Lokale versus internationale Business Software

Eine Firma, die auf der Suche nach einer neuen Business Software ist, muss sich die Frage stellen, ob sie einen lokalen Anbieter oder eine internationale Lösung wählt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/11

     

Weltweit werden Unternehmen in diesem Jahr 120,4 Milliarden Dollar für Enterprise Application Software ausgeben – 4,5 Prozent mehr als 2011, wie die Marktforscher von Gartner prognostizieren. Trotz des steigenden Ausgabevolumens ist der Markt für Business Software hart umkämpft, tummeln sich doch unzählig viele Anbieter in diesem Segment – insbesondere auch in der Schweiz. Dabei müssen sich die zahlreichen Schweizer Software-Entwickler nicht nur gegen die lokale Konkurrenz durchsetzen, sondern insbesondere auch gegen die internationalen Giganten wie SAP oder Microsoft. Und für die Unternehmen, die auf der Suche nach einer neuen Business Software sind, stellt sich angesichts der unglaublichen Angebotsflut die Frage, welche Vorteile sich durch den Einsatz einer lokalen Lösung ergeben und welche Punkte für die Wahl eines internationalen Anbieters sprechen.

Urs P. Amrein, Opacc Software: Statement für lokale Business Software

«Es wird immer schwieriger, Nähe zu definieren, je digitaler unser Privat- und Geschäftsleben wird. Das gilt besonders auch für Kundennähe. Gemäss Duden ist die Definition allerdings nicht kompliziert, bedeutet Nähe doch unter anderem eine geringe Entfernung und eine enge Beziehung, während Kundennähe als «Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden» definiert wird.
Womit sich die Frage stellt: Wie nahe müssen wir am Kunden sein, damit wir uns an seinen Bedürfnissen orientieren können? Für Kunden ist die Antwort klar. Sie wollen, dass ihre Software-Lieferanten so nahe wie möglich sind – vor allem dann, wenn sie sie brauchen. Gemeint ist in diesem Fall echte Nähe, nicht virtuelle Nähe oder Nähe durch einen Stellvertreter. Deshalb ist der Einsatz von Business Software eines lokalen Anbieters zu bevorzugen.
Wenn nämlich bei der Installation oder der Anwendung einer Software Fragen oder Probleme auftauchen, nützt eine schöne Facebook-Seite genauso wenig wie die Telefonnummer eines Support-Centers in Indien oder eine Diagnose-CD. Das hat die letzte Studie «ERP in der Praxis – Anwenderzufriedenheit, Nutzen und Perspektiven» des IT-Beratungshauses Trovarit aufgezeigt: Fast 2500 Unternehmen haben daran teilgenommen und haben dabei 50 ERP-Systeme (28 aus der Schweiz) bewertet. Die besten Noten erhielten dabei die relativ kleinen und lokalen Anbieter von ERP-Systemen, die ihre Projekte selber durchführen. Jene Anbieter, die offen und intensiv mit ihren Kunden kommunizieren, werden da überdurchschnittlich gut bewertet – unter anderem deshalb, weil kleinere, lokale Anbieter durch ihre überschaubare Kundenbasis in der Lage seien, Kundenbeziehungen intensiver zu pflegen. Umso empfindlicher reagieren die Kunden, wenn die Distanz plötzlich vergrössert wird – zum Beispiel weil ein Ansprechpartner, an den man sich gewöhnt hat, nicht mehr verfügbar ist. In diesem Fall gibt es plötzlich nicht mehr so gute Noten für den Software-Lieferanten.

Echte Kundennähe und Kommunikation sind also äusserst wertvoll und zeigen sich etwa darin, dass die Kommunikationswege kurz sind. Man versteht sich, unter anderem deshalb, weil man erreichbar ist, die gleiche Sprache spricht und am Morgen ungefähr zur gleichen Zeit im Büro ist – Zeitverschiebung spielt keine Rolle. Dasselbe gilt auch für die angebotene Software: Regionale und lokale Gegebenheiten wie etwa Mehrwertsteuersätze, Rundungen und Zahlungsgepflogenheiten sind von Grund auf implementiert. Lokal heisst eben auch nahe beim Kunden – die Mentalität der Software entspricht der Mentalität des Nutzers. Software made in Switzerland zeigt da ihre ganz grosse Stärke. Dem entsprechenden Label Swiss Made Software gehören inzwischen rund 160 Unternehmen an, die damit punkten, dass sie ihre Programme in der Schweiz herstellen, und damit ihrer Marke wohlbekannte Schweizer Eigenschaften verleihen. Werte wie Qualität, Zuverlässigkeit und Präzision sind gerade in der Software-Entwicklung von grösster Wichtigkeit. Das ist übrigens einer der Gründe dafür, weshalb sich auch die Giganten der Software-Branche in der Schweiz niederlassen: Sowohl Google als auch IBM betreiben hierzulande Forschungsbetriebe und profitieren von den Fähigkeiten und dem Know-how lokaler Mitarbeiter. Was für die ganz Grossen gilt, passt für die kleinen und mittleren Unternehmen genauso: Es sind die lokalen Mitarbeiter, die Software-Hersteller mit örtlichem Know-how versorgen. Sie kennen die Schweiz und oft auch die Bedürfnisse und Anforderungen der potentiellen Kunden. Der Arbeitgeber wiederum kennt den verfügbaren Talent-Pool. Er weiss, worauf er bei Neuanstellungen zu achten hat.
Trotzdem schliessen sich Lokalität und Internationalität natürlich gegenseitig nicht aus. Auch ein lokaler Schweizer Anbieter kann seine Software für den internationalen Einsatz spezialisieren, wenn der Kunde das wünscht. Schliesslich gibt es unzählige Schweizer Firmen, die hier ihren Hauptsitz haben, aber internationale Geschäfte mit Niederlassungen vor Ort angehen – weil eben lokales Wissen durch Nichts zu ersetzen ist.»


Urs P. Amrein ist Marketing Manager und Partner bei Opacc Software in Kriens.

Stephan Sieber, SAP Schweiz: Statement für internationale Business Software

«In einer globalisierten Wirtschaft kaufen Unternehmen dort ein, wo die Leistungen am besten zu ihren Bedürfnissen, Ansprüchen und Möglichkeiten passen. Das gilt auch für Software. In unserer vernetzten Welt schaut sich der rational entscheidende Unternehmer bei seiner Software-Beschaffung auf dem globalen Markt nach der besten, passendsten Software für seine Firma um – unabhängig davon, wie gross sein Unternehmen ist und welcher Branche es angehört. Der Lehre vom rational entscheidenden Individuum nach müssten daher alle Software-Anbieter dazu tendieren, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein und global mithalten zu können. Dies umso mehr, als mit Software as a Service und anderen, meist Cloud-basierten Bezugsmodellen die Geografie in der Software-Beschaffung objektiv an Bedeutung verliert.
Tatsächlich sprechen viele Gründe dafür, auf international präsente, tätige und verankerte Software-Unternehmen als Lösungs- und Servicepartner zu setzen. Allein die Präsenz und Aktivität in vielen geografischen und branchenspezifischen Märkten bietet den Kunden dieser globalen Anbieter erhebliche Vorteile. Da ist zum einen die Erfahrung. Wer 200’000 Kunden mit Software versorgt und betreut, weiss erheblich mehr über Bedürfnisse, Problemstellungen und Hindernisse seiner Kunden als ein Anbieter mit 200 Installationen. Dieses Wissen fliesst in die Weiterentwicklung der Produkte ein und kommt den Firmen und Anwendern in Form von Erweiterungen und Zusatzfunktionen zugute.
Ein Handelsunternehmen in Spanien hat es grundsätzlich mit ähnlichen Abläufen und Herausforderungen zu tun wie eines in Holland oder in der Schweiz. Erkenntnisse und Erfahrungen aus Projekten in einer geografischen Region fliessen ins Lösungsangebot und in Implementationen anderer Regionen ein. Allen gemeinsam ist, dass sie vielfach Erprobtes nutzen und damit Sicherheit für den praktischen Software-Einsatz in ihrem Betrieb bekommen.

Zur Sicherheit hinzu kommt die Innovationsgarantie. Der Kontakt zu den führenden Unternehmen jeder Branche kombiniert mit erheblichen Mitteln für Forschung und Entwicklung und internationalen Kontakten in die akademische Forschung und Lehre schaffen die technischen, kulturellen, finanziellen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen, die für die Entwicklung neuer Technologien und Ansätze notwendig sind. So ist es denn auch nicht zufällig, dass technologische Durchbrüche in der Software-Industrie in den letzten 15 Jahren – im Unterschied zu den Frühzeiten der IT-Geschichte – meistens von international tätigen Unternehmen entwickelt oder doch zumindest in den Markt eingeführt und etabliert wurden.
Ein aktuelles Beispiel ist die In-Memory-Technologie. Mit dem rapid wachsenden Datenvolumen sind auch die Anforderungen an die Datenanalyse- und Reporting-Systeme gestiegen. Hier kommen In-Memory-Analysen als zentrale Antwort auf die Herausforderungen durch Big Data ins Spiel, weil sie entscheidende Vorteile mit sich bringen. Gemäss einer Studie des unabhängigen Marktanalyse- und Beratungsunternehmens Pierre Audoin Consultants (PAC) bietet diese Technologie im Urteil der anwendenden Unternehmen «bessere Unterstützung von Ad-hoc-Analysen» und eine «insgesamt erhöhte Reaktionsfähigkeit des Unternehmens». Ein anderes Beispiel ist die Einbindung mobiler Geräte in Geschäftsanwendungen insbesondere für CRM. Dafür braucht es eine Strategie und ein Rahmenwerk für Enterprise Mobility.
Beide Beispiele zeigen: Im Bereich der Geschäfts-Software erfolgt die Differenzierung im Markt nicht mehr über eine funktionierende Finanz- und Lagerbuchhaltung, sondern über Tools und Technologien für den schnellen und zielgerichteten Zugang zu relevanten Informationen – mit dem Ziel, Kunden zu gewinnen, zu halten und zu pflegen. Genau das können international agierende Software-Anbieter mit ihren Systemen, ihrem Know-how und ihrer Breite nachhaltig sicherstellen.

An dieser Stelle kommt gerne der Einwand: Das mag für Grossunternehmen gut und recht sein, kleineren Unternehmen bringt das nichts. Stimmt nicht. Gerade mittelständische Unternehmen fordern beispielsweise eine verstärkte Integration von Technologien für Communication und Collaboration in die Geschäftsanwendungen, wie eine andere PAC-Untersuchung vom Frühling 2012 aufzeigt. Der Grund: Diese Integration birgt ein enormes Potential für Prozessverbesserungen, das auch kleinere Unternehmen für eine effektive Kundenkommunikation ausschöpfen wollen und müssen. Trotz – oder gerade wegen – der Globalisierung haben starke Software-Häuser frühzeitig damit begonnen, eine eigene lokale Präsenz mit entsprechender Kenntnis der schweizerischen Verhältnisse aufzubauen. Im Wissen um die Wichtigkeit sowohl des lokalen und branchenspezifischen Know-hows als auch der physischen und kulturellen Nähe haben die Besten der Branche parallel zu den eigenen Organisationen ein Netz an lokalen Partnern mit tiefer Verankerung in den einzelnen Branchen und Märkten entwickelt. Das eigene lokale und branchenspezifische Know-how kombiniert mit einem sorgsam gepflegten, stetig ausgebauten Partner-Ökosystem schlägt die notwendige Brücke zwischen globaler Aktivität und lokaler Präsenz.»


Stephan Sieber ist Managing Director von SAP Schweiz. (abr)


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