Meierhans meint: Hauptsache, das Milchbüchlein stimmt!

von Daniel Meierhans

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/12

     

Wissen Sie, wie viel pro Jahr in einem Laden nicht durch diebische Kunden, sondern durch die eigenen Mitarbeitenden geklaut wird? Oder wie viel Büromaterial und Kaffeekapseln aus dem Office nach Hause abgezweigt werden? Ich nicht, aber über das ganze Jahr addiert sich das ganz bestimmt zu erklecklichen Summen.
Das muss nicht sein! Eine kleine Video-Überwachungsinstallation und schon haben Sie Ihre Nespresso-Vorräte unter Kontrolle. Biometrische Zutrittskontrollen, elektromagnetische Etiketten, RFIDs, Was-auch-immer-für-Sensoren oder gar Drohnen: Völlig egal, was Sie vor langen Fingern schützen wollen, die Sicherheitsindustrie hat bestimmt die passende Lösung. Und falls es diese noch nicht pfannenfertig gibt, entwickelt man Ihnen noch so gerne eine massgeschneiderte Installation. Augen öffnende Workshops über alle möglichen Risiken und Verlustpotentiale, die Sie sich in Ihren kühnsten Alpträumen nicht hatten ausmalen können, inklusive.

Diebstahl runter – Mitarbeiter raus

Technologie sei Dank, können Sie dann aber beruhigt schlafen. Den nächsten Dieb werden Sie fassen – und falls er zur Kaffee-Kapseln-Abzügelfraktion gehört, fast zwangsläufig auch entlassen. Was bleibt Ihnen nach dem entdeckten Vertrauensbruch für eine andere Wahl? Ganz abgesehen davon: Falls Sie dem oder der Ertappten eine zweite Chance geben, wird dies das Arbeitsverhältnis sowieso nur unwesentlich verlängern. Wer will schon täglich seiner Chefin als überführter Kleinkrimineller in die Augen blicken?
Und so können Sie schon bald einen positiven ROI bilanzieren. Falls eine massgeschneiderte Lösung nötig war, wird das Plus zwar nicht ganz so grossartig sein, in jedem Fall sind aber die Kaffee- und Büromaterialkosten markant gesunken und – man kann die weichen Faktoren nie genug würdigen – Ihr Vertrauen in Ihre Mitarbeitenden ist mindestens ebenso markant gewachsen. Sie wissen nun, dass sich alle an die Regeln halten. Darauf stossen wir an!

Lügen und betrügen ist unsere Natur

Zum Feiern bleibt Ihnen vielleicht aber nicht allzu viel Zeit. Schliesslich haben Sie bereits wieder ein Vorstellungsgespräch. Gute Leute sind schwierig zu finden. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Dummerweise hat in den letzten Monaten nicht nur der Langfinger eine Know-how-Lücke aufgerissen. Auch einige andere Mitarbeitende, die Sie als besonders initiativ wahrgenommen hatten, haben sich «eine neue Herausforderung gesucht».
Ein Schelm, wer denkt, das hänge mit der Überwachung zusammen. Im wahrsten Sinn des Wortes! Was jeder Überwacher in seiner Milchbüchlein-
Rechnung nämlich vergisst, ist die menschliche Natur. Wir alle lügen jeden Tag im Multipack, wie zahllose Studien belegen. Diese kleinen Betrügereien machen uns glücklich. Wer das mittels Überwachung unterbindet, demotiviert seine Mitarbeitenden genauso wie seine Kunden. Zwar können Sie durch eine Kontrolle der GPS-Daten aus einer Smartphone-App fest- und in der Folge abstellen, dass ein Aussendienstler Stunden irgendwo verbringt, nur nicht beim Kunden. Er wird dann aber auch in seiner produktiven Zeit nicht mehr doppelt so viel leisten.

Schlechtes Gewissen viel wirkungsvoller

Und Lug und Betrug sind auch nicht eine Frage des Vertrauens. Schliesslich belügen wir unsere Lebenspartner meist noch viel schamloser als Wildfremde. So sind wir Menschen ganz einfach und es lohnt sich darum auch nicht, mit Technologie dagegen anzukämpfen. Viel erfolgsversprechender scheint mir, die Mitarbeitenden subtil an ihrem unvermeidlichen schlechten Gewissen zu packen: «Es ist mir egal, was ihr im Home Office macht, Hauptsache die Leistung stimmt!»



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