Veränderte Kernkompetenzen des künftigen IT-Managers
Quelle: Swiss ICT Magazin

Veränderte Kernkompetenzen des künftigen IT-Managers

Von Martin Andenmatten

Der «War of Talents», titelte schon 2010 die Handelszeitung, tobt unerbittlich. Die Talente müssen immer mehr im Ausland gesucht werden, weil die heimischen Talentschmieden zu wenig Spezialisten produzieren – oder vielleicht die falschen?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/04

     

In der Informatik ist dieses Phänomen auch schon seit längerem bekannt. Eine von ICT-Berufsbildung Schweiz im Jahr 2012 in Auftrag gegebene Studie zur «ICT-Fachkräftesituation und Bildungsbedarfsprognose 2020» kam zu dem Schluss, dass bis zum Jahr 2020 ein zusätzlicher Rekrutierungsbedarf von 72‘500 ICT-Fachkräften besteht. Eine weitere interessante Erkenntnis aus der Studie ist zudem, dass nur etwa ein Drittel der Informatiker im eigentlichen ICT-Sektor tätig ist. Die restlichen zwei Drittel verteilen sich auf alle übrigen Branchen, auf die Corporate-ITs der Banken, Versicherungen, Handel, Industrie, Pharma oder öffentliche Verwaltungen.
Wenn sich nun die IT-Industrialisierung so weiter entwickelt, dass die Technologie immer mehr von professionellen Sourcing-Partnern oder Cloud-Anbietern bezogen wird, wird ein Grossteil dieser zwei Drittel der heutigen Informatiker früher oder später vor die Wahl gestellt, zu einem externen Service-Provider zu wechseln, oder eine etwas weniger technologie-orientierte Tätigkeit im Unternehmen zu übernehmen. Intern wird es immer weniger zum Betreiben oder zum Entwickeln geben. Es werden mit Sicherheit auch weiterhin interne IT Experten benötigt. Diese werden jedoch mehr auf die Schnittstelle zwischen Business und den externen Service Providern fokussieren und so die IT-Bedürfnisse und deren Erfüllung koordinieren und sicherstellen.
Anstelle einer funktionsorientierten und auf Projekt-abwicklung fokussierten Organisation wird eine Service Organisation gebraucht, welche die Qualität und Sicherheit der vom Business erwarteten IT Leistungen permanent sicherstellt. Die IT-Manager der Zukunft sind auf allen Stufen fachlich gefordert:

Auf der Stufe Governance der Unternehmens-IT sorgen die IT Manager dafür, dass die Kundenziele erreicht werden, indem die dazu benötigten IT-Services zuverlässig, risikobewusst und wirtschaftlich vertretbar bereitgestellt werden. Sie richten die IT-Governance konsequent auf die Unternehmens-Governance aus und gewährleisten die Einhaltung aller Anforderungen an die Compliance und Unternehmenssicherheit. Mit geschickter Sourcing-Strategie stellen sie sicher, dass die benötigten IT-Services jederzeit optimal erbracht werden und die dafür notwendigen Kapazitäten immer zur Verfügung stehen.


Auf der Stufe Management der Unternehmens-IT wird sichergestellt, dass die IT-Services den vereinbarten Nutzen erzielen und einen messbaren Mehrwert für die Kunden liefern. Sie sorgen für die Entwicklung und Umsetzung gemanagter Prozesse für Planung, Design, Betrieb und kontinuierliche Verbesserung innerhalb der IT-Organisation. Sie synchronisieren die IT-Architektur mit den betrieblichen Anforderungen des Business und verwalten die dazu benötigten Assets.

In den Funktionen der Unternehmens-IT kennt man die Business-Anforderungen seiner Kunden und sorgt im Tagesgeschäft für die notwendige Balance zwischen Kundenerwartungen und Einhaltung der Prozess-Compliance. Entweder verbleibend im Unternehmen oder als externe Partner entwickeln, implementieren, betreiben oder unterstützen sie Applikationen und IT-Infrastrukturen. Sie sind zuständig für die End-to-End-Betrachtung der Service-Leistungen und kennen das Service-Lifecycle-Konzept. Sie müssen über Grundkenntnisse im Bereich Informationssicherheit verfügen und diese sicher umsetzen können.


Die Verantwortlichen der Unternehmens-IT haben die Schlüsselrolle eines echten Business-Enablers inne, der die Geschäftsanforderungen immer rascher mit neuen Lösungen erfüllt und die IT-Services ganzheitlich mit allen involvierten Partnern managt. Die Kernkompetenzen dieser Experten liegen hier eher in den Bereichen Service Management, Information Security Management, Unternehmens-Architektur und Governance, als in der IT Technik selber. Ein etwas anderes Profil als die klassischen, eher technologie-orientierten Informatiker, wie wir sie heute vielfach kennen. Vom CIO werden in Zukunft vermehrt innovative Lösungen erwartet, die sich direkt auf die Business-Ziele auswirken.

Der Kompetenzbereich Service Management umfasst die Planung, Entwicklung, Implementierung, Bereitstellung und kontinuierliche Verbesserung von IT-Services. Dazu zählt, Service-Architekturen End-to-End zu konzipieren, die notwendigen Service-Levels mit allen beteiligten Stakeholdern abzustimmen und deren Funktionieren zu garantieren. Dazu benötigt man auch Fertigkeiten in der Konzeption von Service-Life-Cycle-Modellen.
Bei der Bereitstellung von IT-Services geht es nicht zuletzt um die korrekte und sichere Bereitstellung und Verarbeitung von Daten und Informationen. Der Kompetenzbereich Information Security setzt das Knowhow voraus, die Sicherheits- und Compliance-Anforderungen zu identifizieren und sie angemessen mit den Spezialisten und Partnern so umzusetzen, dass dabei die geforderte Business-Performance nicht leidet.
Ein künftiger ICT-Spezialist muss auch über Fähigkeiten in der Konzeption und im Aufbau von Unternehmens-IT-, Service-, Daten- und Anwendungsarchitekturen verfügen. Die in der Unternehmens Architektur gebündelten Kompetenzen beinhalten nicht zuletzt die Definition und Umsetzung der für das Unternehmen geeigneten Cloud-Architektur sowie die Standardisierung von Geschäfts- und IT-Prozessen.

Heute sind Kernkompetenzen in der IT-Governance unerlässlich. Hier, an der Nahtstelle zum Business, laufen alle Fäden zusammen: die Geschäftsprozesse der Fachabteilungen, die internen Prozesse der IT-Abteilung und – als Königsdisziplin – die Business/IT-Alignment-Prozesse. Gefragt sind Skills zum Abbilden der Business-Ziele auf die IT und die Fähigkeit, durch Steuerung, Überwachung und Bewertung der Service-Management-Aktivitäten das Schiff jederzeit auf Kurs zu halten.
Diese Fähigkeiten müssen und können stufengerecht erworben werden. Entsprechende Ausbildungen und Zertifizierungen werden von spezialisierten Ausbildungsinstituten und teilweise bereits in Hochschulen angeboten.
Vor ein paar Wochen wurde von swissICT eine aktuelle Ausgabe des allseits beachteten Buches «Berufe der ICT» publiziert. Dieses Buch wird in vielen Organisationen als die massgebende Referenz für die Stellenbeschreibungen und -ausschreibungen verwendet. Was nun sehr erstaunt ist, dass in dieser Neufassung dem Trend der IT-Transformation viel
zu wenig Rechnung getragen wird. Die Fachgruppe «IT
Service Management» hat die in der Publikation definierten 42 Informatik-Berufsbilder und deren Hauptaufgaben analysiert und die aufgeführten Tätigkeiten in Bezug zu den Service Management Disziplinen gemäss ITIL® dargestellt. Dabei wird nun augenscheinlich, dass nur die wenigsten Berufsbilder Aufgaben im Bereich Service Strategie und kontinuierlicher Service Verbesserung beinhalten. Ganzheitliches Service Management verkommt gemäss diesem Buch immer noch zur Nebensächlichkeit.

Damit wird nun eine grosse Chance vertan, Kandidaten anzusprechen, welche wegen der zu starken Technologie-Lastigkeit den ICT-Beruf meiden. Das klassische Bild des Informatikers für Aussenstehende ist immer noch das gleiche Klischee: ein eher bleicher, introvertierter Spezialist, welcher im Halbdunkel vor einem Bildschirm sitzt und auf die Tastatur hämmert – ohne jeglichen sozialen Kontakt nach aussen. Solange dieses Bild in den Köpfen der jungen Leuten vorherrscht, muss man sich nicht wundern, dass der ICT-Beruf eher abschreckt, als anzieht.
Das Bild des künftigen Informatikers muss nun dringend revidiert werden: neben den mit Bestimmtheit immer noch notwendigen Technologie-Spezialisten braucht es in Zukunft immer mehr auch Service Experten und IT Manager, welche offen und kommunikativ mit unterschiedlichen Führungsstufen und externen Partner verhandeln können. Es werden Leute gebraucht, die Freude daran haben, sich voll auf den Kunden einzulassen und alles daran zu setzen, dessen Erwartungen erfüllen zu können. Dazu muss der IT Manager die Fähigkeiten eines Change Managers haben, um die notwendige Verhaltenskultur in den IT-Organisationen herbeiführen.

Eine der zentralen Rollen in der IT ist in Zukunft der Business Relationship Manager, welcher eng mit dem Business zusammenarbeitet, dessen strategische, taktische und operative Bedürfnisse kennt und versteht und das notwendige Vertrauen schafft, dass die IT der treuhänderische Partner für seine Anliegen ist. Eine weitere wichtige Rolle ist der Continual Service Improvement Manager. Er muss künftig sicherstellen, dass die Management Praktiken der IT agil funktionieren und sich flexibel den laufenden Veränderungen des Business anpassen. Starre Betriebsmodelle mit festgefahrenen Strukturen gehören definitiv der Vergangenheit an.
Es ist an der Zeit, dass IT-Manager nicht mehr nur die Service Desk Mitarbeiter und IT Betriebsspezialisten an die entsprechenden Best Practice Seminare schicken. Diese Best Practices sind allesamt Management Praktiken, welche die Informatiker in Zukunft beherrschen müssen. Der CIO der Zukunft muss nicht nur die Kosten und Risiken beherrschen – er wird künftig auch für den Business-Nutzen verantwortlich gemacht. Kluge IT-Manager sorgen daher vor, so dass sie auch in Zukunft VOR dem Teller sitzen, statt DARAUF.


Martin Andenmatten, Geschäftsführer Glenfis AG, Zürich


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