'Sehr swiss!'
Quelle: Marcel Gamma

"Sehr swiss!"

Von Marcel Gamma

Wie die unabhängige Jury einen Finalisten für den Swiss ICT Award wählt: ein Blick hinter die Kulissen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/07

     

Wer Papierberge erwartet, wenn die Jury tagt, um Kandidaten für den Swiss ICT Award und den Newcomer Award zu küren, der sah sich getäuscht. Ein paar Spreadsheets liegen auf dem Tisch, ein paar Handnotizen und viel viel Mineralwasser. Es gibt Schokolade zur Stärkung.

Das Papier ist nicht zwingend, denn ein wichtiger Teil der Jurierung fand im Vorfeld statt; die Mitglieder haben – aufgeteilt in Gruppen – die Dossiers für sich studiert und eine schriftliche Benotung abgegeben. Es liegt also bereits ein Ranking als unverbindliche Orientierungshilfe vor und man muss "nur" gute Kandidaten aus Dutzenden Bewerberdossiers diskutieren, um die Finalisten zu küren.


Wie die Qualität der Dossiers 2016 generell einzuschätzen sei, fragt der Jury-Co-Präsident Reto Schmid. "Gestiegen" meint sein Kollege, "extrem gut" ein anderer und alle konstatieren, es gebe 2016 nur ein, zwei "Ausreisser nach unten". Man müsse die "more of the same"-Projekte streichen und solche mit Wow-Effekt favorisieren. "Wenn einer eine neue Website macht, ist sie keinen Innovationspreis wert, aber sie könnte es sein, wenn sie eine wirklich innovative Funktion aufweist".
Die Diskussion der Dossierdetails und die Nomination von maximal fünf Newcomern beginnt.

"Auf den ersten Blick genial"

Der erste Bewerber hat im Vorfeld nur Top-Wertungen erhalten. Einer der im Bereich sachkundigen Juryvertreter erklärt dessen Businessprinzip: "Es klingt auf den ersten Blick genial, aber viele Fragen bleiben offen. Wenn sich unsere Vermutungen bestätigen, dann ist dies sicher ein Finalist, aber er könnte im Kreuzverhör abstürzen".

Andere Jurymitglieder stellen Fragen, diskutieren das Gründungsjahr in Relation zum genannten Umsatz, das Budget für die Weiterentwicklung und die Anzahl Mitarbeitende in der Schweiz, "Vernünftig", meint einer. Ein "Jury-Botschafter" streicht heraus, was im internationalen Kontext speziell sei. "Das Businessmodell ist interessant, technologisch gesehen aber nichts zum Jubilieren." Es gibt Widerspruch: "Es ist technologisch aber auch nicht zu unterschätzen." Er erklärt und man kommt zum Fazit, das Dossier gehöre in die engere Wahl, aber sei nicht per se ein Finalist.


Der nächste Kandidat. "Vom Ansatz her genial, weil das Problem auf uns zukommt, aber ich weiss nicht, ob die nicht zu früh sind". "Zu früh", findet ein anderer, "und fünf Jahre zu früh ist ebenso falsch wie fünf Jahre zu spät".

"Die bluffen!"

Der folgende Bewerber ist kein IT-Startup im engeren Sinn. Die Urteile sind dennoch einstimmig: "Wow", "volle Punktzahl", "sehr swiss!". Weniger positiv ist dagegen ein Statement zu einem weiteren Bewerber: "Die bluffen!"

Als alle im Vorfeld bestbenoteten Dossiers durch sind, hat jedes Jurymitglied die Chance, ein bislang schlecht benotetes Dossier zu verteidigen. "Will jemand?" "Ja, ich möchte euch jemanden ans Herz legen. Die Bewerbung ist absoluter Schrott, aber ..." Das Jury-Mitglied hat nachrecherchiert und erklärt: "Die Lösung ist hoch intelligent und das Geschäftsmodell dahinter ist für mich genial!" Die Argumente überzeugen, der Bewerber wandert doch noch in eine erste Shortlist, die noch sieben Finalkandidaten zählt.


In einer Abstimmung kürt die unabhängige Jury daraus schliesslich fünf Newcomer-Finalisten. "Der vielleicht einfachere Teil ist durch," sagt einer und bittet um eine Pause. Es warten noch Dutzende von Bewerbungsdossiers, aus denen die Finalisten für den Swiss ICT Award gekürt werden.

Unabhängige, nationale Fachjury

Ursula Bettio (Swiss IT Magazine, Co-Präsidentin), Reto Schmid (Erni Consultants, Co-Präsident), Frédéric Bagnoud (CimArk SA/Alp ICT), Rolf Bischofberger (Switzerland Global Enterprise), Dr. Hellmuth Broda (Perkin Elmer), Florian Büchting (WEIDMANN Group), Fabrice Delaye (Bilan), Michel Jaccard (id est avocats sàrl), Geri Moll (Noser Engineering), Barnaby Skinner (SonntagsZeitung), Simone Tettamanti (Cornèr Banca)
Im August werden die Finalisten bekannt gegeben und Einladungen zur Gala-Vergabe an swissICT-Mitglieder versandt. Neu können auch Eintrittstickets käuflich erworben werden.
Gala: 15.11.2016, KKL Luzern
www.swissict-award.ch



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