.


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