Hosting-Business: Unsichere Zukunft?

Viele Hoster stehen auch in der Schweiz auf schwachen Beinen. Um so wichtiger ist, den richtigen Hosting-Partner zu finden und das Leistungsspektrum vertraglich abzusichern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/07

     

Heute treiben zwei wesentliche Kräfte die Entwicklung der IT-Branche: Bundling und Outsourcing. Da die Kunden keine manuellen Abläufe mehr wollen, sondern schnelle Transaktionen, weniger Papierarbeit sowie bessere Dienstleistungen, steigt die Komplexität der IT-Systeme zunehmend an. Dies hat dazu geführt, dass nicht nur Anwendungen, die früher einzeln verkauft wurden, heute zusammen im Paket angeboten werden, sondern mittlerweile werden auch Produkte, die früher als reine Software angeboten wurden, als Dienstleistungsbündel verkauft. In diesem mehrwertorientierten und auf Geschwindigkeit fokussierten Umfeld spielt gerade das Hosting von inhaltsreichen Anwendungen eine immer wichtigere Rolle. Durch das Anbieten von integrierten Software-Lösungen steigen jedoch sowohl die Anforderungen als auch die Risiken für die Hosting-Anbieter.


Neue Geschäftsmodelle?

Der Hosting-Markt ist durch die immer schneller verlaufende Entwicklung der Hard- und Software für viele Anbieter zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden, wie die Pleite des Hosters Exodus, welcher seinem Namen damit alle Ehre machte, in den USA aufzeigte. Doch auch der Ausstieg von Mount10 aus dem Hosting-Business ist ein Indiz dafür, dass möglicherweise die bisherigen Geschäftsmodelle völlig neu überdacht werden müssen. Im Hosting-Business unterscheidet man grundsätzlich zwei Firmentypen: sogenannte Co-Locators, das heisst Firmen, die in bunkerähnlichen Infrastrukturen Platz für Webserver zur Verfügung stellen, sowie Full-Hosting-Firmen, die zusätzlich hierzu auch bereits voll konfigurierte und lauffähige Hard- und Software anbieten.



Hierbei werden immer kürzere Antwortzeiten sowie das Data Mining des Kundenverhaltens in Service-Paketen gewünscht. Die Notwendigkeit, dass Firmen aufgrund der aktuellen Rezession ihre Wertketten redesignen, wird dazu führen, dass sich auch die Geschäftsmodelle für Hosting-Firmen diesen Entwicklungen anpassen müssen. Schnelle Berücksichtigung des Kunden-Feedback, Point-of-Sale-Daten von Einzelhändlern und die Anbindung dieser Daten an die Produktion werden immer mehr zu einem Muss.




In diesem darwinistischen Umfeld werden nicht die stärksten Firmen oder die intelligentesten Modelle überleben, sondern diejenigen, die sich am besten den Veränderungen anpassen können. Ein wichtiger Trend für kleinere Unternehmen ist das sogenannte Virtual oder Shared Web-Hosting, welches das Housing und Serving von Files für eine Website übernimmt. Da ein kleines Unternehmen sich eine sehr robuste Internetverbindung für seine Website nicht leisten kann, besteht die Möglichkeit, dass Internetanforderungen preisgünstig outgesourced werden können. Damit wird für KMU eine redundante Verbindung sowie eine garantierte Uptime mit neuesten Technologien möglich. Das besondere Merkmal des virtuellen Web-Hosting ist das Bundling von Dienstleistungen. Für eine zusätzliche monatliche Gebühr, können Kunden eine Vielzahl von hochqualifizierten Lösungen in Anspruch nehmen.




Wachstumsmarkt Hosting?

Reto Bertschi, Mitbegründer einer neuen Hosting-Firma in Biel mit dem Namen Netrics, glaubt, dass Hosting weiterhin ein starker Wachstumsmarkt ist. Da sein Unternehmen LAN Services bereits über einen enorm starken, dreifach redundaten, Internet-Backbone verfügt, lag es für ihn nahe, die Hosting- und Housing-Dienstleistungen trotz der hohen Investitionskosten weiter auszubauen und diese in einer neuen Firma einzubringen: "E-Business-Applikationen werden endlich produktiv genutzt; und es können über das Internet Umsätze generiert werden. Glücklicherweise haben bereits heute einige Firmen erkannt, was es für sie heissen würde, wenn ihr Internetauftritt nicht verfügbar wäre, und sie haben selbst durchgerechnet, welche Umsatz- und Image-Einbussen auf sie zukämen. Der Trend geht deshalb noch stärker in Richtung höchster Verfügbarkeit und Sicherheit." Da der Aufbau einer professionellen Infrastruktur enorm viel Geld verschlingt und ohne entsprechenden Kundenstamm der Return on Investment lange auf sich warten lässt, werden für Reto Bertschi vor allem diejenigen Firmen Vorteile haben, die bereits über leistungsfähige Rechenzentren verfügen und ein umfangreiches Kundenportfolio mitbringen. Da die Netrics Hosting beide Voraussetzungen mitbringt, sieht sich der CEO von LAN Services für die Zukunft gut gerüstet.



Auch Roelof Koopmans, CEO des Hosting-Unternehmens Aspectra, blickt zuversichtlich in die Zukunft, da für ihn unter Einbezug von Hardware- und Software-Lieferanten ein erfolgreiches Geschäftsmodell für das Outsourcing entstehen kann: "Somit wird vermieden, dass der Hosting-Provider das gesamte unternehmerische Risiko tragen muss. Dies bedingt aber, dass die entsprechenden Lieferanten für innovative Finanzierungs- und Lizenzmodelle aufgeschlossen sind. Diese können unter anderem auch die Miete von Hardware- und Software-Komponenten, inklusive Wartungs- und Upgrade-Vertrag, enthalten."





Der Teufel steckt im Detail

Wie angetönt, zieht sich das Unternehmen Mount10 aus dem "Managed Web-Hosting" zurück und konzentriert sich auf "Desaster Protection"-Lösungen und das sogenannte "Value Added Housing". Der CEO von Mount10, Adrian Knapp, setzt nun darauf, Hosting-Kunden im Bereich Konzept, Design und Architektur zu unterstützen, und bietet diesen die Möglichkeit, in einem der sichersten Data Center Europas ihre Daten zu spiegeln, Desaster Sites zu betreiben oder aber physisch die Daten auszulagern. "Über das Business-Modell des Managed Web-Hosting machen wir uns momentan keine grossen Gedanken mehr, weil unserem Unternehmen schlicht die finanziellen Ressourcen dafür fehlen. Der Kapitalmarkt finanziert keine Geschäftsmodelle, die nicht kurzfristig Gewinne abwerfen. Das ist für ein Hosting-Unternehmen tödlich." Der Teufel steckt im Detail, wie etwa in den komplexen Service Level Agreements, wo für den Hoster wie auch für den Kunden unliebsame Überraschungen auftreten können. Für Knapp heisst dies jedoch nicht, dass das Geschäftsmodell des Web-Hosting nicht funktioniert, sondern dass dieses wegen der zunehmenden Komplexität für beide Seiten besser analysiert werden und ausreifen muss: "Es braucht ganzheitliche Lösungen, um die Kundenprobleme lösen zu können". Diese sind jedoch teuer, insbesondere wenn bei De-Releases neue Software- und Hardware-Investitionen notwendig werden. Hier kommen enorme Kosten auf die Hoster zu, die zum Teil unkalkulierbar sind, was vielen Hosting-Firmen, wie bereits in den USA geschehen, das Genick brechen kann. Knapp sieht kurzfristig keine Lösung für dieses Problem, was ihn zu einer Anpassung seiner Strategie bewogen hat.





Insourcing als Alternative?

Zwar kann sich der Philips-Konzern, der nach dem Konkurs von Exodus wieder auf Inhouse-Lösungen setzt, teure IT-Systeme leisten, doch für den ehemaligen Swisscom-Manager Koopmans gibt es immer noch nachhaltige Gründe, den Betrieb von hoch komplexen IT-Umgebungen outzusourcen: "Die Kunden sollten einfach darauf achten, wie sie die Verträge gestalten, damit eventuelle Diskontinuitäten vom Outsourcing-Provider abgefangen werden können." Auch Reto Bertschi von Netrics Hosting ist davon überzeugt, dass Outsourcing speziell in den Bereichen Groupware, Betrieb von Kommunikationslösungen und Managed Security Services noch immer ein interessantes Geschäftsmodell für den Kunden darstellt: "Es kann jedoch gut sein, dass unternehmenskritische Daten wie etwa Finanzdaten zukünftig eher inhouse betrieben werden."



Der Rückzug von Philips aus dem Outsourcing dürfte somit auch nicht die alleinseligmachende Lösung sein, zumal sich Mischformen, also kombinierte Inhouse/Outsourcing-Lösungen, für eine Vielzahl von Kunden als effizient erweisen könnten. Zu den Befürwortern dieses Ansatzes gehört Adrian Knapp, der eher auf Lösungsorientierung setzt. Angesichts neuer Technologien wie dem Blade-Server-Konzept, werden vor allem Hoster mit grossen gemieteten Flächen finanzielle Probleme bekommen, wenn es ihnen nicht gelingt ihre Data Center zu füllen. Knapp sieht deshalb im Aufbau eines Hosting-Ökosystems mit Partnern und kombinierten Lösungen heute das flexibelste Geschäftsmodell, um sich den zukünftigen Herausforderungen zu stellen und die Risiken zu minimieren.





Was hat sich verändert?

Wenn wir davon sprechen, dass sich nach dem 11. September etwas in der IT-Welt verändert hat, so können wir feststellen, dass sich nicht die Welt als solche verändert hat, sondern unsere Wahrnehmung für Gefahren. Weder der Code-Red-Wurm noch die Denial-of-Service-Attacken auf Seiten wie Yahoo und eBay konnten dem E-Security-Markt einen vergleichbaren Kick geben wie die Terrorattacken von New York und Washington. In einem Umfeld, in dem es zunehmend auch Cyber-Terrorismus geben wird, dürfte insbesondere dem Hosting eine Schlüsselbedeutung zukommen. Da Firmen, die ihre Daten nach aussen geben, immer mehr Anforderungen an eine Hosting-Firma stellen, muss diese auf neueste Technologien setzen, die kostengünstiger als die bisherigen sind und die deutliche Leistungssteigerungen ermöglichen.



Eine mögliche Lösung bietet hierbei die sogenannte Blade-Server-Technologie. Gartner Dataquest sagt voraus, dass im Jahr 2002 etwa 85'000 Blade Server verkauft werden, und dass diese Zahl bis zum Jahr 2006 auf über eine Million ansteigen wird.




Da der Servermarkt sich mittlerweile in einer starken Konsolidierungsphase befindet, könnte gerade in diesem Segment eines der wenigen Wachstumsfelder liegen, welches den Markt aus der Krise führt. Blade Server bieten gegenüber den Rack-optimierten Servern deutliche Wettbewerbsvorteile wie geringeren Raumbedarf, einfache Installationen sowie Softwarelösungen, die eine einfache Integration in Unternehmensstrukturen ermöglichen. Zwar haben Kunden, bei denen die Serverdichte von grosser Bedeutung ist, einen starken Anreiz, die neue Technologie sofort einzuführen, jedoch muss dies gegen die noch existierenden Kompatibilitätsmängel zwischen den Anbietern abgewogen werden. Nur wenn es Standards gibt, wird sich die Blade-Server-Technologie durchsetzen und könnten viele Hosting-Firmen auf dieser Technologie neue Geschäftsmodelle mit ihren Kunden aufbauen.



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