Robo mit Köpfchen
Quelle: swiss made software

Robo mit Köpfchen

Die Finanzkrise hat auch im Bankwesen die Digitalisierung forciert. Viele Beobachter sehen gar das Ende des klassischen Beratungsgeschäfts.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2015/10

     

Robo Advisor gelten als Zukunftsmarkt im gehypten Fintech-Sektor. Klar im Vordergrund steht dabei die Automatisierung der Vermögensverwaltung. Je weniger Menschen involviert sind, umso besser, am besten gar keine. Gemäss dem Markforschungsunternehmen Corporate Insight werden bereits 21 Milliarden Dollar so verwaltet. Vorne mit dabei sind Firmen wie Wealthfront, Betterment oder auch Charles Schwab.
Einen etwas anderen Ansatz verfolgt das Schweizer Start-up Investglass. Anstatt dem Credo, der Konkurrenz zu folgen und Berater abzulösen oder zu schwächen, will das Unternehmen diese stärken. Dazu hat man ein Tool entwickelt, das eine Mischung aus CRM, Compliance Management und künstlicher Intelligenz (KI) darstellt. Gleichzeitig soll es den Kunden ins Zentrum stellen, indem es alle für ihn relevanten Informationen übersichtlich darstellt.

«Ich komme aus dem Bankwesen und habe viel mit Bloomberg oder Reuters gearbeitet. Diese Werkzeuge sind heute einfach veraltet», erklärt Alexandre Gaillart, Gründer und CEO von Investglass. «Deshalb entwickelte ich das Tool, das ich immer wollte.» Das war die Grundidee. Weitere Impulse gab die Finanzkrise mit den daraus resultierenden verschärften Compliance-Vorschriften wie Mifid II. «Zuerst war Investglass als Vitamin gedacht, jetzt ist es auch noch ein Schmerzmittel.»

Berater sind nicht passé

Investglass differenziert sich weiter dadurch, dass es ein White-Label-Produkt ist und keine eigene Strategie mit der Anlageberatung verbindet. Die Kunden sind Banken und die eingebaute KI wird mit Hinblick auf die hauseigene Strategie optimiert. Teil der Analysen sind also nicht nur externe Quellen wie Bloomberg oder Reuters, sondern auch die hauseigene Compliance, das Risiko Management und das Research.
Ein gutes Beispiel ist die sogenannte Portfolio Drift, also wenn die Gewichtung der Anlagen in einem Portfolio von den Abmachungen mit dem Kunden abweicht. Dies kann leicht geschehen, wenn ein Kunde Sonderwünsche äussert. Investglass zeigt dies nicht nur an, sondern liefert gleichzeitig Vorschläge, um diesen Drift zu korrigieren – und zwar entlang der Präferenzen des Kunden und unter Einhaltung der Compliance. Es dürfen also nur Anlagen vorgeschlagen werden, die ein Kunde auch handeln darf. All dies wird dem Berater jederzeit übersichtlich zur Verfügung gestellt.
Für grosse Kunden sind solche Werkzeuge schon heute im Einsatz. Durch Investglass steht diese Technologie jetzt einem grösseren Kundensegment zur Verfügung.

Keine Angst vor den USA

Gaillard sieht sich mit seinem Modell durchaus gefeit gegen die Konkurrenz der grossen Advisor aus den USA. «Es dauerte zehn Jahre bis die verwalteten Vermögen der 100-prozentigen Robos zwei Milliarden erreichten. Bei der UBS managen eine Handvoll Banker solche Summen jeden Tag», meint er. Ausserdem sei das Onboarding notorisch schwierig. «Wer kauft schon etwas, das er nicht kennt.» Zusätzlich werden Kunden ab einer bestimmten Summe für zentrale Fragen ein menschliches Gegenüber wünschen – ob Face-to-Face oder am Telefon. Matchwinner ist dann das Unternehmen, das den Berater im richtigen Moment einsetzt und mit den richtigen Informationen bewaffnet. Anders formuliert: 100 Prozent Robo ist schlecht – 100 Prozent Mensch aber auch. Gaillard bezeichnet seine Lösung als machine-approved-human-to-human.
Investglass geht aber noch einen Schritt weiter und dient auch als Engagement Tool. Durch die Integration der internen Ressourcen liefert das System dem Berater Gründe, einen Kunden aktiv anzugehen. «Fallende Kurse in China sind keine Story. Das weiss jeder. Ein neuer Bericht des hauseigenen Head of Research mit Bezug zu den im System vermerkten Kundenpräferenzen hingegen schon», meint Gaillard.


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