Ricardo bezieht Stellung zu Leserfragen

29. Februar 2020 - Auf Ricardo.ch haben Gebührenanpassungen, Kundendienst und viele Änderungen auf der Plattform den Unmut der Benutzer auf sich gezogen. «Swiss IT Magazine» ging den wichtigsten Fragen der Leser nach und forderte bei Ricardo Antworten ein.

In der zweiten Jahreshälfte 2018 veröffentlichte «Swiss IT Magazine» drei Artikel zum Online-Auktionshaus Ricardo. Die dort angesprochenen Probleme mit der Plattform beschäftigten unsere Leser offensichtlich. Über die Monate – und bis heute – füllten sich die Kommentarspalten auffällig schnell und die Leserfragen überschlugen sich. Für uns ein Grund, die Themen zu bündeln und bei Ricardo genauer nachzufragen.


Die Hintergründe

Im Sommer 2018 versendete Ricardo eine Info-Mail an seine Benutzer, in der die neue Gebührenstrategie und andere Neuerungen auf der Plattform erklärt wurden. Wir recherchierten und stellten zum einen fest, dass vieles einfacher wird, aber eben auch, dass die Gebühren für gewisse Produkt- und Preiskategorien deutlich stärker steigen, als der erste Eindruck des Schreibens vermuten liess. Die aufgeregten Reaktionen der Leser waren bereits damals auffällig. Just ein halbes Jahr später dann eine weitere Neuerung: Ricardo strich die Schwarze Liste für Händler – also die Ausschlussmechanik für unliebsame Käufer – ersatzlos. Und auch hier überschlugen sich die Reaktionen. Im Laufe der Zeit kamen von den Lesern Fragen und Vorwürfe zu einer ganzen Reihe von Themen. Nachfolgend die wichtigsten dieser Fragen und die Antworten von Ricardo.


Die neuen Gebühren

Ricardo hat die Einstellgebühren abgeschafft und dafür die Abschlussgebühren auf verkaufte Artikel über alle Kategorien auf 9 Prozent angehoben. Weiter wurde der Maximalbetrag für die Abschlussgebühren mit einem Anstieg von 40 auf 190 Franken mehr als vervierfacht. Wir fragten Ricardo: «Für Artikel in bestimmten Preiskategorien, speziell im tiefen vierstelligen Preisbereich, führt die Änderung zu massiven Unterschieden bei den Gebühren. Einige Händler sprechen davon, dass die Gebührenerhöhung die Marge kritisch schwächt oder gar gänzlich eliminiert. Warum ist die Gebührenerhöhung dermassen unfair über verschiedene Kaufpreise und Kategorien verteilt? Hat Ricardo Verkäufer mit teureren Artikeln bei der Anpassung schlicht nicht berücksichtigt?»

Ricardo erklärt: «Es handelt sich nicht um eine Gebührenerhöhung oder -senkung, sondern um eine Umstellung des Gebührenmodells, das aufgrund der technologischen Komplexität schrittweise auf Ricardo.ch eingeführt wird.» Das alte Gebührenmodell sei unübersichtlich gewesen und man habe die Plattform in den letzten zwei Jahren grundlegend modernisiert. Ebenfalls zentral: Die Streichung der Einstellgebühren sei auf «vielfachen Kundenwunsch» hin geschehen. Ricardo ergänzt: «Bei hochpreisigen Artikeln wird es etwas teurer, jedoch betrifft dies nur rund 3,5 Prozent aller Transaktionen. Wir sind jedoch überzeugt, dass auch dies im Verhältnis zu den guten Verkaufschancen auf Ricardo.ch immer noch fair ist.»

Echte Fairness ist schwierig, es allen gleichwohl recht zu machen ebenfalls. Das liegt auf der Hand und Ricardo versuchte hier einfach offensichtlich, es für möglichst viele Nutzer stimmig zu halten, was auch Sinn ergibt.

Für Ricardo selbst habe die Gebührenumstellung keine finanziellen Vorteile, versichert das Unternehmen. Wie viel des Umsatzes diese 3,5 Prozent der hochprei­sigen (und daher neu massiv gebührenintensiven) Verkäufe für das Auktionshaus selbst ausmachen, bleibt aber im Dunkeln. Wir können daher nicht abschliessend nachvollziehen, ob Ricardo damit Profit macht.

Ricardo strebt also Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit für alle Seiten an, das Opfer bringen in diesem Fall die Verkäufer von hochpreisigen Artikeln und diese sind, so Ricardo, eben in der Unterzahl.


Der Kundendienst

Egal ob es um Hilfe bei den oben erwähnten Gebühren, Problemen mit dem Bezahlsystem oder andere Stolpersteine geht – der Kundensupport soll helfen. Diesen gibt es kostenlos in Form eines Chats oder des Kontaktformulars. Oder aber man bezieht den Service per 0900-Helpline, welche einen Franken pro Minute kostet.
Die Mehrheit der kommentierenden Leserschaft ist sich einig, dass der Kundendienst mangelhaft ist. Wir fragten daher zuerst nach, ob sich das Unternehmen der Problematik bewusst ist und ob man Massnahmen dagegen ergreift.

«Der lokale Kundendienst ist eine wichtige Stütze für unsere Kunden und unsere Plattform generell, das Team vermittelt auch in schwierigen Situationen zwischen Käufer und Verkäufer. Täglich erhält unser Kundendienst rund 1200 E-Mails und 250 Anrufe. Unsere Kunden erhalten normalerweise innerhalb nützlicher Frist eine Antwort, die telefonische Wartezeit liegt durchschnittlich bei etwa 10 Sekunden», so Ricardo.
Auch haben wir nachgefragt, ob es denn noch zeitgemäss ist, einen kostenpflichtigen Telefonsupport anzubieten, während sich die meisten Nutzer kostenlose Support-Nummern gewöhnt sind.

Ricardo dazu: «Bei einem Anruf wartet ein Mitglied in der Regel nicht länger als 10 Sekunden. Der Anruf beim Kundendienst in der Schweiz ist kostenpflichtig, weil auch die Wartezeit in Grenzen gehalten werden soll, welche natürlich kostenlos ist.»
Auch vermuteten viele Benutzer, dass der Support im Ausland stationiert sei und Ricardo sich damit eine goldene Nase verdiene. Hier winkt man bei Ricardo klar ab, der gesamte Kundendienst ist in Zug stationiert und wird damit wohl auch zu Schweizer Standards bezahlt, was die Gebühren nicht angenehmer, aber nachvollziehbarer macht.


Die Schwarze Liste

Die Abschaffung der Schwarzen Liste provozierte im Dezember 2018 weitere starke Emotionen aus der Community. Zahlreiche Händler hatten mit diesem Werkzeug über die Jahre hinweg viele unliebsame Käufer, Trolle und Spassbieter aus ihren Auktionen verbannt. Auf einen Schlag war diese Arbeit dahin, was verständlicherweise auf Frust stiess. Ausserdem fehlt bis heute eine wirkliche Alternative zur alten Schwarzen Liste.

Wir fragten Ricardo, was die Überlegungen hinter der Entscheidung waren, die Schwarze Liste ersatzlos zu streichen und ob es eine andere Mechanik geben wird, um mühsame Bieter und Käufer fernzuhalten.

«Aus unserer Sicht ist eine stark negativ konnotierte Schwarze Liste nicht zeitgemäss und wurde in der Vergangenheit oft auch als Drohmittel missbraucht und teilweise willkürlich eingesetzt. Es gibt moderne technologische Möglichkeiten für eine erhöhte Sicherheit: Wir arbeiten neu mit einem automatisierten System, das lernfähig ist und bestimmte negative Handels-Muster frühzeitig erkennen kann. Oder unser integriertes Zahlungssystem auf Ricardo, wodurch beispielsweise auch die Gefahr von Phishing eingegrenzt werden kann, indem Kontodaten nicht mehr per E-Mail-Verkehr ausgetauscht werden müssen. Zudem überlegen wir uns aktuell verschiedene Optionen, um in Zukunft einen nochmals höheren Käuferschutz anzubieten.»

Die Schwarze Liste ist also in die Jahre gekommen, birgt Missbrauchspotential und ist mit moderneren Mitteln zu ersetzen – soweit der Standpunkt von Ricardo. Wünschenswert wäre aber ganz klar eine bessere Kommunikation mit den Händlern und eine echte Alternative gewesen statt dem einfachen Verweis zu Zahlungsprozessen mit mehr Schutz, was damals der Fall war. Denn es ging bei der Schwarzen Liste offensichtlich nicht nur um das Ausschliessen zahlungsfauler Käufer.


Zahlungsoptionen

Bei den Zahlungsoptionen gab es ebenfalls rege Kritik. Bemängelt wurden unter anderem die administrativen Gebühren beim Zahlen per Rechnung. Ricardo erklärt: «Bei gewissen Bezahlmöglichkeiten der Gebühren entstehen Buchungsspesen, wenn die Verbuchung mit einem manuellen administrativen Aufwand verbunden ist. Ricardo-Gebühren können aber beispielsweise mit Kreditkarte oder via E-Banking mit ESR-Nummer spesenfrei bezahlt werden.»

Allgemein sind Zahlungen per Kreditkarte, Banküberweisung, Google Pay, Apple Pay oder Microsoft Pay möglich und man müsse sich als Verkäufer «um fast nichts mehr kümmern», so Ricardo. Weiter können Verkäufer die erweiterten Zahlungsoptionen nutzen, womit man die gesamte Transaktion vereinfacht habe und sicherer machte, wie es weiter heisst. Auf das Fernbleiben von Paypal als Zahlungsmittel ging Ricardo jedoch nicht näher ein.


Die Zukunft

Zum Schluss, vor allem weil sich viele Nutzer am schleppenden Tempo der Weiterentwicklung stossen, haben wir nach den Zukunftsplänen für 2020 gefragt. Ricardo führt aus: «Es laufen bei uns viele Projekte, um das Erlebnis für die Nutzer zu verbessern. Unter anderem möchten wir den Versand von Artikeln vereinfachen, beispielsweise indem nach dem Verkauf gleich ein E-Etikett mit passender Lieferadresse ausgedruckt und fixfertig bei der Post, DHL oder am Kiosk abgegeben werden kann. Zudem arbeiten wir aktuell an einem System zur Bilderkennung: In Zukunft kann man einfach ein Bild eines Gegenstandes machen und das System erkennt den Gegenstand automatisch und schlägt Titel, Beschreibung oder Kategorie vor und vielleicht auch gleich einen möglichen Verkaufspreis. Damit wird der Handel oder Kauf von Secondhand-Artikeln nochmals deutlich an Attraktivität gewinnen.»


Das Fazit

Sowohl Unternehmenskritik wie auch Unternehmenskommunikation sollte man stets mit Vorsicht begegnen. Und wie so oft steht im direkten Vergleich letztlich teils Aussage gegen Aussage. Im Fall von Ricardo könnte man sich in einigen Situationen aber wohl transparentere Kommunikation wünschen. Auf der anderen Seite stehen jedoch der Ausbau und die teilweise Neukonzeptionierung einer sehr grossen Plattform, was per Definition nicht einfach ist. Es hierbei allen recht zu machen, ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Wir hoffen trotzdem, dass die Antworten etwas Licht ins Dunkel bringen konnten.

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