Eine Box fürs Dokumentenmanagement

von Urs Binder

5. Dezember 2008 - Die Pfaffhauser Archivista GmbH offeriert mit der Archivistabox eine DMS-Lösung, die weitgehend überzeugt. Die Oberfläche könnte jedoch noch ausgebaut werden.

Was nützt die tollste Lösung mit dem besten Datenhaltungskonzept, wenn bereits das Aufsetzen zum Spiessrutenlauf zwischen Betriebssystem, Rechner und Applikation verkommt? Mit diesem Argument propagiert die Archivista GmbH ihre DMS- und Archivierungslösung. Die Archivistabox wird in Form einer vorkonfigurierten, Linux-basierten Appliance samt Wartungs- und Supportvertrag ausgeliefert.



Flexible Varianten

Die Hardware ist in verschiedenen Modellen zur Verarbeitung von maximal 200 bis 40’000 Seiten pro Tag erhältlich. Der Hersteller deckt damit sowohl kleinste Unternehmen als auch grosse Organisationen ab und belegt dies mit Referenzen vom Amt für Grundstückschätzungen des Kantons Schaffhausen bis zum Raumfahrtunternehmen EADS Astrium mit 12’000 Mitarbeitern. Bei grösseren Volumen lassen sich zwei Boxen in einer redundanten Konfiguration zusammenfassen, und auch die Kombination mehrerer Geräte zu einem Clus­ter mit separaten Scan- und Verarbeitungsstationen ist mit wenig Aufwand möglich.


Die Software umfasst neben den grundsätzlichen serverseitigen Funktionen und dem Web-Front-end auch Module für die Text-, Barcode- und Formularerkennung – und sie ist, mit Ausnahme der nur in der kommerziell vertriebenen Appliance-Variante enthaltenen Finereader-OCR-Engine, unter der GPLv2-Lizenz veröffentlicht. Wer dies bevorzugt, kann die Lösung also auch auf einem eigenen Server oder als virtualisierte Appliance implementieren.


Für unseren Test haben wir die multiuserfähige Archivistabox «Säntis» gewählt, die auf Dokumentenvolumen bis 500 Seiten pro Tag ausgelegt ist. Das rund ein Kilo schwere Gerät kommt in einem stabilen Industrierechnergehäuse daher, das in etwa das Volumen eines externen DVD-Brenners einnimmt. Zum Einscannen von Papierdokumenten hat der Hersteller den Doppelseiten-Einzugsscanner Scansnap S510 von Fujitsu mitgeliefert – das System unterstützt eine breite Palette von SANE-konformen Scannern aller gängigen Anbieter.


Die getestete Software entspricht dem neuesten Stand 2008/XI: Der Hersteller bringt jährlich zwei grössere Updates im Frühling und Herbst, dazwischen werden Fehler mit Patches oder kompletten Bugfix-Images ausgebügelt. Und er reagiert schnell: Beim Testen hatten wir ein Problem bei der Eingabe bestimmter Buchstaben unter Webkit-basierten Browsern entdeckt und gemeldet. Innerhalb eines Tages war der Fehler, der offenbar auf einen Konflikt mit der verwendeten Ajax-Bi­bliothek zurückging, mit einem neuen Image behoben.



Bedienung via Browser

Die Archivistabox lässt sich vollständig über das Intranet konfigurieren und nutzen – mit zwei Ausnahmen: Bei der Erstinstallation müssen für die Netzwerkkonfiguration Maus, Tastatur und Bildschirm direkt an die Box angeschlossen werden. Auch das Aufspielen einer neuen Softwareversion erfolgt auf diese Weise. Für alle übrigen Aufgaben stehen die drei Browser-basierten, separat aufzurufenden Front-ends Webconfig (Grundkonfiguration), Webadmin (Konfiguration der Archivdatenbank, zum Beispiel Benutzer-definierte Felder und Masken) und Webclient (die eigentliche DMS-Oberfläche) bereit. Die Trennung der drei Aufgabenbereiche ist einerseits sinnvoll – wer Dokumente verarbeitet, sollte nicht unbedingt Zugriff auf die Systemverwaltung haben. Auf der anderen Seite ist es manchmal lästig, wenn für die Definition eines zusätzlichen Feldes zu einer anderen Webanwendung gewechselt werden muss.



Konzept und Oberfläche einfach

Archivista setzt für das Dokumentenmanagement auf ein sehr simples Paradigma und verzichtet auf die sonst oft übliche Unterteilung in Aktenschränke, Ordner und so weiter. Alle Dokumente – im Archivista-Jargon «Akten» genannt – sind ohne weitere Unterstrukturen direkt in der «Datenbank» abgelegt. Zum Wechseln zwischen verschiedenen Archiv-Datenbanken muss man den Webclient verlassen und sich neu anmelden.


Für die Klassifizierung und Beschlagwortung kommen bis zu 80 vom Anwender definierbare Felder zum Einsatz, ausserdem bietet die Software dank durchgängiger Texterkennung eine Volltextsuche in sämtlichen Dokumenten, die Text enthalten.
Neben Text-, Zahlen- und Datumsfeldern bietet Archivista mehrere andere Feldtypen, zum Beispiel 1:N-Felder zum Aufbau hierarchisch gegliederter Schlagwortbäume sowie Auswahlfelder, bei denen aus einer vorgegebenen Liste von Einträgen gewählt werden muss. Diese Liste lässt sich direkt im Webclient ergänzen, allerdings auf etwas komplizierte Art mit Hilfe von drei nicht auf Anhieb verständlichen Symbolen. Die Definition der Daten- und Feldtypen erfolgt nicht im Webclient, sondern in der Webadmin-Anwendung.


Generell ist die Oberfläche zwar mit Ajax-Elementen angereichert, aber sehr einfach gehalten. So erscheinen die Auswahlfelder visuell wie gewöhnliche Textfelder, erst bei der Eingabe eines Buchstabens erscheint eine Aufklappliste mit den passenden bereits erfassten Begriffen. Felder vom Typ «Ja/Nein» werden in Textform angezeigt – eine Checkbox wäre sowohl beim Editieren als auch beim Durchsehen der Akten intuitiver erfassbar.



Übersicht als Pluspunkt

Die einfache Oberfläche garantiert jedoch auch eine erfreuliche Übersichtlichkeit: Zuoberst im Webclient erscheint eine Toolbar, darunter eine Liste aller Akten oder – im «Fotomodus» – eine Voransicht der ersten Seite aller Akten. Über ein Aufklappmenü in der Toolbar lassen sich bestehende Akten löschen oder zusammenführen sowie neue Akten einscannen oder vom Filesystem hochladen. Dabei werden allerdings bloss PDF-Dateien oder Bilder im TIF-, JPEG-, PNG- oder GIF-Format unterstützt. Andere Dateien müssen aus der ursprünglichen Anwendung, zum Beispiel Word, auf die Archivistabox «gedruckt» werden. Dazu muss auf der Box der PDF-Druckserver (CUPS) aktiviert und auf dem PC des jeweiligen Anwenders ein zusätzlicher Drucker eingerichtet werden, der seinen Output an die Archivistabox sendet.


Unter der Aktenliste zeigt der Webclient links einen dreiteiligen Bereich an, der wahlweise die erfassten Felder und den OCR-erkannten Text, eine Suchmaske oder eine Maske zum Editieren der Felder präsentiert. Rechts daneben ist eine grössere Vorschau der aktuell gewählten Seite der Akte zu sehen. Klickt man die Vorschau an, erscheint die «Seitenansicht», in der sich die Darstellung in mehreren Stufen zoomen und in 90-Grad-Schritten drehen lässt.


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