CIO-Interview: «Wir wollen am Arbeitsplatz weiter nur zwei Geräte»
Quelle: zVg

CIO-Interview: «Wir wollen am Arbeitsplatz weiter nur zwei Geräte»

Ob Tablets oder die Cloud: Daniel Zurlinden, IT-Chef der Fenaco Gruppe, beschäftigt aktuell so einiges. Die grösste Herausforderung ist jedoch die Migration auf ein neues ERP.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/11

     

Swiss IT Magazine: Herr Zurlinden, wie kommt man als Buchhalter in die IT und wird CIO einer Unternehmensgruppe mit über 8700 Mitarbeitenden?
Daniel Zurlinden:
Ich hatte während meiner ganzen beruflichen Tätigkeit immer mit Zahlen zu tun. Es hat mich ganz einfach gereizt, einmal etwas anderes zu machen und die IT interessierte mich schon immer. Ich habe in der Fenaco Gruppe in den letzten 30 Jahren in verschiedenen Funktionen immer wieder IT-Projekte geleitet und begleitet und verschiedene IT-Lösungen mit eingeführt. Seit zwei Jahren bin ich nun selbst verantwortlich für die IT und Logistik der gesamten Fenaco. Die Möglichkeit, diese Funktion zu übernehmen, war eine interessante Herausforderung und ich denke, ich habe gut Fuss gefasst.


Wie hat sich die IT der Fenaco Gruppe unter Ihrer Leitung bisher entwickelt?
Mein Vorgänger hat viel Zeit investiert, um unsere vorher sehr dezentrale IT zentraler zu organisieren. Unter seiner Führung ist die Fenaco IT von 30 auf rund 100 Mitarbeitende gewachsen. Viele Aufgaben, die anfänglich im Nebenjob in den verschiedenen Unternehmen wahrgenommen wurden, wurden zentralisiert und einige neue Stellen wurden geschaffen. Damit können wir heute alle Bedürfnisse und zentralen Dienstleistungen der Gruppe abdecken. In meinen zwei Jahren lag das Schwergewicht nun auf der Optimierung der internen Prozesse, damit wir optimal aufgestellt sind.

Können Sie ein paar Beispiele für zentrale und dezentrale IT-Dienstleistungen geben?
Zentral sind beispielsweise der gesamte Netzwerkbereich, der Rechenzentrumsbetrieb und die Bürokommunikation. Dazu kommen laufend neue Projekte, die sinnvollerweise übergreifend eingesetzt werden. Ein Beispiel für eine dezentrale IT-Dienstleistung ist die UFA in Herzogenbuchsee, die selbst Programme für ihren Aussendienst entwickelt, mit denen sie Fütterungspläne rechnen können. Da ist es ein grosser Vorteil, wenn die Entwickler gleich vor Ort sind und die Bedürfnisse des Unternehmens erfassen können.


Arbeiten Sie auch mit externen Partnern?
Ja, das tun wir. Wir haben eine strategische Partnerschaft mit der Firma Bison, die ihren Hauptsitz in Sursee hat. Wir arbeiten mit ihr in zwei Bereichen zusammen. So waren wir an der Entwicklung von Bison Process beteiligt. Das neue ERP-System soll später einen Grossteil unserer alten Lösungen ersetzen und wird heute bereits in verschiedenen Tochterunternehmen eingesetzt. Der zweite Bereich betrifft die 240 noch aktiven örtlichen Landi, für die Bison die gesamte Informatik betreut. Dazu gehören Vor-Ort-Support, aber auch die Entwicklung und Betreuung von Individuallösungen. Ebenfalls pflegen wir eine enge Partnerschaft mit Bison IT Services in den Bereichen Hardware- und Lizenzbeschaffung sowie Support. Weitere Dienstleister, die für uns strategisch wichtig sind, haben wir nicht. Jedoch lassen wir zum Beispiel Internetauftritte oder Webshops oft durch Externe realisieren, weil diese Bereiche punkto Ausfallsicherheit nicht den Stellenwert haben, dass wir sie zwingend selbst machen müssen.

Sie haben die Applikationsentwicklung angesprochen. Was entwickelt Fenaco selbst?
Zentral entwickeln wir wenig. Von unseren 100 Mitarbeitern sind nur etwa 25 Entwickler. Rund die Hälfte davon baut für unsere Kunden Individualanwendungen in der Windows-Umgebung auf .Net-Basis. Die andere Hälfte ist zuständig für die Wartung und die Weiterentwicklung bestehender ERP-Lösungen. Wir haben noch einige alte Warenwirtschaftslösungen in Betrieb, die zum Teil 20 Jahre oder älter sind.

Auf welche ERP-Systeme setzen Sie heute?
Primär auf Bison Process. Für einzelne Branchen, wie zum Beispiel die Fleischbranche, wo die Entwicklung einer eigenen Lösung wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, setzen wir entsprechende Branchenlösungen ein. So haben wir heute bei zwei Firmen SAP im Einsatz.


Was läuft sonst noch auf Ihren Rechnern?
Wir sind zurzeit an der Einführung von Windows 7 und Office 2010. Das Projekt sollte bis Ende Jahr abgeschlossen werden.

Kommen wir von der Hard- zur Software: Wie sieht Ihre IT-Landschaft momentan aus?
Wir haben aktuell rund 3500 Clients, also PCs oder Laptops, in unserem Netz. In den Landi, die wie erwähnt von der Firma Bison betreut werden, sind es noch einmal 2500. Ausserdem haben wir an einigen Standorten im Pilotbetrieb zirka 100 Thin Clients installiert. Im Hinblick auf die nächste Generalerneuerung der Clients wollen wir damit in Erfahrung bringen, ob das Konzept der Desktop-Virtualisierung vielleicht etwas für alle unsere Standorte ist. Ich habe jedoch den Eindruck, dass Thin Clients von den Kosten her derzeit noch nicht günstiger sind als unser bewährtes Konzept mit normalen Clients. Betreut wird die ganze Client-Landschaft von einer zentralen Anlaufstelle, unserem Service Desk mit mittlerweile rund zehn Mitarbeitenden sowie den rückwärtigen technischen Fachbereichen.


Wie behalten Sie angesichts der grosse Anzahl Clients und Software die Übersicht?
Neben notwendigen Werkzeugen wie zum Beispiel Inventarisierung, Software-Verteilung oder Monitoring haben wir vor kurzem eine E-Procurement-Lösung für das interne Bestellwesen von Hardware, Software oder Büromaterial eingeführt. Darin kann man auch die ganze User-Mutation abhandeln. Ausserdem dient die Lösung als Informationsplattform, auf der sich die verschiedenen IT-Verantwortlichen unserer Tochtergesellschaften darüber informieren können, wie ihre IT aussieht, also welche PCs sie im Einsatz haben und für was sie was bezahlen.

Wie sieht es auf Server-Seite aus?
Wir betreiben in unseren beiden nationalen Rechenzentren in Winterthur und Sursee rund 600 Server, darunter 250 virtuelle. Wir sind laufend daran, weitere umzustellen. Unser Ziel sind mindestens zwei Drittel, also 400. Allerdings weisen uns die eingesetzten Software-Lösungen zum Teil noch in die Schranken.

Und was ist mit Tablets?
Wir «akzeptieren» Tablets, aber nur wenn jemand auch spezielle Anforderungen vorweisen kann. Das heisst, es braucht eine Sondergenehmigung. Die gibt es zum Beispiel für Mitarbeiter, die viel im Ausland unterwegs sind und viele E-Mails zu bearbeiten haben.


Wieso diese Zurückhaltung?
Wir wollen, dass am Arbeitsplatz weiterhin nur zwei und nicht drei Geräte genutzt werden. Und im Moment ersetzt das Tablet in unseren Augen weder ein Smartphone noch ein Notebook. Wir warten deshalb erst einmal zu und schauen, wie sich die Sache entwickelt. Eine Kombination aus Tablet und Notebook könnte für uns allenfalls interessant sein. Vielleicht kann für jemanden, der nicht so hohe Anforderungen hat, aber auch schon ein Tablet mit Windows 8 ein Notebook ersetzen.

Wie viele Smartphones zählen Sie aktuell?
Wir haben im Mobile-Bereich einen Rahmenvertrag mit Swisscom. Über den laufen derzeit rund 3700 Handys, die wir mehr oder weniger betreuen. Davon sind im Moment rund 900 mit Push-Mail ausgestattet.

Was meinen Sie mit «mehr oder weniger betreuen»? Setzen Sie eine Mobile-Device-Management-Lösung ein?
Nein, die Geräte können frei benutzt werden. In einem Projekt schauen wir uns die Sache zurzeit aber genauer an. Dabei geht es sowohl um den Smartphone- als auch um den Tablet-Bereich und um die Fragen, welche Betriebssysteme wir unterstützen und wie wir die Geräte als Service beziehungsweise Dienstleistung anbieten wollen. Und auch der Schutz der Geschäftsdaten ist ein wichtiges Thema.


Wie weit fortgeschritten ist dieses Projekt?
Wir sind an der Evaluierung einer Software, die es ermöglicht, auf einem Smartphone einen Privat- und einen Geschäftsbereich zu erstellen, der speziell geschützt ist. Wir schauen uns momentan drei bis vier Produkte an und wollen uns bis Ende dieses oder Anfang nächstes Jahr entscheiden.

Wie steht es um das Hype-Thema BYOD?
Bring your own Device ist für uns derzeit kein Thema, wir unterstützen nur Geschäftsgeräte. Das sind heute zum grössten Teil iPhones. In Zukunft dürften einige Windows Phones dazukommen. Die Plattform wird immer interessanter und dürfte einiges verändern. Android unterstützen wir nicht.

Neben diesen Herausforderungen im Mobile-Bereich: Wo drückt der Schuh sonst noch?
Bei uns ist heute jedem Mitarbeiter auf jeder Stufe klar, dass ohne IT bald nichts mehr geht. Die IT ist bei uns, wie in fast allen anderen Firmen auch, zum Herzstück des Unternehmens geworden. Wenn sie nicht funktioniert, funktioniert nichts mehr. Gleichzeitig spüren wir in allen Märkten, in denen wir tätig sind (Landwirtschaft, Nahrungsmittelindustrie und Detailhandel) einen grossen Preisdruck, der nur mit stetigen Optimierungen aufgefangen werden kann. Und gerade im Bereich der Effizienzsteigerung spielt die IT eine wichtige Rolle. Wenn es um Kostenoptimierungen geht, dann ist sie heute immer in irgendeiner Form involviert. Was das betrifft haben wir bei uns sicher noch Potential, wenn wir die Wertschöpfungsketten unter Einbezug der Lieferanten und Kunden weiter optimieren können.

Apropos Kostenoptimierungen und Preisdruck: Wie sieht Ihr IT-Budget aus?
Wenn ich das IT-Budget 2012 anschaue, so entspricht dies in etwa dem des letzten Jahres. Für 2013 stecken wir erst in der Vernehmlassung. Aufgrund der eingereichten Projekte gehe ich aber davon aus, dass es konstant bleiben wird. Es ist zwar so, dass die Aufgaben der IT eher zunehmen, sie greift in immer mehr Geschäftsbereiche ein. Mein Ziel ist es aber, dies mit bestehenden Budgets zu meistern, also mit Effizienzsteigerungen mehr Leistung zu erzielen.


Gibt es weitere aktuelle Herausforderungen?
Ja, einige. Das derzeit sicher grösste Projekt und die grösste Herausforderung ist jedoch die Erneuerung unserer ERP-Landschaft, die ich bereits erwähnt habe. Wir haben zusammen mit Bison eine längere Entwicklungsphase hinter uns und haben 2009 mit der breiteren Einführung von «Bison Process» begonnen. Das System läuft seit geraumer Zeit im Departement Landesprodukte, also an sechs Standorten mit rund 40 Usern. Seit letztem Jahr ist die Gesamtlösung auch bei Landi Schweiz, der Marketing-Organisation der Landi-Läden, im Einsatz. Dort sind es mehr als 100 Nutzer, die aktuell damit arbeiten. Und im Moment sind wir am Rollout bei der im Brenn- und Treibstoffhandel tätigen Firma Agrola, mit ebenfalls rund 40 Usern. Geplant ist, dass der Prozess in der Fenaco Gruppe bis etwa im Jahr 2015 abgeschlossen ist. Wir wollen Bison Process aber auch in allen rund 250 Landi einführen. Dort wurde im vergangenen Jahr ein Pilotprojekt abgeschlossen, das heisst, eine Landi hat gewechselt. Nun ist geplant, im ersten Halbjahr 2013 zwei weitere Landi zu migrieren und dann den gesamten Rollout zu starten. Wie lange die gesamte Migration in den Landi dauern wird, kann ich aktuell noch nicht sagen.

Ist die Cloud für Sie auch ein Thema?
Ja, das ist sie. Cloud Computing ist für uns in zwei Beziehungen interessant. Wir verfolgen im Rahmen der angesprochenen Bison-Process-Einführung bei den Landi das Projekt ZILA (Zentrale IT Landi). Dessen Ziel ist es, dass die Landi in Zukunft alle ihre Software-Leistungen zentral von der Fenaco IT beziehen können und vor Ort mit Ausnahme von Thin Clients oder Laptops eigentlich nichts mehr brauchen. Wir bauen also eine Private Cloud auf. Eine Landi bezieht ihre Lösungen bereits auf diesem Weg, bis Ende Jahr folgen zwei weitere. Das zweite Cloud-Projekt ist auch im Bereich Private Cloud anzusiedeln – externe Cloud-Lösungen sind für uns noch kein Thema. Wir haben eine Roadmap, in der wir langfristig schauen, wie wir unsere Rechenzentren und Server weiterentwickeln wollen. Im Rahmen dieses Fahrplans möchten wir bis 2015 soweit sein, dass wir als Fenaco IT gegenüber unseren internen Kunden wie ein Cloud-Anbieter auftreten können. Auf der einen Seite erhoffen wir uns, dass wir auf die Wünsche unserer Kunden dadurch noch schneller reagieren können. Auf der anderen Seite werden wir als Cloud-Anbieter gegenüber unseren internen Kunden auch transparenter sein was die Kostenverrechnung anbelangt.


Das ist ein gewaltiges Projekt…
Ja, das Projekt ist ambitiös. Unsere Erfahrungen zeigen, dass man mit Technologien für die Cloud bereits weit ist. Im Software-Bereich ist es in einigen Fällen hingegen noch schwierig, da im Markt weiterhin viele Lösungen existieren, die entwickelt wurden, ohne daran zu denken, wie sie in der Cloud betrieben werden sollen. Von dort her sind uns augenblicklich noch einige Grenzen gesetzt. Hinzu kommt, dass viele Cloud-Lösungen heute auf Unternehmen zugeschnitten sind, die rein administrative Arbeitsplätze haben. Bei uns sind die Applikationen immer vernetzt, ob mit Produktionssteuerung, Lagerlogistik- oder Transport-Optimierungs-Software. Cloud Computing bringt uns nur etwas, wenn auch die ganze Software ausgelagert werden kann und nicht nur Teile davon. Es braucht also weiterhin einige grosse Schritte.

Last but not least möchte ich noch auf das Thema Green IT zu sprechen kommen, sofern es bei Fenaco überhaupt eines ist.
Nachhaltigkeit ist bei Fenaco generell ein wichtiges Thema. Wir haben einen Fachbereich Energie und Umwelt, der innerhalb der Gruppe als Ansprechpartner dient. Dieser hat unter anderem ein Tool entwickelt, mit dem wir bei allen grösseren Investitionen die Lebensdauerenergiekosten berechnen können. Auch in der Fenaco IT verfolgen wir verschiedene Projekte unter dem Begriff Green IT. So sind wir dabei, in unserem Rechenzentrum in Winterthur die Klimatisierung zu erneuern. Weiter haben wir an unseren vier Hauptstandorten vor kurzem zusammen mit Cisco Videokonferenzlösungen eingeführt. Dadurch können wir nicht nur viel Arbeitszeit sondern auch viele Autokilometer sparen. Und nicht zuletzt haben erste Sharepoint-Projekte gezeigt, dass wir damit unter anderem den Druck- und Papierverschleiss wesentlich reduzieren können. Eine weitere Verbreitung innerhalb der Fenaco Gruppe ist deshalb vorgesehen. (mv)


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