Swissness als Erfolgsfaktor für Schweizer Software-Schmieden

Von Philipp A. Ziegler

Für die Wahl einer Business-Software ist die Schweizer Herkunft zwar nicht das zentrale Kriterium, kann aber immer wieder zum Zünglein an der Waage werden - vor allem, wenn bei Individualprojekten die lokale Nähe zum Hersteller gefragt ist.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/11

     

Der Schweizer Markt wird von den Grossen der Software-Branche dominiert, das Ranking mit Blick auf die Marktanteile führen die Topanbieter wie Microsoft, SAP, IBM und Oracle an. Dennoch stellen kleinere und mittlere Schweizer Software-Anbieter das Gros der hiesigen Unternehmen. Diese sind auf vertikale Märkte fokussiert und können auf eine loyale Klientel zählen. Denn das Schweizer Kreuz auf der Verpackung spielt durchaus eine Rolle für die Kaufentscheidung, wie das Marktforschungsunternehmen MSM Research im Rahmen seiner aktuellen Business-Software-Studie herausgefunden hat.
Von den in diesem Rahmen befragten Unternehmen bewerteten rund 30 Prozent die Schweizer Herkunft als ein ziemlich wichtiges oder entscheidendes Kaufkriterium. Diese Zahl kann jetzt auf zwei Arten interpretiert werden. Erstens: Die Mehrheit, also etwa 70 Prozent, misst dem Kriterium keine oder nur eine verhaltene Relevanz bei. Zweitens: Swiss Made gehört bei jeder dritten Entscheidung zu den wesentlichen Kriterien. Die sich ergebende Durchschnittsnote von 2,12 auf der Skala von 1 (unwichtig) bis 4 (sehr wichtig) unterstreicht damit den mässig bedeutenden Stellenwert des Auswahlkriteriums Swiss Made, wenn es um die Evaluation von Software und Hersteller geht.

Swiss Made als entscheidender Faktor

Bohrt man etwas tiefer, lassen sich aber schnell Rahmenbedingungen identifizieren, die Swiss Made im lokalen Kontext zu einem entscheidenden Faktor werden lassen. Im Beschaffungsprozess bevorzugen die befragten ICT-Verantwortlichen in erster Linie dann einen lokalen Anbieter, wenn physische und kulturelle Nähe zum Lieferanten gefragt sind. Bestes Beispiel hier sind Projekte aus dem Bereich der Individualentwicklung. Hier verschaffen die kurzen Distanzen zu persönlichen Projektgesprächen dem Schweizer Hersteller einen deutlichen Vorteil.
Des weiteren sind sich die Befragten einig, dass ein Prädikat wie Swiss Made benötigt wird, um den Wirtschaftsstandort Schweiz zu unterstützen. Genauso sind sie der Ansicht, dass Schweizer Software für hervorragende Qualität und Innovation steht. Dass diese Höchstnoten für Qualität, Kreativität und Ideenreichtum nicht immer gleichbedeutend sind mit klingender Münze, ist aber auch eine Realität der Branche.
Wo Schweizer Software-Hersteller klar punkten können, ist beim Thema Sicherheit. Die lange Tradition des Schweizer Finanzwesens dürfte sicherlich dazu beitragen. Reflektiert wird dies auch durch die hohe Relevanz der lokalen Datenhaltung beim Umzug in die Cloud. Immerhin mehr als 70 Prozent der Befragten sehen darin ein entscheidendes Kriterium bei der Entscheidung für einen Cloud-Service.
Die Untersuchung kommt ferner zu dem Ergebnis, dass vielen Schweizer Herstellern oftmals die notwendige kritische Grösse fehlt, um als Partner und Lieferant in Frage zu kommen. Diese Aussage rückt auch die erwähnten 30 Prozent, die Schweizer Herkunft als ein ziemlich wichtiges oder entscheidendes Kaufkriterium bezeichnen, in ein interessantes Licht. Es bedeutet nämlich, dass diese Prozentzahl zustande kam, obwohl viele Projekte von vorneherein nicht zugänglich waren – sei es wegen der Grösse der Anbieter oder der Tatsache, dass es die entsprechende Software hierzulande gar nicht gab.

Weitere ausschlaggebende Kriterien

Die Herkunft der Software-Produkte ist nur ein Teil der Kriterien, welche für den Entscheidungsprozess bei der Beschaffung herangezogen werden. Um den Zuschlag für ein entsprechendes Projekt zu gewinnen, ist ein ganzes Bündel an weiteren Kriterien zu erfüllen: Zentrale Faktoren sind Branchen-Know-how sowie Prozessexpertise. Idealerweise existiert auch schon eine Vertrauensbasis aufgrund einer erfolgreichen früheren Zusammenarbeit. Ein weiteres wichtiges Kriterium sind die Referenzen, die ein Anbieter aufweisen kann. Dabei geht es aber nicht nur um ein interessantes Portfolio, sondern auch um den Zugang zu diesem. Im Rahmen zahlreicher Erhebungen und unzähliger Gespräche kristallisierte sich vor allem ein Wunsch heraus: Die Verantwortlichen auf Anwenderseite wollen direkten Zugang zu anderen Kunden mit vergleichbaren Projekten. Sie wollen den Austausch über gemachte Erfahrungen, mögliche Stolpersteine und die ausschlaggebenden Faktoren für den Projekterfolg. Anbietern, welche als Referenz offene Gespräche mit bestehenden Kunden ermöglichen, bietet sich hier eine einmalige Chance und ein exzellentes Verkaufswerkzeug.

Business treibt Projekte voran

Die Marktanalysen der ersten sechs Monate im Jahr 2012 haben des weiteren aufgezeigt, dass die Business-getriebenen Projekte auf dem Vormarsch sind. Von den im Rahmen der Felderhebungen in diesem Zeitraum erfassten 638 Projekten wurden 56,3 Prozent von den Business-Abteilungen der Unternehmen angestossen. Vor zwei Jahren lag dieser Anteil noch unter 50 Prozent.
Somit generieren die Fachabteilungen wie Marketing, Vertrieb, Logistik, Produktion und Finanzwesen heute mehr als jeden zweiten Franken der gesamten Projektausgaben. Zunehmend werden die Projekte auch aus eigenen Budgets dieser Bereiche finanziert. Bis vor ein paar Jahren war dies nur in Ausnahmefällen anzutreffen. In Zeiten knapper werdender Budgets, sinkender Margen und hoher Time-to-Market-Anforderungen wird heute die Messlatte für die Vergabe von Aufträgen immer höher gelegt. Fachabteilungen zielen bei der Implementierung neuer Anwendungen primär darauf ab, schneller, schlanker, besser zu werden und einen möglichst quantifizierbaren Business Value zu generieren. Sie wollen die diesbezüglichen Projekte rasch umgesetzt sehen, um ebenso schnell vom erwarteten Erfolg und Nutzen profitieren zu können. Projektstarts ins Ungewisse will dabei keiner mehr riskieren, dafür fehlen heute die Mittel und die Zeit. Die Zeiten der Bananenpolitik mancher Lösungsanbieter, das heisst Software-Projekte erst nach dem Start gemeinsam mit dem Kunden während der Implementierung ausreifen zu lassen, sind vorbei. Letzteres lässt sich wohl auch auf die Tatsache zurückführen, dass die Integration von neuen Geschäftslösungen meist tief in bestehende Prozesse und Strukturen eingreift.
Schon allein deshalb werden bei der Evaluation eines Anbieters viel Wert auf die Erfahrung und die entsprechenden Referenzen gelegt und Projektpartner mit nachweisbarer Branchen- und Business-Expertise bevorzugt. Die Beweisführung wird für die Anbieter zum Erfolgsfaktor. Referenzprojekte, Case Studies – vorzugsweise von Schweizer Referenzkunden – und der Leistungsausweis des Projekt-Teams können den Kunden überzeugen.

Direkter Kundenkontakt wichtig

Auch im Social-Media-Zeitalter kann nichts den Face-to-Face-Kontakt ersetzen, wie knapp die Hälfte der im Rahmen der Studie befragten ICT-Verantwortlichen zu Protokoll gibt. Das persönliche Gespräch mit Anbietern ist die wichtigste Informationsquelle – muss aber auf hohem Niveau sein. Das einfache Verteilen von Unternehmens- und Produktbroschüren ist nicht ausreichend und wird auch nicht geschätzt.
Die Anwender wollen in erster Linie Verkaufs- und Beratungsgespräche, die einen echten Mehrwert versprechen. Der Kunde erwartet heute von seinen bestehenden oder künftigen Software-Partnern kompetent vermittelte Informationen über Lösungen und Anwendungen, welche auf seine aktuellen Gegebenheiten zugeschnitten sind und wertvolle Impulse für seine Investitions- und Projektplanung liefern.




Philipp A. Ziegler ist Geschäftsführer von MSM Research.
Business-Software-Studie
Für die aktuelle Studie zu Business Software in der Schweiz hat MSM Research im Sommer 2012 300 Unternehmen zu ihren Budgets und Ausgaben, sowie 113 Unternehmen zu qualitativen Themen befragt.


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