Eine Frage des Geschmacks
Quelle: Joixes

Start-up Joixes

Eine Frage des Geschmacks

Mit Joixes haben drei junge Schweizer eine Suchmaschine entwickelt, welche nach dem persönlichen Geschmack sucht. Selbst dann, wenn man nicht weiss, wonach man sucht.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/09

     

Jeder, der schon einmal versucht hat, den persönlichen Geschmack in Worte zu fassen weiss, dass das gar nicht so einfach ist. «Über Geschmack lässt sich eigentlich nicht streiten, dafür sind unsere individuellen Präferenzen einfach zu verschieden. Nach Geschmack lässt sich auch nicht suchen, denn er ist nur schwierig in Worte zu fassen. Und genau in diesem Punkt stossen die gängigen Suchmaschinen an ihre Grenzen», erklärt Joixes-Mitgründer und HSG-Absolvent Benjamin Boesch, als er sich mit Andreas Bleuler und Ruifeng Xu mit «Swiss IT Magazine» trifft.


Boesch kommt ursprünglich aus der Reisebranche und kennt das Problem, dass es schwierig ist, die persönlichen Präferenzen in Worte zu fassen. «Normalerweise kann der Kunde sein Reiseziel nur sehr vage beschreiben. Zum Beispiel beim Thema Strandferien: Das bedeutet meistens für den Suchenden, dass das Wetter warm und sonnig sein und es einen Meeranschluss geben muss. In solchen Situationen versagen offizielle Suchmaschinen, da sie zu viele Optionen geben und die Arbeit auf den Nutzer übertragen. Der muss sich alle Optionen anschauen und die Filter individuell setzen. Dieser Punkt lässt sich auch auf andere Konsumsituationen übertragen», so Boesch, und führt weiter aus: «Auch die klassischen Recommender-Seiten wie Tripadvisor oder Yelp helfen nur selten wirklich weiter, da ein Reisender normalerweise ein anderes Bedürfnis und einen anderen Geschmack hat als andere Touristen oder Einheimische.»

Prototyp ermutigte

Gemeinsam haben David Holzer, der auf dem Thema Geschmacksforschung doktoriert hat, und Andreas Bleuler, der Astrophysiker ist, sowie Boesch im Sommer 2015 ein Konzept erarbeitet, bei dem Suchresultate nach dem persönlichen Geschmack und Stilempfinden der Nutzer zusammengestellt werden sollen, ohne dass eine verbale Beschreibung nötig ist.

Anhand des Konzepts wurde ein erster Prototyp der Suchmaschine gebaut, um abzuschätzen, ob die Personalisierung aufgrund der ästhetischen Eindrücke überhaupt funktioniert. Das Resultat sei ermutigend gewesen, erzählt der 32-jährige Bleuler: «Wir haben pro Kategorie hundert Restaurants, Hotels, Schuhe und Tische reingenommen, und obwohl wir beim einführenden Auswahl-Game die Kategorien Restaurant und Schuhe bei Seite liessen, haben wir Vorschläge für Restaurants und Schuhe bekommen, die unserem Geschmack entsprachen. Und auch der Test mit den ersten 200 Nutzern war positiv.»

Motiviert durch das Resultat suchte das Trio einen Programmierer, dem es möglich war, ein entsprechendes Tool für die breite Masse im Internet zu bauen. Fündig wurde man in der Person des ETH-Studenten Ruifeng Xu. Der 26-jährige Xu begann mit der Realisierung und inzwischen erlernt die Beta-Version von Joixes durch ein kurzes, visuelles Game über einfache Wisch-Gesten den Geschmack des Nutzers und schlägt ihm dann individuelle, seinen Präferenzen entsprechende Ergebnisse in den Kategorien Mode, Restaurant und Bars, Möbel sowie Filme vor. Diese basieren nicht auf traditionellen Produktspezifikationen wie Farbe, Material oder Preis, sondern auf dem ästhetischen Gusto des Users.
Das Start-up arbeitet mit einem expliziten Geschmacks-Modell, das im Rahmen der Forschung an der HSG entwickelt wurde. So erstaunt es nicht, dass ein ehemaliger Rektor der HSG, der auf dem Gebiet forscht und ein Pionier im Bereich Geschmacksforschung ist, bei Joixes im Verwaltungsrat sitzt. Und die bereits vorhandenen Forschungsinhalte der HSG halfen bei der Start-up-Gründung, wie Bleuler erklärt: «Dank den bereits vorhandenen Ergebnissen der HSG-Geschmacksforschung konnten wir beginnen, ohne irgendwo Daten auftreiben zu müssen. Als kleiner Player können wir mit einem bestehenden Modell arbeiten und es im Laufe der Zeit mit unseren Erfahrungen anreichern.» Das Modell verhalf dem Start-up zu einem Jump-Start. «Andere Start-ups scheitern schon an diesem Punkt. Sie haben zwar eine Idee, aber keine Inhalte und bekommen deswegen keine Nutzer. Und ohne Nutzer wiederum kommt man nicht zu Inhalten. Dank der Forschungsergebnisse der HSG können wir mit unserer Herangehensweise dieses Problem umgehen», kommentiert Boesch.


Für die Parameter der Geschmacksmodellierung im Detail ist David Holzer zuständig. «Die Parameter bis ins kleinste Detail beschreiben, kann nur unser Geschmacksforscher», lacht der 34-jährige Boesch, und sein zwei Jahre jüngerer Kollege ergänzt: «Was man sicherlich sagen kann ist, dass für einen erfolgreichen Vorschlag auf Joixes auch der Gesichtspunkt wichtig ist, was dem Nutzer nicht gefällt. Dazu kommt der Aspekt, dass gemäss der Forschung ähnliche Leute ähnliche Dinge cool finden. Das bedeutet also, wenn mein Gegenüber bis anhin ähnliches lässig gefunden hat wie ich, dann werden wir auch in Zukunft ähnliches gut finden.» Bei der Geschmacksforschung geht es unter anderem um die Definition von Ähnlichkeit. Die Joixes-Suchmaschine braucht gewisse Kriterien für diese Ähnlichkeit. «Dinge die einfach zu verbalisieren sind, die lassen wir nicht in unsere Suche miteinfliessen», erklärt Bleuler. Für den Algorithmus, der hinter Joixes steckt, kann also ein Stuhl und ein T-Shirt alleine durch die Bildsprache viel aussagekräftiger bezüglich Charakter eines Nutzers sein als etwa die ersichtlichen, beschreibbaren Kriterien.

Datenspeicherung ausgeschlossen

Grundsatz der Plattform ist, dass sie, obwohl sie persönliche Geschmacksergebnisse liefert, keine sensitiven Benutzerdaten sammelt. «Bei den herkömmlichen Seiten weiss man nie genau, was mit den preisgegebenen Daten passiert und wer Einsicht auf solche hat. Zudem spiegeln die Daten normalerweise keineswegs die persönlichen Vorlieben», erklärt der Wirtschaftsabsolvent Boesch. Bleuler ergänzt: «Auch die Werbungen sind ein Problem, weil sie an den Höchstbietenden gehen und nur bedingt darauf eingehen, was einem persönlich passt.» Joixes speichert die persönlichen Daten temporär im Browser-Cache und verlangt kein Login. Für die Wiedererkennung auf unterschiedlichen Geräten kann sich der Nutzer mit seiner Mail-Adresse registrieren, ein Passwort wird nicht benötigt. Wenn der Nutzer sein Geschmacksprofil auf Joixes löschen möchte, kann er dies mit einem Klick bewerkstelligen und so seinen Fussabdruck in der Suchmaschine verschwinden lassen. Und auch auf Werbung verzichtet die Suchmaschine.


Um Geld zu verdienen, kassiert das Start-up von jeder Produkt-Homepage, auf deren Link geklickt wird, einen kleinen Betrag. Und wenn der Nutzer tatsächlich etwas kauft, dann springt für Joixes sogar eine kleine Verkaufskommission raus. Insgesamt können Schweizer Nutzer Produkte von über 400 Anbietern, die in die Schweiz liefern, beziehen. Im Ausland sind es, je nach Land, sogar noch einige mehr.

Browser vor App

In den ersten Monaten der Betaphase funktionierte Joixes nur über eine Website, welche aber mit mobilen Geräten respondiert hat und prinzipiell auf eine Touch-Steuerung ausgelegt wurde, was die Nutzung auf Desktop-Computern etwas erschwerte. Die Joixes-Macher haben sich anfänglich bewusst, aufgrund der rascheren Update-Zyklen und grösseren Initialreichweite, für eine Web-Anwendung und gegen eine iOS- oder Android-App entschieden. Erst nach weiteren Entwicklungszyklen und umfangreichen Tests mit mehr als 2000 Benutzern wurde Joixes auch in eine iOS- beziehungsweise Android-App überführt, um von nativen Funktionen wie Push-Benachrichtigungen zu profitieren und die Benutzerführung auf Smartphones weiter zu vereinfachen.

Langfristige Zukunftspläne

joAn Zukunftsplänen mangelt es dem Joixes-Team nicht, wie Boesch erzählt: «Wir haben diverse Möglichkeiten schon einmal angedacht. Aber unmittelbar steht noch nichts Konkretes an. Zuerst muss sich mal zeigen, wie es mit unserem Projekt weitergeht. Ich meine, die Entwicklungskosten in der Schweiz sind relativ hoch, dann ist der Markt etwas beschränkt und man hat noch das Problem mit der Vielsprachigkeit und den Lieferdiensten, die nicht in die Schweiz liefern. Von dem her gibt es sicherlich Überlegungen, um den nächsten Schritt zu wagen und irgendwann einmal ins Ausland zu gehen. Aber das steht nicht unmittelbar an.»

Auf finanzieller Seite befindet man sich mit den drei privaten Investoren, die das erste Jahr des Start-ups unterstützt haben, in der Diskussion um die nächste Finanzierungsrunde. «Bis man mit der Suchmaschine definitiv Kapital schlagen kann, geht es sicherlich noch drei bis vier Jahre und bis zum Break Even dauert es wohl noch vier bis fünf Jahre», erklärt der Astrophysiker Bleuler. Und auch das Thema Verkauf hat man bei Joixes schon diskutiert: «Ein Verkauf wäre sicher schön und wir wollen nicht verneinen, dass man sich manchmal die Positionierung anschauen muss, wo man hinmöchte. Aber im jetzigen Status geht es primär darum, ein Angebot aufzubauen, das ein Problem für die Nutzer löst. Und alles was die Idee mit sich bringt, kommt nebenher. Wir haben mit Joixes nicht mit der Motivation, unbedingt reich werden zu wollen, begonnen. Unsere Philosophie ist, dass wir eine coole Idee haben und schauen wollen, ob andere diese Idee auch spannend finden.» (asp)


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