Datenaustausch über die Wolke

Von Christian Otten und Michael Ulbricht

Seit vielen Jahren gehört EDI zum Alltag grosser Konzerne. Dank der Cloud kommen nun auch immer mehr KMU auf den Geschmack des elektronischen Datenaustauschs.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/03

     

Über alle Branchen hinweg ist die gesamte Geschäftswelt geprägt von ständigen Verbesserungen und fortschreitender Automatisierung von Prozessen und dem massiven Einsatz von IT - und somit einer fortwährenden Veränderung unterworfen. Die Automatisierung von Absatz- und Beschaffungsprozessen spart in hohem Masse Kosten ein, erhöht die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens und verbessert so die globale Wettbewerbsfähigkeit – was insbesondere auch für Schweizer Firmen wichtig ist. Dabei setzt Automatisierung einen hohen Grad an Standardisierung voraus. Standardisierte Formate bilden somit auch eine wichtige und zentrale Grundlage für einen schnellen und effizienten Daten- und Informationsaustausch zwischen Geschäftspartnern.
An dieser Stelle setzt Electronic Data Interchange (EDI) an, also der direkte und automatisierte Austausch von strukturierten Geschäftsinformationen zwischen den IT-Systemen von Geschäftspartnern über standardisierte Schnittstellen und Formate (siehe Kasten unten). EDI ist in verschiedenen Branchen, zum Beispiel der Automobilindustrie und Chemie, seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz. Dies allerdings begleitet von relativ hohen Investitions- und Betriebskosten, weshalb bisher vornehmlich grosse Unternehmen entsprechende Lösungen einsetzen. Dabei könnten Einsparungen von bis zu 90 Prozent, hinsichtlich der Bearbeitungskosten gegenüber manuellen Prozessen, erreicht werden.

EDI aus der Cloud versus Inhouse-Lösung

Ein grosser Posten auf der Ausgabenseite von modernen Unternehmen ist die IT-Infrastruktur. Sie wächst historisch aufgrund von Expansion, mit sich ändernden, länderbezogenen rechtlichen Gegebenheiten und – nicht zu vergessen – mit den Anforderungen von Handelspartnern. Das hat zur Folge, dass auch kleinere Handelsunternehmen eine grosse IT-Mannschaft einsetzen müssen, um ihre IT-Infrastruktur zu verwalten. Für Lieferanten verschärft sich die Situation noch einmal, da sie förmlich gezwungen werden, die unterschiedlichen Anforderungen der Handelsketten zu erfüllen.
Verschiedene EDI-Portale und die eigene IT-Infrastruktur zu konsolidieren ist mit hohen technischen Anforderungen verbunden – deshalb schrecken viele Unternehmen vor dem Einsatz von EDI zurück. Verschiedene IT-Dienstleister bieten EDI heute deshalb nicht mehr nur als traditionelles Inhouse-System, sondern auch als Dienstleistung an, als EDI as a Service (EDIaaS) oder EDI aus der Cloud.
Firmen, die EDI bisher noch nicht nutzen, kann EDI aus der Cloud einen schnellen und kostengünstigen Einstieg bieten. Die Entscheidung, welche Bereitstellungsform Lieferant und Handelskette für EDI wählen – Cloud-Computing oder eine Inhouse-Lösung – hängt im wesentlichen von Faktoren wie der Unternehmensstruktur und der Einbindung der Geschäftspartner ab. Wenn die Verlagerung der Infrastruktur an einen externen Dienstleister generell möglich ist, bietet die Cloud-Variante jedoch einige Vorteile gegenüber dem selbst-gehosteten Dienst:
Kosten: Bei EDI aus der Cloud übernimmt der Dienstleister die Partnerrekrutierung, das Projektmanagement, die Anbindung der Partner inklusive Mapping, Monitoring, Helpdesk-Dienste und den Support. Je nach Modell fallen die laufenden Kosten abhängig von der Anzahl der ausgetauschten Dokumente, der angebundenen Partner oder auch dienstleistungsabhängig an. Ausgaben für eigenes Personal oder neue Hard- und Software und die damit verbundenen Folgekosten entstehen nicht, wie das bei der Inhouse-Variante der Fall ist. Unter dieser Prämisse ist EDIaaS generell die günstigere Variante. Zudem erkennen Unternehmen über die Service-Verträge genau, was sie zu bezahlen haben – und das schon im voraus. Somit können sie besser kalkulieren und verfügen über mehr Transparenz im EDI-System.


Unterschiedlichen EDI-Standards genügen: Durch die schon genannten unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Handelsketten an Kommunikationskanäle, Formate, Standards und Prozesse entsteht besonders bei Lieferanten mit einer Inhouse-EDI-Lösung ein immenser Aufwand, um die verschiedenen Schnittstellen zu verwalten und zu pflegen. Erschwerend kommt hinzu, dass es für EDI verschiedene länder- und branchenspezifische Standards gibt. Sie sind hinsichtlich ihrer Struktur oder der eingesetzten Dokumententypen nicht zwingend kompatibel zueinander. Bei der Integration seiner weltweiten Handelspartner muss daher jedes Unternehmen darauf achten, genau diese unterschiedlichen Standards zu integrieren. Verschiedene Anforderungen und Standards in eine einheitliche EDI-Infrastruktur zu integrieren, übernimmt bei einem EDI-Angebot aus der Cloud der Outsourcing-Partner. Das Unternehmen kann sich somit auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Ein weiterer Pluspunkt: EDIaaS bietet bessere Möglichkeiten, den Datenaustausch zu überwachen, da ein externer Dienstleister in der Regel über bewährte Support-Systeme und Eskalationsszenarien verfügt. Darüber
hinaus sorgen hier Service Level Agreements (SLAs) und zuverlässige Help-Desk-Strukturen für zusätzliche Stabilität.

Projekterfahrung inklusive: Neben dem technischen Know-how bringt ein externer Application Service Provider umfangreiche Projekterfahrung mit und kann auf zahlreiche Referenzen zurückgreifen. Da er schon unterschiedlichste technische Anforderungen bei einer Vielzahl von Kunden realisiert hat, verfügt er über mehr Erfahrung als ein einzelnes Unternehmen sie haben kann. Dadurch kann er neue Partner schneller und sicherer anbinden («sicher» im Sinne von technisch belastbar und den Compliance-Anforderungen entsprechend). Ein externer Ansprechpartner sorgt auch dafür, dass neue Handelspartner reibungslos in die bestehenden Prozesse eingebunden werden. Dies geht sowohl, wenn Handelsketten ihre Lieferanten einbinden wollen, als auch im umgekehrten Fall. Hier wirken sich Fachwissen und Kompetenz des Outsourcing-Partners aus. Zudem kann ein externer Anbieter die Skepsis neuer Partner überwinden: Der Dienstleister verfügt über das Know-how, um Vorteile und Nutzen des elektronischen Datenaustausches mit EDI zu erklären und Mitarbeiter des neuen Partners eventuell zu schulen. Insgesamt verkürzt sich damit die Projektzeit im Vergleich zu Inhouse-Lösungen erheblich.


Auswahl eines EDI-Anbieters
Unternehmen mit einer Inhouse-EDI-Lösung haben in der Regel eine grosse eigene IT-Abteilung, die die Infrastruktur unterhält. Daraus sind teilweise Ausgründungen entstanden. Diese bieten ihre Dienste und ihr Know-how als externen Service auch anderen Firmen an. Dies gibt ihnen die Möglichkeit, sich zu refinanzieren. Wegen des Fokus auf EDI und aufgrund ihrer Branchenkompetenz sind diese Anbieter willkommene Partner für ein EDI-as-a-Service-Projekt.
Ein anderer Ansatz setzt bei der Auswahl eines externen Dienstleisters auf IT-Unternehmen, die ein möglichst breites Spektrum an IT-Lösungen anbieten. Besonders vorteilhaft ist das, wenn das Portfolio neben EDI-Dienstleistungen beispielsweise auch eigene Warenwirtschaftslösungen umfasst. Die Projekt­implementierung wird einfacher, und es entstehen weniger Fehlerquellen: Stammen ERP-System und EDI-Service von einem Anbieter, müssen projektabhängige Schritte, beispielsweise die Definition und Umsetzung der Verpackungseinheiten wie Displays, Gebinde und Identifikation der Artikel, nicht mehr doppelt geklärt und ausgeführt werden. Hier liegt ein enormes Einsparpotenzial, da sich die Projektzeit verkürzt. Zudem reduziert der Ein-Anbieter-Ansatz mögliche Fehlerquellen, die auf Missverständnisse zwischen verschiedenen Projektpartnern zurückgehen. Treten dennoch Fehler auf, übernimmt der EDI-Dienstleister die Lösung der Probleme.
Datensicherheit ist ein besonders wichtiges Kriterium, wenn es um das Thema Cloud Computing ganz allgemein geht. Weil die eigenen Daten extern gehostet werden, sollten Unternehmen deshalb auch für EDI aus der Cloud genau auf die Vertrauenswürdigkeit der in Frage kommenden Dienstleister achten. Ein wichtiges Kriterium sind dabei die Sicherheitsklassen für EDI-Datencenter, die Aufschluss über die Datenhaltung und -verfügbarkeit, über die unterstützten Kommunikationskanäle sowie über Zertifizierungen des Prozessablaufes, etwa nach Global Standards One (GS1) geben. Auch Informationen über die Mitarbeiter, die auf die EDI-Daten Zugriff haben, können helfen, die Bedenken zu zerstreuen. Um die Service-Qualität zu garantieren, sollte man ausserdem nur auf Anbieter setzen, die bereits eine EDI-Infrastruktur haben und Referenzen, unbedingt auch aus der eigenen Branche, anfordern.

EDI as a Service für Unternehmen, die EDI bereits nutzen

EDI aus der Cloud ist aber nicht nur für EDI-Neueinsteiger interessant, sondern auch für Unternehmen, die bereits Erfahrung mit dem elektronischen Datenaustausch besitzen und eine eigene EDI-Lösung betreiben. Müssen nämlich beispielsweise neue oder zusätzliche Übertragungswege oder Nachrichtenstandards in die bisherige Inhouse-Lösung integriert werden, um neue Partner einzubinden, oder kommen neue und zusätzliche internationale Besonderheiten zum Tragen, kann dies über EDI-Cloud-Dienste im Rahmen von hybriden Modellen umgesetzt werden. Somit lassen sich interne Abstimmungs- und Anpassungsaufwände minimieren und das Risiko verlagern.
Darüber hinaus kann auch ein genereller Umstieg auf eine Cloud-EDI-Lösung sinnvoll sein. Die Planungen beziehungsweise Überprüfung dieser Option sollte idealerweise vor dem nächsten fälligen Update, beziehungsweise vor Ablauf der Abschreibungsfrist stattfinden, um entsprechend rechtzeitig die Realisierung beginnen zu können. Beim Umstieg auf Cloud-EDI wird die Rekrutierung und Anbindung der Partner über den Plattform-Dienstleister vorgenommen. Der Cloud-Dienstleister nimmt auch die Integration von EDI-Standards vor, die gegebenenfalls zwischen Lieferant und Besteller abweichen. Dies gilt ebenso für differierende Prozesse und Formate (zum Beispiel differierende Verpackungsgrössen etcetera).

Fazit

Bis elektronische Daten produktiv ausgetauscht werden können, ist es oft ein langer Weg. Dabei darf EDI nicht als rein «technisches Programm» gesehen werden. Vielmehr geht es darum, Technik und Geschäftsprozesse sinnvoll zu integrieren. Unternehmen haben mit der Einführung von EDI die Chance, auch die Organisation ihres Geschäftsdatenaustauschs neu zu ordnen und zu optimieren.
Die Pflege des EDI-Systems hört allerdings nicht mit dessen Implementierung auf. Vielmehr sollten Unternehmen ihren elektronischen Geschäftsdatenaustausch an die Geschäftsentwicklung laufend anpassen. Spätestens hier werden die Vorteile von EDIaaS deutlich: Das notwendige Know-how im Unternehmen aufrechtzuerhalten, ist aufwendig und teuer. Bedenken, die eigenen Daten an eine externe Plattform zu geben, können mit den richtigen Auswahlkriterien zerstreut werden. Insgesamt profitieren Unternehmen von EDI aus der Cloud in vielerlei Hinsicht, vor allem aber finanziell.


Christian Otten und Michael Ulbricht sind verantwortlich für die Umsetzung von EDI-Projekten sowie die EDI-Produktentwicklung in der DACH-Region des Software-Herstellers Comarch.


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