Das sind die besten ERP-Angebote der Schweiz

Funktion alleine bringt noch keinen Erfolg. Die Anwender-Zufriedenheit ist ein Mass für die weichen Faktoren von ERP-Implementationen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/16

     

ERP-Systeme sind kein reines Software-Produkt mehr, sondern eine feste Kopplung von Informatik und Dienstleistung. Am Ende steht die Frage, inwieweit ein implementiertes System die Prozesse eines Unternehmens unterstützt und nicht zur Last fällt. Nachdem die klassischen Leistungskriterien von ERP-Systemen, zuvorderst Funktionalität, aber auch Technologie, in einem Auswahlprojekt überprüft werden können, ist dies im Fall der «weichen Faktoren» wesentlich schwieriger. Hier reichen Referenzbesuche, die meist ohnehin nur zu wenigen «Vorzeigekunden» führen, kaum aus.
Abhilfe bietet die ursprünglich von der Zürcher i2s und den Medien des Compress-Verlages (InfoWeek und IT-Reseller) in der Schweiz initiierte und inzwischen auch in Deutschland und Österreich jährlich durchgeführte Studie zum Thema «Anwender-Zufriedenheit ERP/Business Software».


Anwender haben das Wort

Die Studie befragt die Anwender nach ihrer Zufriedenheit. Ein Ergebnis vorweg: Es gibt keinen festen Zusammenhang zwischen einem hohen Funktionsumfang, einem grossen Marktanteil oder einer modernen Technologie einerseits und der effektiven Zufriedenheit im täglichen Betrieb aus Sicht der verantwortlichen Führungskräfte im Anwenderunternehmen. Wie zufrieden sind nun die Schweizer Anwender mit ihrer ERP-Lösung? Wie schon in den Vorjahren wurden von InfoWeek zusammen mit den Experten der Zürcher Beratungs- und Marktforschungsfirma i2s im Zeitraum Juni bis August 2005 die Anwender von Business-Software nach ihrer Befindlichkeit befragt. Mit einer Stichprobe von 1'131 installierten Systemen (2004: 823, 2003: 449) konnte erstmals die Grenze von 1'000 Systemen überschritten werden. Damit ergibt sich eine repräsentative Datenbasis, die zahlreiche Auswertungen auch im Detail zulässt.
Von den diesjährigen Teilnehmern waren nur etwa ein Drittel Wiederholer, die bereits in einem der Vorjahre teilgenommen hatten. Diese Wiederholer erlauben zum einen Langzeitbetrachtungen, gleichzeitig verhindert zum anderen der Zufluss neuer Teilnehmer allfällige Manipulationsmöglichkeiten.




Anwenderzufriedenheit nach ERP-Systemen in der Schweiz 2005


Guter Marktüberblick

Insgesamt konnten erstmals 35 Anbieter bewertet werden, was einen beinahe lückenlosen Blick auf den Schweizer Anbietermarkt zulässt. Wie immer werden sämtliche Ergebnisse in einem Gesamtportfolio (Abbildung 1) veröffentlicht. Dies hat den Machern der Studie in der Vergangenheit immer wieder eine gehörige Schelte eingebracht: «Wie kann man nur Tosca mit SAP vergleichen?». Die Antwort ist einfach: Beides sind ERP-Systeme, die sich im Schweizer Markt bewegen. Daher ist ein Abdruck in ein- und demselben Portfolio genauso zulässig wie sonst der Abdruck von Marktanteilen oder Verkaufszahlen.
In der Praxis sind Tosca und SAP – gemeint ist hier natürlich das früher R/3 genannte mySAP ERP – aber kaum Konkurrenten. Die Frage, welches System grundsätzlich für ein Anwenderunternehmen geeignet ist, ist denn auch in einem ersten Schritt immer die Frage nach der angebotenen Funktionalität. Erst in einem zweiten Schritt kommen die «weichen Faktoren» ins Spiel, die in dieser Studie zum Ausdruck kommen. Konkret bietet SAP mit mySAP ERP einen wahren Supermarkt der Funktionalitäten, während es sich bei Tosca eher um einen kleinen Fachhändler für KMU handelt. Die Frage, welcher Anbieter grundsätzlich der richtige für die eigene Einkaufstour ist, welchen Apfel man mit welcher Birne vergleichen kann, kann man den meisten Anwendern jedoch durchaus zutrauen.




Die grössten Probleme bei der Einführung


Wenige Abwesende

Erfreulich ist die geringe Anzahl von fehlenden Anbietern. Man kann sie in drei Hauptgruppen einteilen:



Newcomer wie etwa das österreichische Semiramis. Sie verfügen noch nicht über eine so grosse Installationsbasis, dass eine Bewertung möglich wäre.



Anbieter für kleinste Unternehmen mit weniger als 10 Anwendern. Sie werden von der Studie nicht ausreichend erfasst. Hierzu zählen etwa Systeme wie Winware oder Q3, aber auch das neue Angebot von SAP, SAP Business One (SBO). SBO gewinnt aber zunehmend auch etwas grössere Kunden, so dass zu hoffen bleibt, dass es in den nächsten Jahren dabei sein wird.



Systeme mit einer geringen Installationsbasis. Hier sind die meisten Angebote des wachsenden ERP-Zweigs von Oracle zu nennen, das mit seinen Produkten EnterpriseOne (vormals JD Edwards), Enterprise (vormals Peoplesoft) und Oracle E-Applications eine ganze Anzahl von Teilnehmern zur Studie beisteuert, für jedes System einzeln betrachtet jedoch unter dem statistisch notwendigen Grenzwert verbleibt.
Erfreulich ist für dieses Jahr die erstmalige Präsenz von MBS Axapta, das sich auf Anhieb relativ gut plazieren kann. Wenn man berücksichtigt, dass Axapta eher für komplexere KMU geeignet ist, fällt die Positionierung umso besser aus.




Zufriedenheit mit einzelnen Aspekten und ihre Beeinflussbarkeit


2005: Markt in Bewegung

Die Einkaufsaktionen von Oracle und Microsoft, aber auch der frisch in Infor Global Solutions umgetauften Agilisys bringen Bewegung in den Markt. Was Marketing und Anzahl Entwickler angeht, gibt es nun eine ganze Menge von Global Playern, die jedoch zum Teil über weit ausufernde Produktportfolios verfügen.
Begutachtet man das diesjährige Zufriedenheitsportfolio, wird man feststellen, dass es gegenüber dem Vorjahr einige Bewegung gegeben hat. Einige Anbieter positionieren sich schlechter als in den Vorjahren, andere besser. In gewisser Weise als «ruhender Pol» stechen die beiden Grossanbieter SAP und Microsoft mit dem Produkt Navision hervor: Dank ihrer Grösse und der etablierten Partnernetzwerke können sie eine höhere Konstanz in ihrer Dienstleistung bieten als kleinere Anbieter.
Positiv entwickeln sich aber auch einige seit langem etablierten Anbieter wie etwa Infor:COM und PSIpenta. Beide Anbieter haben in den Vorjahren nicht unbedingt schmeichelhafte Bewertungen erhalten. Sie haben diese aber proaktiv aufgegriffen und können heute ein deutlich verbessertes Dienstleistungsangebot anbieten.


Vergleichbare Teilmärkte

Um die Vergleichbarkeit zwischen den Systemen zu erhöhen, werden auch in diesem Jahr die Systeme analog zu ihrer Kundenbasis in die drei Zielmarkt-Kategorien «bis 50 Mitarbeitende», «51 bis 250 Mitarbeitende» und «ab 251 Mitarbeitende» eingeteilt.
Das Teilmarktportfolio für den Markt «Kleine Unternehmen» (bis 50 MA) zeigt nur geringfügige Veränderungen zum Vorjahr. In diesem Bereich findet man Anbieter von Buchhaltungssystemen wie etwa Abacus, die über einen sehr grossen Marktanteil verfügen, wie auch eher branchenorientierte Anbieter, die sich langsam vom PPS zum ERP entwickeln und über eine vergleichsweise schlanke Funktionalität verfügen. Anbieter von komplexeren Systemen, die sonst eher im klassischen KMU-Markt zu Hause sind, erhalten in diesem Segment vergleichsweise schlechte Noten. Zu nennen sind hier Bison, iFAS, IN:ERP, ProConcept oder auch MBS Navision. Hier zeigt sich, dass kleinere Unternehmen von ERP-Systemen schnell überfordert werden können. In aller Regel droht vielen Kleinunternehmen auch wesentlich schneller die Kostenschere. Das Problem liegt in vielen Fällen jedoch nicht am angebotenen System, sondern an einem fehlenden guten Blick auf das richtige Mass an Funktionalität sowie an der fehlenden Projekterfahrung auf Kundenseite.
In den beiden anderen Teilmärkten zeigen sich ebenfalls ähnliche Bilder wie in den Vorjahren. Auch hier zeigt sich jedoch, dass sich regionale Anbieter tendenziell besser plazieren können als internationale Player.


Quo vadis ERP?

Der Kampf um eine dauerhaft konstante und gleichzeitig hohe Dienstleistungsqualität dürfte den ERP-Markt in den nächsten Jahren beherrschen. Grosse internationale Anbieter verfügen heute über eine mitunter unglaubliche Auswahl an Funktionen. Aufgrund der eigenen multinationalen und mehrschichtigen Organisation geht aber häufig der schnelle und direkte Kontakt zum Kunden verloren. Dies ist die Stärke der Schweizer Anbieter, die eine wesentlich höhere Kundennähe haben – und dies nicht nur geografisch. Für sie stellt sich die Herausforderung, mit einem vergleichsweise kleinen Umsatzvolumen weiterhin die eigene Entwicklung voranzutreiben und gleichzeitig die Dienstleistungsqualität hochzuhalten.
Im Moment sind beide Fraktionen – internationale Multis und regionale Spezialisten – am Markt ausreichend präsent, um dem Anwenderunternehmen eine echte Auswahl anzubieten – dies gilt zumindest für den KMU-Markt. Bei den Grossunternehmen sind die Märkte in fester Hand. Doch gerade auch Grossunternehmen auf der Kundenseite profitieren vom Konkurrenzkampf im KMU-ERP-Markt: Schliesslich bringt nur ein funktionierender Markt langfristig Innovation. Es bleibt damit zu hoffen, dass sich der ERP-Markt weiterhin bewegt.




Relative Zufriedenheit


Die Ergebnisse im Detail

Die gesamten Ergebnisse der Untersuchung liegen in Form eines umfassenden Berichtes (Umfang ca. 100 Seiten) vor. Dieser kann über die Webadresse www.erp-z.ch bestellt werden und kostet 275 Franken als PDF-File oder 350 Franken in der Print-Version.


Eine Schweizer Idee erobert Europa

Die Initiative «Anwender-Zufriedenheit ERP» – kurz ERP-Z – wurde ursprünglich von der Zürcher i2s (www.i2s-consulting.com) zusammen mit dem Compress-Verlag gestartet. Nunmehr wird die Studie jährlich im gesamten deutschsprachigen Raum durchgeführt und verfügt über ein breites Netz an Durchführungs- und Medienpartner sowie einen wissenschaftlichen Beirat mit namhaften Wissenschaftlern seitens der ETH Zürich, der RWTH Aachen sowie der Wirtschaftsuniversität Wien.


Der Autor

Dr. Eric Scherer ist
Geschäftsführer des Zürcher
Beratungs- und Marktforschungsunternehmens i2s consulting und Initiator der ERP-Zufriedenheitsstudie.
scherer@i2s-consulting.com




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