Alles rund ums Speichern

Auch wenn Hype-Technologien wie Deduplication und Solid State Disks grosse Aufmerksamkeit erregen, benötigen die Anwender vor allem stabile und kostengünstige Speicherlösungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/02

     

Was in der IT-Branche allgemein üblich ist, gilt auch für die Datenhaltung. Hersteller und Medien berichten ständig von top-aktuellen Technologien, die anstehende Probleme angeblich noch besser lösen als das bisher Verfügbare. Jürgen Arnold, Chairman der Europa-Sektion des Branchenverbands SNIA (Storage Networking Industry Association) und Forschungsleiter Enterprise Storage and Servers bei HP, sieht die Sache nüchterner: «Über Hype-Themen wie Solid State Disks, Green IT und Cloud Computing wird zwar diskutiert, in der Praxis hat all dies aber nicht erste Priorität. Wichtig ist, dass die Unternehmensprozesse stabil funktionieren, das heisst, auch die IT muss stabil laufen – Datenverlust kann man sich einfach nicht erlauben. Es geht also nach wie vor auch um ganz triviale Dinge wie Backup und Recovery, auf die wir unter anderem an unseren Veranstaltungen seit Jahren hinweisen. Die IT-Abteilung wird ja daran gemessen, wie die IT heute läuft und nicht daran, was in den nächsten acht Monaten vielleicht benötigt wird.»


Besonders im KMU, stellt Arnold fest, spiele die Frage des «Ease of Use» bei Implementation und Verwaltung einer Storage-Lösung die zentrale Rolle. «Der Mittelstand will preisgünstige End-to-End-Lösungen, die sich nicht nur von IT-Spezialisten nutzen lassen. Was technisch dahintersteckt – zum Beispiel Fibre Channel versus iSCSI – ist ziemlich egal.» Aus Kostengründen werde allerdings manchmal die falsche Lösung gewählt, weil das Problem im Vorfeld nicht genügend analysiert worden sei.


Grössere Unternehmen mit eigenem Rechenzentrum und kundigem Fachpersonal, so Arnold, könnten es sich eher erlauben, über neue Technologien nachzudenken. Aus Sicht der SNIA sei es deshalb wichtig, sowohl über aktuelle Trends aufzuklären als auch die klassischen Themen und die alltäglichen Probleme nicht zu vernachlässigen.


In den letzten Monaten haben verschiedene neuartige Speichertechnologien den Weg vom Konzept zum Produkt hinter sich gebracht.


- Am meisten Beachtung findet, wie auch SNIA-Vorstandsmitglied und IBM-Manager Matthias Werner meint, im Moment die Solid State Disk (SSD). «Das ist top-aktuell und wir werden 2009 einige Produkte sehen. Mittelfristig könnte sich SSD als Harddisk-Ersatz im Bereich der besonders leistungsfähigen Disk-Systeme durchsetzen. Wo es jedoch um hohe Kapazität geht, wird sich die Magnetplatte mit potentiell mehreren Terabyte pro Laufwerk noch lange halten.» Das ungebremste Wachstum vor allem bei den unstruk-turierten Daten und die damit verbundenen Kosten und Management-Herausforderungen sind für Matthias Werner aus Anwendersicht denn auch die aktuell drängendsten Storage-Herausforderungen. Mit verantwortlich für die Schwierigkeiten mit immer umfangreicheren Datenmengen sei «das Unwissen dar-über, welche Daten wirklich geschäftskritisch sind.»


- Als weiteres heisses Thema nennt Werner Deduplication. Backup- und Archivierungslösungen, zum Beispiel von EMC, HP und IBM, bieten zunehmend Mechanismen, um Daten nur in einer einzigen Instanz zu sichern, die im Unternehmen verteilt mehrfach vorliegen. Der Markt beginnt sich hier bereits zu konsolidieren. IBM hat zum Beispiel den Deduplication-Pionier Diligent übernommen und dessen Technologie in seine dedizierte Dedup-Appliance integriert. Anbieter wie Netapp, Storwize und Ocarina Networks erweitern zudem den Einzugsbereich von Deduplication und Kompression in Richtung Primär- beziehungsweise Onlinespeicher – bisher kam die Technologie nur bei der Auslagerung auf die sekundären Backup-Systeme zum Zug.


- Daniel Bachofner, Chef der Schweizer Niederlassung von Netapp, betrachtet Fibre Channel over Ethernet (FCoE) als neue Option für die Netzwerkinfrastruktur im Rechenzentrum: «FCoE ermöglicht eine sanfte Migration bestehender Fibre-Channel-Umgebungen auf 10-Gigabit-Ethernet. Ethernet hält die Netzwerkwelt am Laufen und ist bestens für die Konvergenz der Netze für Datenkommunikation und Datenspeicherung geeignet.» Ganz abgesehen von neuartigen Technologien hält aber auch Bachofner fest: «Wer heute in Storage investiert, kann sich weder grosse Experimente noch Technologiesackgassen erlauben. Ein Konzept auf Basis effizienter Datenhaltung und universeller Ausbaufähigkeit hilft, die Weichen für die Zukunft zu stellen.»


Auf den Online-Speichereinheiten liegen die für den produktiven Tagesbetrieb benötigten Daten, die Backup-Infrastruktur dient der möglichst raschen Wiederherstellung der Systeme im Fehlerfall. Für die langfristige Lagerung der relevanten Informationen eignen sich weder die teuren produktiven Disk-Arrays noch die Backup-Systeme, die für die Wiederherstellung eine komplette Sicherung der Online-Datenbestände beherbergen müssen: Ins Archiv sollten nur diejenigen Daten aufgenommen werden, die auch wirklich langfristig benötigt werden – sei es, um innerbetrieblichen oder gesetzlichen Regeln nachzukommen oder aber um Informationen für die Nachwelt zu erhalten.


Archivierungslösungen müssen somit vier Grundanforderungen erfüllen:


- Die Archivierung erfolgt im Normalfall automatisch auf Basis von sorgfältig definierten Regeln direkt aus den jeweiligen Anwendungen heraus, wo die Daten anfallen. In Ausnahmefällen sollte aber auch ein Anwender in der Lage sein, bestimmte Dokumente explizit vom Online-Speicher ins Archiv zu verlagern. Die Archivierungssoftware sollte auch in der Lage sein, die archivierten Daten je nach Relevanz und voraussichtlicher Zugriffshäufigkeit auf verschiedenen Speichergeräten abzulegen.


- Das Archiv muss auf möglichst preisgünstigen und gleichzeitig langlebigen Medien gelagert werden. In Frage kommen sowohl bisher gängige Technologien wie Tape und WORM als auch neuere Entwicklungen wie Blu-ray. Für Archive, auf die regelmässig zugegriffen wird, eignen sich diskbasierte Content-Addressed-Storage-Komplettsysteme wie die Centera von EMC.


- Nicht nur die Speichermedien, sondern auch die Datenformate müssen langfristig nutzbar sein. Es ist nicht gesagt, dass die ursprünglich zum Erstellen benutzte Software auch nach Jahren oder gar Jahrzehnten noch zur Verfügung steht. Das Archiv muss deshalb neben den Originaldateien zwingend auch eine Repräsentation der Informationen in einem langlebigen Format enthalten. Dazu wird das Originaldokument entweder «gedruckt» und als Bilddatei abgelegt, wobei meist das Tiff-Format zum Einsatz kommt, oder die Archivsoftware generiert ein PDF-Dokument im für Archivzwecke konzipierten Standard PDF/A.


- Das beste Archiv bringt nur dann wirklichen Nutzen, wenn sich die abgelegten Informationen auch wieder finden lassen und zwar ohne grossen Aufwand und möglichst rasch. Ein umfassendes Archivierungskonzept sieht demnach auch eine gute Suchmaschine vor, die auch das Archiv berücksichtigt – entweder in Form einer separaten Enterprise-Suchlösung oder als Komponente des Archivsystems selbst. Einige Lösungen warten mit erweiterten «Guided E-Discovery»-Funktionen auf, die den Anwender beim Auffinden der gewünschten Informationen unterstützen.


In unsere Marktübersicht haben wir ohne Anspruch auf V0llständigkeit die wichtigsten Archivierungslösungen für KMU und Grossunternehmen aufgenommen, die in Form separater Produkte erhältlich sind. Die Bandbreite reicht von einfachen, auch für Kleinfirmen erschwinglichen klassischen Softwareprodukten zur manuellen Archivierung einzelner Dateien über skalierbare Lösungen zur automatischen Archivierung, sowohl von Dateien auf Fileservern als auch von transaktionalen Daten aus IT-Systemen wie ERP und CRM, bis hin zu kompletten Plattformen mit Software und Storage-Hardware.


Nicht berücksichtigt sind die Archivierungskomponenten von umfassenderen ECM- und Dokumentenmanagementlösungen wie Documentum, IBM Filenet oder Opentext.

(ubi)


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