Digitale Wege zum Kunden im Wandel
Quelle: Vogel.de

Digitale Wege zum Kunden im Wandel

Mit neuen digitalen Kanälen können KMU mehr Kundennähe erreichen. Innovative Kooperationsmodelle im Management der Kundenbeziehungen erschliessen neue Geschäftsfelder.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/12

     

Längst tragen die Kunden für ihren Kaufentscheid Informationen aus unterschiedlichen digitalen Quellen zusammen. Ob Lebensmittel online bestellt werden, Ventile, Medikamente, ein Auto, die Hypothek und eine Tasche auf der Anschaffungsliste stehen, oder einfach nur ein spezialisierter Handwerker oder Therapeut gesucht wird – kaum jemand verzichtet mehr aufs Internet. Innovative KMU reagieren auf diesen Wandel im Entscheidungsverhalten. Sie verabschieden sich von der Webseite als blosse Transaktions-Plattform und setzen auf ein proaktives und kollaboratives Herangehen. Beispielsweise erschliessen sie sich durch die Integration von Facebook, Twitter und Co. neue Plattformen für ihr Marketing, den Verkauf und ihren Service.


Solche KMU haben erkannt, dass es nicht reicht, soziale Netzwerke nur für das Versenden von Informationen zu nutzen. Vielmehr wollen sie die auf den Plattformen verfügbaren Hinweise und Kommentare ihrer Kunden analysieren können, um mit den gewonnenen Erkenntnissen ihr eigenes CRM (Customer Relationship Management) auszubauen und ihr Business voranzutreiben. Statt die Website als abgeschottete Stand-alone-Lösung für eine Einweg-Kommunikation zu nutzen, eröffnen die neuen digitialen Kanäle mit dem Web 2.0 KMU neue Geschäftsfelder und Interaktionsmöglichkeiten.



Die Transformation des Gewohnten

Mit dem Bröckeln des traditionellen Fokus auf die digitalen Verkaufskanäle verliert die klassische Hierarchie von Käufern und Lieferanten an Gewicht. Angetrieben durch die neuen Dialogplattformen, findet derzeit eine Vertiefung der Interaktionen im Marketing, Vertrieb und Service statt. Immer mehr KMU unterhalten nicht mehr nur eine Webseite mit Katalog, Bestellmöglichkeit und Adressierung des Kundendienstes via E-Mail, sondern erweitern ihre Internetpräsenz zum Social-CRM, schaffen also Schnittstellen zu öffentlichen Communities. Beziehungen, die Kunden auf Netz-Plattformen pflegen, bilden sie im Datenmodell des eigenen CRM ab. Über kollaborative Tools und Personalisierung werden Kundenansprache, Verkauf und der Kundendienst gezielt verbessert.


Wer etwa online bei Freitag, dem Zürcher Hersteller von Taschen aus LKW-Planen, seine künftige Tasche bestellt, der wählt seine Grundplane und die Motive darauf selber aus. Online adressiert Freitag zudem die Lieferanten der alten Planen, die sie nun verkaufen können und nicht entsorgen müssen. Neue Produkte wie eine Agenda passend zur Tasche gibt’s natürlich auch bei Freitag. Ausserdem ist der Shop mit zahlreichen Blogs verbunden, was dem Unternehmen erleichtert, mit dem Kunden in Kontakt zu treten.




Den Weg zu einer eigenen Community hat beispielsweise Migros mit ihrer Konsumentenplattform «Migipedia» bereits beschritten. Hier lässt der Schweizer Lebensmittelriese seine Produkte mitsamt seinen Dienstleistungen diskutieren und bewerten. Einziger Beitrag von Migros sind die Produkte, alles andere kommt von den Konsumenten. Neue Kunden profitieren von den Produkt- und Kauf-Erfahrungen ihrer Vorgänger und können in Zukunft auch die Migros-Läden bewerten. Nicht anders sieht es beim IT- und Unterhaltungselektronik-Händler Digitec aus, der zu den Produkten die Kritiken vorheriger Käufer gestellt hat und erlaubt, eigene Erfahrungen weiterzugeben. Digitec verknüpft zudem das ausgewählte Gerät mit interessantem Zubehör und zeigt auch gleich, in welchem Ladenlokal man das Gerät direkt kaufen kann, wenn man nicht online bestellen will.


Darüber hinaus ermöglichen Internet-Communities, dass sich jemand als Fan eines Produktes oder einer Firma outet. Spezifische Facebook-Seiten von Porsche oder Harley Davidson sind Beispiele dafür, dass nicht nur gekauft, sondern auch gezeigt wird, dass man etwas erstanden hat. Und die Tourismusregion Laax realisiert durch die Firma Weisse Arena nicht nur den Ticketverkauf und die Ski- oder Swnowboard-Ausleihe übers Internet, sondern erlaubt den Besuchern via Facebook auch die Bewertungen dieser Angebote, inklusive der Hotels und Restaurants.


Alle diese Beispiele zeichnen sich dadurch aus, dass die Angebote keine Spielereien sind, sondern strikt auf Business-Ziele fokussieren. Waren die bisherigen E-Commerce-Kanäle an der blossen Kauf-Transaktion mit dem Kunden orientiert, verabschieden sich die Unternehmen nun von der One-way-Kommunikation und von den kontrollierten Inhalten der eigenen Webseite und machen sich die Potentiale offener Dialogplattformen zunutze.


Schritt für Schritt zur CRM-Erneuerung

Wer eine solche Transformation anstrebt, hat eine grundlegende Tatsache von Anfang an zu beachten: Das klassische, transaktionsorientierte CRM wird durch die neue Form des Social-CRM nicht abgelöst, sondern produktiver gemacht. Durch eine innovativere Nutzung der digitalen Kanäle mit Web 2.0 werden präzisere Kundenprofile erzeugt, die das Zuschneiden individueller Angebote erlauben. Zudem wird das Internet als eine Vielfalt von Kanälen verstanden, aus denen man wählen muss. Strategische und konzeptionelle Vorbereitungen sind daher unumgänglich. Einfach nur dabei sein zu wollen, weil man dabei sein muss, ist ein Fehler. Hat man allerdings die Ziele definiert und weiss, welcher Kanal für welche Kunden genutzt werden soll, fällt die Entscheidung für das «Social CRM» leichter.




Nicht jede Webseite genügt den Ansprüchen des neuen digitalen CRM. Statische, monotone, farbige Bildchen reichen nicht aus. Eine am Visuellen orientierte, kreative Internetpräsenz, welche das Markenbild unterstützt, ist gefragt. Wichtig ist die Implementierung einer selbsterklärenden, intuitiv aufgebauten Site, die beispielsweise auch Youtube-Videos umfassen kann. Apps und Computerspiele sind für moderne Benutzeroberflächen gute Vorbilder. Ausserdem denkbar sind kleine Helfer, Kalender mit Erinnerungsfunktionen oder Widgets für die Interaktion, die beispielsweise Infos zu einzelnen, lokalisierten Services liefern. Und immer sind es stark personalisierte Tools mit den nötigen analytischen Fähigkeiten, die der direkten Kommunikation mit dem User dienen.


Grosse Themen beim Web 2.0 oder Social Computing sind das Bewerten, Kommentieren, Weiterempfehlen, Diskutieren und das Community-Building. Schafft ein Unternehmen dafür die Schnittstellen zu seinem CRM, vertieft es die Auseinandersetzung des Kunden mit dem Produkt und ermöglicht den Dialog darüber mit anderen. Ein Ziel kann hier sein, den Kunden zum Botschafter für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu machen. Inzwischen sind zusätzliche Möglichkeiten verfügbar, die es erlauben, Kunden in den Entwicklungsprozess von neuen Produkten und Dienstleistungen zu integrieren. Ideenplattformen, wie sie etwa Starbucks aufgeschaltet hat, zeigen, wohin sich interaktives Kundenmanagement entwickelt.


Integration in Bestehendes und neue Geschäftsmodelle

Wichtig beim Einsatz von neuen digitalen Kanälen ist, dass diese mit den bestehenden Kanälen kombiniert werden. Bestellt man im Internet, darf die Möglichkeit zur Abholung im Laden nicht abgewürgt werden. Bleibt man im Bestellprozess auf der Webseite stecken, sollte der Kundenberater im Contact Center den angefangenen Bestellprozess weiterführen können. Je stärker der Kunde in die operativen Prozesse des Unternehmens eingebunden wird und sie selbst steuern kann, desto stärker wird die Kundenbindung. So gestattet man etwa bei einem Paketdienstleister den Kunden, bis zum Moment der Auslieferung vor Ort eine Sendung umzuleiten oder sie wieder zu retournieren.


In dem sich der einst eindimensionale Weg des Verkaufs in einen kooperativen Dialog wandelt, erschliessen sich auch für KMU konkrete neue Absatzkanäle und Geschäftsmodelle. Über ein erweitertes Produktangebot und neu erschlossene, Web-basierte Dienstleistungen werden Märkte dazugewonnen, die erst über den Zugriff auf die digitalen Kanäle erschliessbar werden. So neu generierte Umsatzquellen erlauben dann auch neue Preismodelle. Das Standardbeispiel hierfür ist Apple mit dem Appstore. In einem neuen Geschäftsfeld wird dort die Software von Dritten verkauft, an denen Apple mitverdient. Bereits sind KMU dabei, gemeinsam mit grossen Zeitungen Angebote zu lancieren, über die sich der Leser seine Zeitung selber komponiert: Der Sport kommt vom Blick, Politik- und Wirtschaftsberichte von der NZZ und ein Zürcher wird vom Tagesanzeiger mit den Lokalnachrichten versorgt.




Neue Werte schaffen

Viele KMU beschäftigen sich noch mit der Kanalwahl und dem möglichen Kundennutzen von Web 2.0. Solche Unternehmen testen neue Ideen und fragen sich, wie man Online-Communities entwickeln kann.


Klar ist das leichter gesagt als getan. Aber gerade weil sich die Ansprüche der Kunden durch Innovationen und Verhaltensänderungen massiv erhöht haben, wachsen auch die damit einhergehenden Chancen. Ob bei Produkten, Dienstleistungen und Preisen, das CRM der jüngsten Generation emotionalisiert das Web-basierte Verkaufsgeschehen quer durch alle Branchen. Mit der Interaktion der Kunden untereinander und gleichzeitig mit den Unternehmen, mit der immer schneller wachsenden Vernetzung der Menschen und den damit einhergehenden schnell wachsenden Diskussionsforen werden dank der innovativen Nutzung digitaler Kanäle, bisher unbekannte neue Business-Potentiale verfügbar.






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