Herausforderung IT-Recruiting
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Herausforderung IT-Recruiting

Von Mathias Bösiger

IT-Fachkräfte sind Mangelware. Wo und wie finden Firmen heute überhaupt noch passende Arbeitskräfte und welche Unterstützung bieten Headhunter und Stellenvermittler? Eine Übersicht für IT-Recruiter sowie Stellensuchende.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/11

     

In Zeiten des Fachkräftemangels und allseits grassierendem finanziellen Kostendrucks müssen nicht nur KMU ihre Suchstrategien nach IT-Fachkräften überdenken. Auch die Stellensuchenden sehen sich bei der Suche mit einer Vielzahl von Rekrutierungskanälen konfrontiert. Ist dabei die klassische Bewerbung auf ein bestimmtes (Online-)Stelleninserat bald vom Aussterben bedroht?

Mobile Recruiting

Ein Blick auf die jährlich durchgeführte "Arbeitsmarktstudie" von Job Cloud – der Betreiber der Stellenplattform Jobs.ch – zeigt, dass Kandidaten heute mobil unterwegs sind: 47 Prozent der monatlich 3,5 Millionen Besucher auf Jobs.ch greifen via Smartphone auf die Stellenplattform zu, um sich nach aktuellen Stellen von suchenden Arbeitgebern zu informieren. Auch der jährliche Trend Report von Prospective Media Services sieht die Online-Stellensuche mittels Smartphone als grossen Trend: Demnach nutzt bereits jeder vierte Arbeitnehmer in der Schweiz das Handy zur Stellensuche.


Gerade für Stellensuchende überwiegen die Vorteile dieses mobilen Rekrutierungskanals: In kurzer Zeit bekommt man einen relativ umfangreichen Überblick an ausgeschriebenen Vakanzen im definierten fachlichen und geografischen Suchfeld und kann nach einer individuellen Priorisierung entscheiden, auf welche Stellen und bei welchen Arbeitgebern man sich bewerben möchte. Für Recruiter, welche IT-Fachkräfte suchen, erweist sich dieser Kanal zuweilen als (zu)wenig erfolgsversprechend, da man zwar auf sich und die repräsentierte Firma aufmerksam machen, jedoch nicht aktiv steuern kann, wer und wie viele sich auf das Stelleninserat melden werden. Dies birgt zudem ein erhebliches finanzielles Risiko, da Online-Stelleninserate kostspielig sind, und der Erfolg nicht garantiert werden kann.

Das Erfolgsrezept heisst: Weg von einer eher passiven hin zu einer proaktiven Suchstrategie, um die ausgeschriebenen Vakanzen in einer meist sportlichen Zeitspanne nachhaltig besetzen zu können.

Active Sourcing

Der Begriff Active Sourcing steht für alle Massnahmen der Identifizierung vielversprechender Stellensuchenden auf dem externen Arbeitsmarkt, bei denen das Unternehmen aktiv versucht, in persönlichen Kontakt mit potenziellen Bewerbern und Mitarbeitern zu treten und eine dauerhafte Beziehung zu den Bewerbern aufzubauen. Ziel ist es, die Bewerber so lange durch den persönlichen Kontakt zu binden, bis sie rekrutiert werden können. Die Bindung verhindert dabei das Abwandern der IT-Fachkräfte während der Rekrutierungsphase zu Wettbewerbern.

Active Sourcing weist in der Herangehensweise Parallelen zu den Methoden der Personalberatung auf. Es wird gezielt untersucht, wo sich Zielpersonen aufhalten, unter anderem in Wettbewerbs­unternehmen, an Fachkongressen oder an Rekrutierungsmessen. Identifizierte Personen werden proaktiv kontaktiert. Dies kann sowohl offline als auch online über Social Media wie zum Beispiel Xing oder Linkedin geschehen. Die Kandidaten werden beim Active Sourcing strukturiert in einem Talent-Pool gesammelt, damit der Recruiter einen ständigen Überblick über die Bewerberanzahl, deren Daten, Status und Kontaktverlauf hat.


Durch Active-Sourcing-Massnahmen werden vor allem auch passiv suchende Kandidaten erreicht. So haben Unternehmen die Möglichkeit, die Talente spezifisch zu entdecken. Ausserdem kann beim Personalbedarf direkt auf den Talent-Pool zurückgegriffen werden. Arbeitgeber müssen die Suche so nicht von vorne starten und sparen Zeit. Auch der Kostenfaktor spielt eine wesentliche Rolle, da beispielsweise das Schalten einer Stellenausschreibung entfällt.

Das einfachste und zeitlich ökonomischste Instrument, um als latent suchende IT-Fachkraft gefunden beziehungsweise angesprochen zu werden, besteht dementsprechend in einem professionellen Social- Media-Auftritt auf Xing oder Linkedin. Auf einem solchen Profil sind neben der aktuellen und den vergangenen Arbeitsstationen, absolvierte Aus- und Weiterbildungen sowie die individuellen Schlüsselkompetenzen sowie persönliche Interessen zu definieren. Es kann dabei auch eingetragen werden, was man genau sucht, zum Beispiel "Interessante Kontakte zu Arbeitgebern" oder "spannende Projekte". Wichtig: Ähnlich einem Lebenslauf (CV) ist zu empfehlen, ein qualitativ hochwertiges Bewerbungsfoto hochzuladen, weil man gemäss verschiedenen Studien mit einem seriösen und qualitativ hochwertigen Foto öfters von Recruitern angesprochen wird.

Headhunter und Vermittler

Das Recruiting läuft heute aber längst nicht mehr nur direkt ab. Die schiere Anzahl an Headhuntern und Vermittlern macht es IT-Fachkräften und nach IT-Fachkräften suchenden Firmen dabei nicht gerade einfach, sich für den richtigen Partner zu entscheiden. Berücksichtigt man jedoch einige wichtige Kriterien, fällt die Auswahl deutlich leichter.

Wie kann man überhaupt zwischen einem Headhunter und einem Stellenvermittler unterscheiden? Ein Headhunter sucht im Auftrag eines Unternehmens die passende Person, stellt eine Auswahl von drei bis fünf Dossiers zusammen und begleitet den Kunden im gesamten Rekrutierungsprozess bis zum erfolgreichen Abschluss. In der Regel wird ein erster Teil des Honorars bereits bei der Auftragserteilung fällig. Dafür garantiert der Headhunter Exklusivität und Schnelligkeit. Im Gegensatz dazu sucht der private Vermittler wechselwillige Kandidaten und berät diese zu verschiedenen möglichen Vakanzen, welche sich in seinem Firmennetzwerk befinden. Die Firma bezahlt nach der erfolgreichen Stellenbesetzung das vereinbarte Vermittlungshonorar. Deshalb kann ein Vermittler keine Exklusivität garantieren und wechselwillige Kandidaten können mehreren interessanten Firmen vorgestellt werden.


Für die Auswahl eines seriösen Headhunters oder Vermittlers kann entweder auf Mund-zu-Mund-Propaganda zurückgegriffen werden oder es werden Checklisten mit definierten Qualitätskriterien (siehe Infobox) zu Rate gezogen. Ob Headhunter und Vermittler schliesslich ein Multiplikator oder eher ein Hindernis sind, ist schwierig zu beurteilen. Neben den aufgeführten Qualitätskriterien ist auch stets das Bauchgefühl entscheidend, ob sie einen wahren Mehrwert bringen, sowohl für Unternehmen wie auch für IT-Fachkräfte, da Personalberatung stets auch eine Vertrauenssache ist.

Candidate Experience und Employer Branding

Ähnlich den Kundenproduktebewertungen bei Amazon oder Ebay werden heutzutage auch Unternehmen von ihren Mitarbeitern online bewertet beziehungsweise ausgezeichnet. Es existieren diverse Plattformen und Bewertungslabels wie etwa Kununu, Great Place to Work, Beste Arbeitgeber der Schweiz oder Swiss Arbeitgeber Award, welche alljährlich ihre Firmenrankings veröffentlichen.

Auch stellensuchende IT-Fachkräfte informieren sich auf solchen Plattformen nach potenziellen Arbeitgebern und deren Ruf im Umgang mit Mitarbeitern und Stellensuchenden. Laut der Studie "Best Recruiters" ist unter anderem ein wertschätzender Recruiting-Prozess für eine positive Arbeitgeberbewertung ein ausschlaggebendes Kriterium. Die Autoren heben hervor, dass schnelles und personalisiertes Feedback auf eine Bewerbung von Professionalität zeugt, dagegen ein Nichtbeantworten dem Kandidatenerlebnis und damit auch dem Employer Brand massgeblich schadet. Wie der "Trend Report" von Prospective zeigt, erwarten Stellensuchende eine qualifizierte Rückmeldung auf ihre Bewerbung innerhalb von zehn Tagen. Neben diesem Kriterium werden auf solchen Bewertungsplattformen auch weitere Kriterien erhoben wie unter anderem die Arbeitsatmosphäre, der Kollegenzusammenhalt, das Gehalt, die Sozialleistungen, das Vorgesetztenverhalten, die Arbeitsbedingungen oder die Weiterentwicklungsmöglichkeiten.

Instrumente kombinieren

Eingangs haben wir die Frage gestellt, ob die klassische Bewerbung auf ein bestimmtes (Online)-Stelleninserat bald vom Aussterben bedroht ist. Der «Trend Report» von Prospective vermag zu relativieren: Allgemeine Online-Stellenbörsen sind mit 74 Prozent das in der Deutschschweiz nach wie vor meistgenutzte Tool für die Jobsuche. Mit 71 Prozent an zweiter Stelle folgen Print-Inserate. Auf fachspezifischen Online-Stellenbörsen schauen sich 55 Prozent um, 51 Prozent auf der Firmen-Webseite. 24 Prozent suchen via Personalvermittler oder Headhunter und immerhin 16 Prozent via Social Media. Dabei nutzen Stellensuchende in erster Linie Facebook (61%), Xing (59%) und Linkedin (51%).


Gerade in der Rekrutierung von IT-Profilen ist zu empfehlen, nicht auf einen bestimmten Rekrutierungskanal zu setzen, sondern auf die Kombination von klassischen und modernen Instrumenten. KMU sind hierzulande im Bereich Active Sourcing noch etwas zurückhaltend, da oftmals die Vorstellung herrscht, dass sich Stellensuchende beim Unternehmen zu bewerben haben. Dabei geht vergessen, dass sich das Unternehmen genauso auch beim Stellensuchenden bewerben muss, um eine nachhaltige Bindung eingehen zu können. Dies bedarf insbesondere für die Rekrutierung der Generation Y/Z einen dringenden Kulturwandel.


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