Eine kleine Geschichte von MPS bis MDS
Quelle: iStock Photo

Eine kleine Geschichte von MPS bis MDS

Von Richard Gaechter

Managed Print Services gibt es seit einer gefühlten Ewigkeit. Die aktuellen Ideen haben aber nur noch wenig mit den ursprünglichen Konzepten zu tun.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2017/03

     

Die Thematik dieses Schwerpunkts orientiert sich gleichzeitig an der chronologischen Entwicklung des Druckens, Scannens und Archivierens. Denn in dieser Reihenfolge übernahmen die meisten Büros im Laufe der Zeit versuchsweise diese Technologien. Es ist gerade mal ein paar Jahre her, als das Drucken als das behandelt wurde, was es war: drucken. Das am häufigste verwendete Gerät war damals der Drucker. Kopierer waren ­Standalone-Geräte und machten nur Kopien. Und alles, was diese Geräte ausgaben, wurde schlicht als Output betrachtet. Doch nach und nach, als herkömmliche Anbieter von Kopiergeräten erkannten, dass diese Geräte vernetzt wesentlich leistungsfähiger sein können, wurde das moderne Multifunktionsgerät (MFP) geboren.

Auf das Netzwerk kommt es an

Veränderungen im Büro gehen langsam vonstatten – wesentlich langsamer als es das Potential der zugrunde liegenden Technologie implizieren würde. So wie es eine Weile dauerte, bis in den Büros der Effizienzgewinn von PCs realisiert wurde, werden Multifunktionsgeräte heutzutage zu oft noch als Geräte behandelt, die nur scannen, kopieren und drucken können. Bis zur Verknüpfung der Scans mit einem Archivierungssystem war und ist es teilweise immer noch ein weiter Weg. Tatsächlich zeigen sich die wirklichen Möglichkeiten von MFPs erst, wenn sie vernetzt werden – untereinander und mit den Prozessen innerhalb eines Unternehmens. Der moderne MFP ist in erster Linie ein Computer, der nebenbei auch drucken, kopieren und scannen kann.


Da die Möglichkeiten der Netzwerke in Bezug auf MFPs und Drucker nur langsam erkannt wurden, wurden sie dementsprechend lange – ungeachtet ihres technologischen Potentials – als Möbelstück behandelt: Wenn sie kaputt waren, wurden sie Stück für Stück ersetzt. Die Beschaffung, oder oftmals die interne Firmen­logistik, entschied sich für das niedrigste Angebot. Die Folge davon war das reinste Chaos. MFPs und Drucker vermehrten sich rasch und zwar von jedem beliebigen Anbieter, in jeder beliebigen Anzahl von Formen, Konfigurationen, Grössen und Modellen. Von der Spitze des Eisbergs aus, auf der die Beschaffungsabteilungen sassen, sahen die Dinge gut aus: Man hatte zum niedrigsten Preis eingekauft. Aber diese Geräte zu managen war ein Alptraum geworden. Und die Kosten waren astronomisch – Gartner schätzte seinerzeit, dass das Document Management gesamthaft zwischen drei und zehn Prozent des Umsatzes eines Unternehmens ausmachen könnte. Die Fixkosten für das Drucken sind zwar weniger, aber bei einem Unternehmen mit nur 100 Mitarbeitenden und einem angenommenen Umsatz von 50 Millionen Franken können sich jährliche Kosten von bis zu 500’000 Franken anhäufen. Und das nur für Ausgaben wie Reparatur, Toner und Leasing.

Die Bestie muss gezähmt ­werden

So entstanden die Managed Print Services (MPS). In der Tat war die Schweiz lange Zeit führend in der Umsetzung dieses neuartigen Konzepts. So wurde der erste derartige Auftrag für den Office-Bereich 2002 in einem Krankenhaus in der Nähe von Basel umgesetzt. Es war auch kein Anbieter, der die Idee hatte. Es war ein smarter und visionärer IT-Manager, der der Meinung war, dass man die Kakophonie, die man damals Drucken nannte, auf jeden Fall verbessern kann. So bestand er auf einen einzigen Anbieter mit nur wenigen Basismodellen, was aus Managementsicht durchaus sinnvoll war. Um den Aufwand noch weiter zu reduzieren, beharrte er auf einer automatischen Tonerlieferung, einem Servicemanager, der die Entwicklung im Auge behielt, und einem einzigen Vertrag mit Anfangs- und Enddatum. Seine Ersparnisse waren riesig – wesentlich höher als Gartners Prognose von 30 Prozent.

Seit diesen ersten Anstrengungen sind MPS zu einem Allerweltsprodukt geworden. Mehrere Anbieter können diesen Service anbieten, wobei sein Einsatz heutzutage weitgehend auf Basis des Preises entschieden wird. Da der wirtschaftliche Anreiz gross ist, hat inzwischen fast jedes Unternehmen eine MPS-Variante implementiert. Beginnend bei Grossunternehmen mit äussert komplexen Druckumgebungen bis hin zu kleineren KMU mit ein paar Dutzend Druckern. Natürlich nimmt die Rendite bei reduzierter Komplexität der Druckumgebung ab.


Heutzutage hängt die Wahl des besten MPS-Partners von seinem logistischen Know-how und seiner Fähigkeit, diesen Service umzusetzen, ab. Faktoren sind etwa das Rollout von Geräten über mehrere Standorte hinweg, die Fertigkeit, das Change-Management handzuhaben, also ob ein Rollout bei minimaler Unterbrechung des laufenden Betriebs stattfinden kann und von der Fähigkeit, zusätzliche Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen sowie davon, wie gut der gesamte Betrieb langfristig vom Partner betreut wird. Aufgrund der organisatorischen Komplexität internationaler Unternehmen ist ferner die Erfahrung in der Koordination und im Management eines Druckerprojekts von grundlegender Bedeutung.

Vom Gerät zum Prozess

Also was nun? Man muss daran denken, dass MPS lediglich eine Anpassung der Infrastruktur und deren aktiven Managements darstellt. Der tatsächliche Wert dieser gemanagten Infrastruktur kommt nur dann voll zum Tragen, wenn das Geräte-Netzwerk richtig ausgenutzt wird. Der Badge-­Druck, bei dem die Nutzer zunächst in die Cloud drucken und ihre Dokumente erst dann ausdrucken, wenn sie benötigt werden, ist nur ein kleines Beispiel für eine gute Nutzung solcher Netzwerkeffekte. Ein Netzwerkpark von intelligenten Geräten, von denen viele MFPs sein können, stellt eine Plattform dar, auf der ein Unternehmen Anwendungen zur Effizienzsteigerung aufbauen kann. Auch dank der Scanfunktion eines MFP wird ein Netzwerkpark zu einer breiten, dezentralisierten digitalen Brücke, einer Zwei-Wege-­Schnittstelle, die die zahllosen Workflows und Anwendungen eines Unternehmens mit der noch physischen Welt des gedruckten Dokuments verbindet.

Hier kommen Managed Document Services (MDS) ins Spiel. In der Regel schliessen Managed Document Services alle Infrastrukturelemente des MPS ein und ergänzen sie, indem sie alle Prozesse umfassen, die auf dieser Infrastruktur aufbauen. Dieses Konzept signalisiert wiederum einen breiteren Trend: Unternehmen geraten unter Druck, sowohl ihre Fülle an gedruckten Informationen zu digitalisieren und ordentlich zu archivieren als auch die zahlreichen Medienbrüche in vielen Unternehmensabläufen zu optimieren. Die in den meisten Unternehmen bereits vorhandene intelligente MFP-Infrastruktur ist prädestiniert für solche wichtigen Aufgaben. Der MFP ist dabei zentral, da Papier – ungeachtet dessen, was Experten über sein Verschwinden vorhergesagt haben – ein wichtiger Bestandteil der Informationsübertragung bleibt. Menschen nutzen nach wie vor gerne Drucksachen, schreiben auf ihnen und teilen sie.


Managed Document Services sehen sich den grösseren Informationsfluss in einem Unternehmen an, analysieren ineffiziente Arbeitsabläufe und optimieren sie, indem sie die gedruckte Form von Informationen – das Dokument – als einen Zwischenschritt in einem Prozess betrachten, der eigentlich vollständig digitalisiert sein sollte. Die Scan-Funktion von MFPs kann wichtige Dokumente intelligent und automatisch an ein bestehendes Dokumentenmanagementsystem, einen bestehenden Workflow oder eine Anwendung, etwa ein ERP-System, dirigieren. Ein häufig zitiertes Beispiel sind Rechnungen: Egal an welcher Stelle im Unternehmen sie eintreffen – oftmals per herkömmlicher Schneckenpost – können sie dezentral eingescannt, ihr Inhalt automatisch erfasst und schliesslich an unterschiedliche Stationen zur digitalen Freigabe und endgültigen Archivierung geleitet werden.

Business Case erstellen

Ob ein Unternehmen solche Workflows optimiert, hängt sehr stark davon ab, wie gut man darin ist, seinen Business Case zu erstellen. Wenn man immer nur auf die direkten Kosten schaut – die Kosten, die man direkt mit einer Kostenstelle in Verbindung bringen kann – wird man nie den Schritt von MPS zu MDS, von der Infrastruktur zur Prozessoptimierung, wagen. Und je kleiner das Unternehmen ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass man diesen Schritt macht, da sich der Zuwachs an Effizienz bei reduzierter Komplexität exponentiell verringert. Die Optimierung von Prozessen, die Straffung von Arbeitsabläufen und die Automatisierung von Prozessen – sie alle haben mit versteckten Kosten zu tun und zahlen sich in erster Linie durch Effizienzgewinne aus. Wenn solchen Gewinnen ein Geldwert beigemessen wird, ist er in der Regel riesig – weitaus grösser als die anfänglichen Kosteneinsparungen durch die Implementierung von MPS, normalerweise um den Faktor zehn. Aber in der Regel tauchen sie an anderer Stelle im Budget des Unternehmens auf und ihr gespürter Nutzen ist üblicherweise verzögert oder tritt oft erst Monate nach der Anfangsinvestition ein.


Dennoch automatisiert eine wachsende Anzahl kleinerer Unternehmen ihre Prozesse. Die Erfahrung zeigt, dass die Erfassung und Verteilung von Dokumenten ein Bereich ist, in dem handfeste Vorteile schnell realisiert werden können. Ein Unternehmer etwa, der oft in Asien und Europa unterwegs ist, fand in Vergangenheit nach seiner Rückkehr von den Reisen immer einen Stapel von Rechnungen zur Freigabe vor. Das Problem konnte relativ leicht gelöst werden, indem die Rechnungen digitalisiert und in einen Workflow eingespeist wurden, aus dem heraus Freigaben und Zahlungsanweisungen von jedem beliebigen Standort aus erledigt werden konnten. Diese Lösung beinhaltete bloss eine intelligente optische Zeichenerkennung (OCR).
Alle Dokumente durchlaufen dieselben Lifecycle-Phasen: Sie werden erstellt oder beschafft, geändert und verteilt. Zu gegebener Zeit werden sie archiviert, gesucht und hoffentlich auch wiedergefunden. Moderne Archivierungssysteme sind in der Lage, einen Grossteil der Metadaten, die für den schnellen Abruf erforderlich sind, automatisiert zu extrahieren und in einem Dokumentenmanagementsystem einzuspeisen. Die Versionsverwaltung – die Möglichkeit, Änderungen an einem Dokument nachzuverfolgen – sorgt dafür, dass die Historie eines Dokuments erfasst wird. Zu gegebener Zeit werden Dokumente dann aus der aktiven Nutzung in den Ruhestand geschickt und entweder vernichtet oder in ein längerfristiges Archiv verschoben.


Für Unternehmen, die über ein Archivierungssystem nachdenken, fallen die meisten Kosten zweifelsohne während der Findungsphase an. Hier muss der Entwurf zu den Bedürfnissen des Unternehmens passen. Wer muss archivieren und wie? Welche Arten von Unternehmensdokumenten müssen archiviert werden? Welches sind die aktuellen Prozesse und was sind die Auswirkungen der Veränderung, auch für die Mitarbeitenden, wenn zu einem automatisierten und digitalisierten System gewechselt wird? Gibt es rechtliche Aspekte, die berücksichtigt werden müssen? Ein weiterer wichtiger Entscheidungsfaktor beinhaltet die eigentliche Infrastruktur. Dies kann normalerweise in der groben Unterscheidung zwischen der Verwendung von lokalen Servern und dem Erwerb eines Cloud-basierten Dienstes zusammengefasst werden. Eine Cloud-basierte Lösung bietet so viele Vorteile, dass es schwer vorstellbar ist, dass dies zukünftig nicht das vorherrschende Servicemodell sein wird. Anstatt sich Gedanken über die Instandhaltung und Überwachung von unterschiedlichen Servern zu machen, wird die Archivierungslösung als Dienstleistung eingekauft – alles inklusive. Für kleinere Unternehmen, bei denen die Anstellung engagierter Mitarbeitender zur Verwaltung der IT nicht wirtschaftlich wäre, kann Outsourcing an einen Cloud-Service der Weg sein.

Quo vadis Digitalis?

Die Vorstellung, dass die Digitalisierung dauerhaft notwendig ist, hat sich durchgesetzt, aber der Weg dahin ist für viele Unternehmen offensichtlich verwirrend. Die geeignete Technologie gibt es seit Jahren, aber offenbar waren die Anbieter nicht sehr erfolgreich darin, ihre Business Cases entsprechend zu erstellen. In der Zwischenzeit spricht jedoch immer mehr für solche Szenarien: Die Cloud ermöglicht die erforderliche Grössenanpassung und eine Reduzierung der Vorabinvestitionen. Die Technologie zur intelligenten Kategorisierung der Dokumente, zum Beispiel über OCR und das automatische Extrahieren von Metadaten, wurde enorm verbessert. Zudem gehen die Babyboomer langsam aber sicher in den Ruhestand. Denn ein Grossteil des Widerstands mag auch einfach an einer Generation liegen, die mit Papier, Sortiermaschinen und Lagerhallen aufgewachsen ist. In dem Masse, in dem eine jüngere Generation nach und nach eine ältere ersetzt, wird die Akzeptanz für papierbasierte Prozesse abnehmen.


Auf sehr lange Sicht spielt es wirklich keine Rolle, in was für einer Struktur man Informationen digitalisiert. Es wird ganz einfach wichtig sein, dass sie digital sind. Wenn Daten einmal digitalisiert sind, wird eine leistungsstarke, Watson-artige künstliche Intelligenz sie durchsuchen und im gewünschten Format servieren, und zwar inklusive Vorschlägen, was damit gemacht werden soll. Wir beginnen gerade erst an der Oberfläche solcher Systeme – speziell Deep-Learning-Plattformen – zu kratzen, der Domäne des Cognitive Computing. Ihr Potential, Data Mining und Daten-basierte Entscheidungen zu revolutionieren, ist enorm. Und da diese auch als Dienstleistung angeboten werden, sind sie auch für viele kleine Unternehmen in Reichweite. Trotz allem ein Wort der Vorsicht: Wie bei der Einführung einer jeden neuen Technologie, entstehen mögliche Verzögerungen in der Regel durch schlechtes Change-Management. In Anbetracht der oben erwähnten Generationsunterschiede sind Hybrid-Modelle (die die Arbeitsweisen unterschiedlich alter Arbeitnehmer integrieren) immer am erfolgversprechendsten, wenn ein Upgrade zu einer vorhandenen Umgebung in Betracht gezogen wird.

Bitte ohne Server und Geräte

Es gibt sicherlich auch eine kommende Revolution bei der Art, wie Anbieter ihre Verträge zukünftig offerieren. Wie bereits bei vielen Artikeln, Komponenten und Services in der IT wird Drucken virtualisiert und als Printing as a Service (PaaS) angeboten werden. Über das einfache Managen von Drucker- und Applikationsserver hinaus, wie es viele der besten Anbieter schon gut können, erwartet Kunden eine Umgebung vollständig ohne Server, idealerweise aus der Cloud. Bei solchen innovativen Lösungen können kleinere Unternehmen grösseren Unternehmen den Weg weisen, ganz einfach weil ihre Sicherheitsanforderungen und die Komplexität ihrer IT entsprechend geringer sind. Auf längere Sicht wird sich Cloud Printing stark ausbreiten.


Das Hauptproblem bleibt zweifelsohne das Besitzen, egal ob geleast oder gekauft, des physischen MFP selbst. Unsicherheit und Unruhe bleiben vermutlich ständige Begleiter im Business, was nahelegt, dass Unternehmen zunehmend weniger bereit sein werden, sich an riskante grosse und langfristige Infrastrukturinvestitionen zu binden – was Managed Print Service letztendlich verlangt. Zukünftig werden die Anbieter dieses Risiko übernehmen und die Infrastruktur besitzen. Sie werden sodann nur die gedruckten Seiten liefern, die der Kunde tatsächlich braucht und wünscht – wo und wann auch immer, im erforderlichen Format und der gewünschten Qualität.

Der Autor

Richard Gaechter leitet Ricohs International- und Major Account-Geschäft seit 2014. Mit seinem Team strebt Gaechter nach Effizienzsteigerungen und Kostenreduzierungen durch das Optimieren von Geschäftsprozessen für seine Kunden. Während der letzten 20 Jahre hat er sich auf Managed Print Services spezialisiert und hat massgeblich zur Entwicklung dieses Marktes in Europa beigetragen. Gaechter hat einen MBA, Hochschulabschlüsse in Physik und Astronomie und lebt in Zürich.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Vor wem mussten die sieben Geisslein aufpassen?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER