Informatik braucht einen langen Atem

Viele Menschen verbinden Informatik – ist ja High-Tech! – mit ständig neuen Angeboten, schnelleren Netzen, grösseren Speichern und feinerer Bildauflösung. Auch Laien kaufen immer neue

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/02

     

Viele Menschen verbinden Informatik – ist ja High-Tech! – mit ständig neuen Angeboten, schnelleren Netzen, grösseren Speichern und feinerer Bildauflösung. Auch Laien kaufen immer neue Handys, erwarten GPS-Fähigkeiten und richten Heimkinos ein. Wer sich an den Erneuerungsrhythmus der Anbieter gewöhnt hat, hält Informatik für ein Synonym von Schnellebigkeit.


Informatikeinsatz in Unternehmen und Verwaltungen ist völlig anders. Dabei geht es keineswegs bloss um die finanziellen Investitionen in neue Informatiklösungen, die Nutzungsdauern von 10 bis 20 Jahren zur Selbstverständlichkeit machen. Für grössere Umstellungen sind oft lange Vorlaufzeiten nötig, bis sämtliche Voraussetzungen für neue Lösungen geschaffen sind und zusammenpassen. Ein schönes Beispiel für eine solche Gross-umstellung bietet die Volkszählung 2010. Ihre Vorbereitung erfordert in diesen Tagen einen wichtigen Koordinationsschritt, weshalb sie hier kurz vorgestellt werden soll.


Die bisher alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen wechseln vom über hundertjährigen System mit Fragebogen auf ein registergestütztes System, bei welchem die Einwohnerdaten automatisch aus den öffentlichen Einwohnerregistern übernommen und nur bei 3 Prozent der in der Schweiz wohnhaften Personen zusätzliche Angaben über Fragebogen eingeholt werden. Der Vorlauf für die Volkszählung 2010 sieht wie folgt aus:


1999: Seit der Neufassung der Bundesverfassung ist es dem Bund erlaubt (Art. 65 Abs. 2), für die Volkszählungen direkt auf die Einwohnerregister der Gemeinden zuzugreifen.


2003 bis 2008: Erst im dritten Anlauf ist es der Bundesversammlung gelungen, eine für die Datenkoordination nötige, eindeutige und unveränderliche Personenidentifikationsnummer zu definieren, die auch den Vorbehalten der Datenschützer gerecht wird; es ist die sogenannte neue AHV-Nummer. Das ebenfalls neue Registerharmonisierungsgesetz legt für die bisher unabhängigen Einwohnerregister der 2700 Schweizer Gemeinden einheitliche Datencodierungen fest und schafft mit einem zentralen Server (Sedex) im Bundesamt für Statistik (BFS) die technische Basis für den Datenaustausch zwischen Gemeinden und BFS. Bereits im Herbst 2008 nahmen über 80 Prozent aller Gemeinden an Datenübermittlungstests teil.


2009: Der 15. Januar 2009 ist Stichtag: Bezogen auf diesen Tag müssen alle Gemeinden ihre gesamten Einwohnerregister über Sedex an die Zentrale Ausgleichsstelle der AHV (ZAS) in Genf übermitteln, wo sie schweizweit auf Doppelspurigkeiten geprüft und mit der neuen AHV-Nummer ergänzt werden. Rücksendung an die Gemeinden bis Juni 2009. Anschliessend Bereinigung von Problemfällen aller Art.


2010: Bis Dezember 2010 Harmonisierung der Gemeinde-Einwohnerregister (Anpassung Codierungen, neuer schweizerischer Gebäude- und Wohnungsidentifikator); Vorbereitung und Durchführung der Volkszählung über Sedex. Ab 2011 jährlich aktuelle Auswertungen.


Der Countdown für die Volkszählung 2010 ist somit längst angelaufen. Die neue Lösung entlastet nicht bloss 97 Prozent der Bevölkerung vom Ausfüllen eines Fragebogens, sondern reduziert die Kosten der Volkszählung gegenüber einer vollständigen Fragebogenlösung um etwa 40 Prozent.


Eine schöne Rationalisierung. Aber keine schnellebige Sache. Sie brauchte elf Jahre sorgfältiger Vorbereitung.


Carl August Zehnder

Carl August Zehnder ist emeritierter Porfessor für Informatik an der EHT Zürich (zehnder@inf.eth.ch)




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