Digitalisiert sich die Schweizer Landwirtschaft?
Quelle: SPREAD

Digitalisiert sich die Schweizer Landwirtschaft?

Von Fridel Rickenbacher

Big Data, IoT, Roboter, Automatisierung und Drohnen: «Smart Farming» könnte und müsste Einzug halten in der Schweiz.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/04

     

Die Evolution oder allenfalls Revolution durch die digitale Transformation macht auch bei den meisten der über 50'000 Landwirtschaftsbetriebe der Schweiz nicht halt. Sie kann je nach Betriebsgrösse oder administrativer Organisation die Wirtschaftlichkeit und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit steigern. Die von einem schwierigeren Umfeld und von Transformationsdruck betroffenen Landwirtschaftsbetriebe werden zunehmend dazu gedrängt, Innovationen zu adaptieren, welche ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen sowie den Ist-Zustand sichern.
Dies ist auch gegenüber ausländischen Mitbewerbern nötig.

Brachliegendes Potential

Es gibt in der Landwirtschaft schon länger zahlreiche digitale Helfer und teil-, oder volldigitalisierte Automaten wie z.B. GPS-Systemnutzung, Melkautomaten, Fütterung, Düngung, Saat, Waldbewirtschaftung, Transport, Logistik, Datenerfassungen, Ortung, Alarmierungen, Mähroboter, Sensorik, Maschinen- und Landmaschinen-Steuerungen oder auch vollintegrierte mobile Lösungen.
Vielfach sind aber solche Systeme infolge fehlender Vernetzung oder unvollständiger Integration suboptimal im Betrieb. Entsprechend liegt Ausbau-Potential brach, das zeigen u.a. die Gespräche mit Bauernpräsident Ritter (s. Folgeseiten) oder Politiker und IT-Unternehmer Franz Grüter.
Technologien rund um Drohnen, Robotik, Big Data, Internet of Everything und Data Analytics sind heute besser integrierbar und dank Cloud Services nutzbar für jedes Budget – also auch für jede Betriebsgrösse und als Basis auch für Anwender ohne spezielles EDV-Wissen. Zudem sind sich die meisten bäuerlichen Betriebe bereits gewohnt, zeitlich relativ viel in elektronische Administration zu investieren.
Die Cloud-Services sind heute intuitiv nutzbar und stellen den Bauernbetrieben und deren Lieferanten (Maschinen, Systeme, Automaten) völlig neue Möglichkeiten zur Verfügung.

Angebote in Aus- und Weiterbildung aufbauen


Entsprechend wird sich auch das Anforderungsprofil der Fachkräfte in der Landwirtschaft weiterentwickeln oder wandeln müssen, und dies nicht nur in Organisation und im Marketing, sondern auch im «Digitalen».
Seitens z.B. des Bauernverbandes und des Bunds würde Unterstützung in Form von Kursen angeboten. Bisher bestand im «Digitalen» aber noch kein akut nachgefragter Bedarf und es wird entsprechende weitere Impulsprogramme oder Angebote brauchen.
Ein erster Schritt hin zum «Smart Farming», so die Experten, könnte bereits die gezieltere technische und prozessmässige Vernetzung der Betriebe untereinander sein.

Ist «Smart Farming» in der Schweiz möglich?

Die Schweizer Landwirtschaftsbetriebe sind in Bezug auf Grösse, Betriebsart, Produkte, Höhenlage oder der Fragmentierung der Landflächen sehr unterschiedlich. Dies erschwert eine nachhaltige Modernisierung (neben der Optimierung von Administration und Effizienz durch Digitalisierung) mit standardisierten Lösungen.
Offenbar sind Betriebsgrösse und Betriebsstandort entscheidend, ob Robotisierung und Digitalisierung möglich sind und wie weitgehend. Aus diesem Grund ist die Industrialisierung der grossflächigen Landwirtschaft z.B. im grossen Nachbarkanton Deutschland (oder den USA) weit(er) vorangeschritten, z.B. bei der Getreideernte und der konsequenteren Nutzung von Daten und verfügbaren Systemen.
Zudem sind in der Schweiz (wie auch in der EU) einzelne gesetzlich noch offene Teilaspekte zu klären in Themen wie z.B. Pflanzenschutz, Drohneneinsatz und Flächennutzung.

«Datenberge» statt «Butterberge»?

Weil bei jedem Betriebsablauf, in Prozessen und mit Sensoren sowie bei Produkten und Tieren immer mehr Daten entstehen und erfasst werden, sollte es nun darum gehen, diese bis anhin vielfach brachliegenden Daten zu nutzen. Denn sie sind wiederverwendbar und vor allem weiter entwickelbar.
Dabei sollte verhindert werden, dass nicht wieder unnütze «Berge» entstehen wie Ende der 1970er Jahre mit den «Butterbergen», als Butter auf Halde produziert wurde. Es bleibt zu hoffen, dass es im Bereich «Datenberg» keine weitere Regulierung oder keinen Quotenerlass braucht wie damals bei der aus dem Butterberg resultierenden «Milch-Quote».
Im Gegenteil: Für Big Data und IoT kann und wird es nie Quoten geben dürfen, damit deren Potential vollumfänglich genutzt werden kann. Das Auswerten und Nutzen solcher «Datenberge» könnte auch diverse Vorteile generieren durch «Data Analytics» oder «Predicted Computing». Als Beispiele zu nennen sind hier Aufzeichnungspflichten, Wettervorhersage, Bodenverdichtung, Feuchtigkeit, Zustandswerte (Maschinen, Felder, Früchte, Tiere) und die daraus resultierenden Vorhersagen und Trends, welche Effizienzsteigerungen ermöglichen.

Zukunft des «digitalisierten» Bauernhofs

Bei anderen effizienzoptimierenden oder vom Fachkräftemangel «gebeutelten» Branchen ist es schon länger der Fall, künftig werden auch in der Schweizer Landwirtschaft Innovationen adaptiert werden und es wird wohl zunehmen, dass «autonome Robotik und Automatisation» einzelne Arbeiten oder Saisonarbeiter unterstützen oder gar ersetzen.
Zunehmen wird auch, dass die Nachfolgegenerationen in den Landwirtschaftsbetrieben keine Kompromisse mehr eingehen wollen, was die Mobilität und den Freiheitsgrad ihrer
Arbeit angeht.
Das wird hier zur Folge haben, dass ein «moderner» Landbewirtschafter von sämtlichen cloudbasierten Technologien profitieren und sie zu seinem Vorteil nutzen will. Und zwar standortunabhängig im Stall, im Betrieb, zuhause, aus dem Feriendomizil, für seine Stellvertretung, auf dem Traktor und auch geräteunabhängig (von der Smartphone-App bis zum Stall-PC).
Aktuell stehen viele Betriebe vor der Übergabe an die nächste Generation, und sie tun gut daran, die Attraktivität des Betriebes und des Berufsstandes zu festigen und auszubauen, indem sie den Weg in die Digitalisierung vorbereiten, die Vernetzungstiefe ihrer Betriebe ausbauen und teilweise gar visionäre Entscheidungen treffen.



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