Hochzeit mit Hindernissen und ungewisser Zukunft

Die erhoffte wirtschaftliche Besserstellung nach dem Merger dürfte für die freudige Annahme durch das Compaq-Aktionariat (Ja-Stimmen neun zu eins) eine der Hauptursachen sein.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/11

     

Die böseste bisher gehörte Bemerkung im Vorfeld der HP-Compaq-Merger-Abstimmungen letzte Woche: Auf die Frage, ob die die Compaq-Aktionäre wohl der Fusion zustimmen werden, erklärte ein Analyst: "Das ist wohl etwa so, als würde man die Angehörigen eines Schwerstkranken fragen, ob man ihn ins Spital bringen sollte." Es sei dahingestellt, ob es Compaq wirklich so schlecht geht, dass nur noch die Hochzeit mit HP langfristiges Überleben ermöglicht; die erhoffte wirtschaftliche Besserstellung nach dem Merger dürfte aber für die freudige Annahme durch das Compaq-Aktionariat (Ja-Stimmen neun zu eins) eine der Hauptursachen sein.


Offiziell alles in Butter

Liest man die offiziellen Verlautbarungen der beiden Fusionskandidaten, könnte die Welt nach dem 19. März nicht besser aussehen. "Wir sind dankbar, dass die HP-Aktionäre die überzeugenden strategischen und wirtschaftlichen Vorteile der Fusion erkannt haben", flötet die HP-Presseerklärung nach der vorläufigen Zwischenerkenntnis, dass eine knappe Pro-Mehreit erreicht worden sei (wobei sich HP nicht nehmen lässt, darauf hinzuweisen, dass ohne die Stimmen der Gründerfamilien eine "entscheidende Mehrheit" resultiert hätte). Weiter im HP-Text: "Mit dieser Unterstützung durch die Shareholder erhält HP die historische Chance, eine Industrie anzuführen, die sich rasant entwickelt, und dabei auf die stolze Geschichte von Innovation und Invention aufzubauen." Hehre Worte, zu denen Compaq nachdoppelt: "In den letzten Monaten hat es eine grosse Welle von Unterstützung von Kunden, Partnern und Aktionären gegeben, die dem Merger günstig gegenüberstehen, sobald sie die strategischen Gründe einmal näher betrachtet haben." Man freue sich bei Compaq über das zwar noch nicht offizielle, aber von der HP-Führung vermutete Jawort.





Skepsis bei Investoren...

Weniger favorabel beurteilte die Wall Street die Lage der Dinge. Entgegen dem sonst üblichen Trend bei positiv wahrgenommenen Fusionen hat sich die Differenz der Aktienkurse nach der HP-Versammlung nicht wesentlich verkleinert.



Mit ein Grund für die Skepsis mag sein, dass der Deal ja noch gar nicht wirklich über die Bühne ist. Analysten erklärten, das Schicksal der Fusion sehe nach dem Neunzehnten nicht weniger unklar aus als zuvor: "Das Resultat steht noch für Wochen in den Sternen." Erst wenn das offizielle Endergebnis von den Erbsenzählern - pardon, unabhängigen IVS-Inspektoren - vorliegt, weiss man Definitives. Und nicht einmal dann herrscht automatisch Freude: "Wenn das Abstimmtungsresultat auch nach der zertifizierten Auszählung noch knapp ausfällt, können es beide Seiten je nach Bedarf anfechten, und die Sache verzögert sich weiter."





...und bei der Belegschaft

Bisher hat in der IT-Branche kaum eine Fusion langfristig etwas gebracht. Man denke nur an AT&T mit NCR, Sperry und Burroughs, NEC und Packard Bell oder die Akquisition von Digital und Tandem durch Compaq, die sich vor allem in zunehmendem Verschwinden der eingekauften Produktlinien bemerkbar macht. Alles in allem sind Fusionen eine teure und schmerzhafte Methode, um Marktanteile oder neue Technologien zu gewinnen.



Dem auf IT-Fusionen folgenden Chaos liegt vor allem eines zugrunde: Der Kulturschock. So auch im Fall von HP und Compaq - nach allen Branchenstimmen könnten die Lebensweisen der Belegschaft in den beiden Unternehmen nicht unterschiedlicher sein. Vor allem der "HP Way" und dessen ins Haus stehender Verlust werden von Kritikern immer wieder angeführt. Ob der HP Way wirklich so speziell ist, sei dahingestellt; allein die Aussicht auf den Abbau tausender von Stellen genügt, und die Stimmung beim Personal sinkt in den tiefsten Keller. Da ändern auch die 900 seit Monaten einzig mit der Fusionsplanung beschäftigten Angestellten beider Unternehmen, die der jetzige Compaq-Spitzenmanager und künftige HP-Vice-President Winkler stolz ins Feld führt, um das Kulturschock-Argument zu entkräften.





Fiorina Superstar?

Die Fusionsgeschichte hätte wohl nicht so grosse Presse gehabt, wenn an der Spitze von HP nicht Carlton Fiorina stünde, ihrer Biologie nach eine Frau und damit eine Seltenheit im Top-Management. Noch immer scheint es so zu sein, dass weibliche Entscheidungsträger besonders misstrauisch beobachtet werden. Es ist Fiorina umso mehr anzurechnen, dass sie nicht gleich bei den ersten Widrigkeiten den Bettel hingeworfen hat und sich im Gegenteil umso mehr ins Zeug legte, bis hin zu persönlichen Telefonaten mit zahlreichen Kleinaktionären. Ob der harte Einsatz langfristig Früchte trägt, wird die Zeit weisen - ich bin im Moment ratlos, was die Zukunft des vereinigten Unternehmens betrifft. Man möge Fiorina, den Mitarbeitern und der Traditionsmarke nun zumindest etwas Zeit lassen und nicht von Anfang an den Erfolg des Projekts grundsätzlich in Zweifel ziehen.



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