1000 Hirne in der Westentasche

Ein schneller Zugang zum firmeninternen Know-how kann wettbewerbsentscheidend sein. Das Start-up Starmind aus Zürich will das möglich machen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/01

     

Umso grösser ein Unternehmen, desto mehr spezialisiertes Wissen steckt in den Köpfen seiner Mitarbeiter. So manch ein Manager träumt davon, dieses zugänglich und nutzbar zu machen. Ein Wunsch, der leider am ehesten vergleichbar ist mit der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Unter der Rubrik «Knowledege Management» bietet deshalb auch eine ganze Reihe von Software-Unternehmen entsprechende Lösungsansätze an. Mit nur geringem Erfolg – meint Pascal Kaufmann, Gründer und CEO von Starmind. Beim Zürcher Start-up glaubt man nämlich, das Problem gelöst zu haben – ohne grosse Vorab-Investitionen, ohne grossen Zeitaufwand, ohne den Einsatz von Beratern, ohne Change-Management-Projekte.
«Swiss Made Software»
Weitere Infos und alle Mitglieder auf einen Blick: www.swissmade-software.org

Selbstlernendes System

Stattdessen wird den Mitarbeitern einfach eine Browser-basierte Software zur Verfügung gestellt. Fragen werden eingetippt, vielleicht noch mit einigen Schlagwörtern versehen und das System präsentiert innerhalb kurzer Zeit die richtige Antwort, zumindest meistens. «Etwa 90 Prozent der Fragen werden beantwortet, 50 Prozent sogar in weniger als 2 Stunden», erklärt Kaufmann. Im eigentlichen Sinn sucht das System von Starmind aber nicht die richtige Antwort, sondern den richtigen Ansprechpartner. Die Kenntnis um diese Personen resultiert nicht – wie in anderen Systemen – aus manuell gepflegten Profilen, sondern aus fünf Fragen, die jedem Mitarbeiter bei der erstmaligen Benutzung gestellt werden. Bei diesen Fragen handelt es sich um typische Probleme aus dem Unternehmensalltag, die vor Beginn des Projekts in einem kurzen Fragenkatalog zusammengestellt wurden. Der Mitarbeiter hat die Möglichkeit, die Frage zu beantworten, einen Ansprechpartner zu empfehlen oder einfach zu sagen «weiss nicht».

Aus diesem initialen Mapping resultiert eine gewichtete Wissenskarte des Unternehmens, die durch die weitere Nutzung immer genauer wird. Das System lernt also selbständig dazu. Dabei werden beantwortete Fragen archiviert und müssen so nicht erneut beantwortet werden. Die Handhabung ist denkbar einfach – ähnlich einer Suchanfrage bei Google. Ebenfalls wichtig ist, dass Starmind nicht sinnlos Spam produziert. Vielmehr werden immer nur drei Personen pro Frage angesprochen: Die besten Experten, die das System kennt. Erst wenn diese innerhalb einer bestimmten Frist keine Antwort geben, spricht das System die nächsten drei an.

Mitarbeiterwiderstand

Bisher scheiterten solche Projekte häufig an der mangelnden Bereitschaft der Mitarbeiter, ihr Fachwissen zu digitalisieren. Mit Starmind soll das anders sein, denn es geht nicht nur darum, Wissen abzugreifen, sondern vor allem auch darum, Wissen über Hier­archiegrenzen hinweg sichtbar zu machen. «Der Mitarbeiter kann sich so positionieren, auch ausserhalb seiner Stellenbeschreibung.» Damit meint Kaufmann das Fachwissen, das neben dem Daily Business noch in den Köpfen der Leute steckt. «Jeder redet gern über sein Steckenpferd», meint er weiter. Das System hat auch noch den Vorteil, den Kreis der üblichen Verdächtigen aufzubrechen. Denn geht es darum, ein neues Projekt auf den Weg zu bringen, werden bisher meist die selben Leute zusammengeholt. Ganz egal, ob sie sich mit dem Thema auskennen oder nicht. Mit Starmind entsteht zu jedem Mitarbeiter eine Wissenskarte, die über ein Management-Cockpit sichtbar ist. So lassen sich schnell ein paar Experten zusammentrommeln, wenn Not am Mann ist.

Die Idee zu Starmind hatte Kaufmann übrigens bereits vor zehn Jahren an der ETH. Damals, noch als Hirnforscher tätig, half er beim Aufbau eines Wissensnetzwerks für Universitäten. Im Rahmen dieses Projekts lernte er auch seinen Kompagnon Marc Vontobel, heute CTO bei Starmind, kennen. 2010 beschlossen die beiden, diese Idee zu kommerzialisieren. Starmind hat mittlerweile 15 Mitarbeiter und vertreibt seine Software in der Schweiz, Deutschland und bald auch dem Vereinigten Königreich. Die Software ist ausgerichtet auf Unternehmen mit mehr als einem Standort und mindestens 200 Mitarbeitern. Vorzeigekunde ist zurzeit die UBS. Über seine anderen Kunden darf Kaufmann nicht sprechen: «Die erhoffen sich durch uns einen Wettbewerbsvorteil und wollen nicht, dass die Konkurrenz aufspringt.» Zeitgemäss wird Starmind aus der Cloud angeboten und ist 100 Prozent swiss made. Praktisch ist auch, dass man das System via Mobiltelefon nutzen kann. So hat man quasi eine ganze Menge Hirne in der Westentasche.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Vor wem mussten die sieben Geisslein aufpassen?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER