Lehrlinge fördern in der Theorie und in der Praxis


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/09

     

Mickrige zwei Lehrlinge beschäftigt Microsoft in der Schweiz – ohne Witz. Und dies bei rund 500 Mitarbeitern hierzulande. Aber es kommt noch dicker: Die Lernenden sind nicht einmal direkt bei Microsoft angestellt, sondern über ein Lernzentrum.

Diese Tatsachen hat Microsoft-Schweiz-Chef Peter Waser im August anlässlich einer Pressekonferenz verraten. Er, der sich aktiv in der Schweizer IT-Verbandslandschaft tummelt, deren hehres Ziel es ist, den Mangel an IT-Nachwuchskräften zu bekämpfen. Irgendwie irritierend, finden Sie nicht?


Nicht weniger befremdend sind die Aussagen von Konkurrent Google. Fragt man nämlich dort nach der Anzahl Lehrlinge, wird man mit einem «dazu habe ich leider keine Informationen» abgespeist. Bei mir keimt da der schreckliche Verdacht: Beschäftigt Google in der Schweiz eventuell kaum oder gar keine Lehrlinge?

Gehen wir einige Monate zurück: Wie ein Phönix aus der Asche machte sich Waser im Herbst des vergangenen Jahres zusammen diversen Kollegen aus der Teppichetage andere Unternehmen daran, die Verbandslandschaft in der Schweiz aufzuräumen. Man wollte dafür sorgen, dass sich die Branche unter anderem vermehrt Themen wie Bildung und Forschung widmet.

Mittlerweile haben sich die Initianten des Projekts «Phönix» dem Dachverband ICTswitzerland angeschlossen und sitzen dort im Vorstand. Der Dachverband hat gleichzeitig mit der Aufnahme des Fördervereins in seine Runde auch die Stiftung IT-Berufsbildung Schweiz sowie den entsprechenden Verein gegründet. Die Stiftung soll eine Konzeption und Implementierung einer auf die zukünftigen Erfordernisse ausgerichtete Berufsbildung ermöglichen, wie es in einer Mitteilung so schön heisst. Bis 2015 will man tausend neue Lehrstellen im ICT-Umfeld schaffen. Das Geld dazu kommt auch von der Credit -Suisse. Die Schweizer Grossbank betont ihr Engagement für die IT-Berufsbildung nicht nur mit einem Beitrag von über zehn Millionen Franken, sondern erweitert über die nächsten drei Jahre ihr Lehrstellenangebot von 600 auf 750 Plätze und will pro Jahr 250 Lernende beschäftigen – davon 100 Lehrstellen im IT-Bereich. In Relation zur Gesamtzahl von 21’000 Mitarbeitern in der Schweiz ist somit jeder 84. Angestellte ein Lehrling. Kein schlechtes Ergebnis, aber noch Verbesserungsfähig, wie ich finde. Freude bereitet IBM mit über 70 Lehrlingen bei 3300 Mitarbeitern in der Schweiz – jeder 47. Angestellte ist also ein Lernender. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei HP, das in der Schweiz 2400 Mitarbeitende und 49 Lernende hat. Jeder 49. Hewlett-Packard-Angestellte befindet sich also in der Lehre.

Für wahre Begeisterungsstürme sorgt aber Siemens IT Solutions and Services: Bei 400 Mitarbeitern in der Schweiz beschäftigt der IT-Dienstleister stolze 89 Lehrlinge – mehr als jeder Fünfte ist also ein Auszubildender. Daran sollte sich die Konkurrenz ein Vorbild nehmen!

Denn: Verbände gibt es genug, geredet ist genug. Jetzt muss endlich gehandelt werden. Immerhin hat man bei Microsoft anscheinend gemerkt, dass man mit der aktuellen Lehrlingszahl keinen Preis gewinnt und will in den nächsten ein, zwei Jahren auf insgesamt zehn Lernende aufstocken. Dass dies reichen wird, um den ausgetrockneten IT-Nachwuchsmarkt wieder aufblühen lassen, wage ich zu bezweifeln. Aber es ist immerhin ein Anfang. (abr)


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