Editorial

Editorial: Die Rechnung für die Rechnung


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/09

     

Ich habe durchaus gute Gründe, weshalb ich meine Orange-Rechnung auf Papier erhalten will. Früher einmal, da war das noch anders. Da bekam ich meine Handyrechnung elektronisch. Was extrem komfortabel war, denn eine elektronische Rechnung, direkt in mein E-Banking versendet, benötigt einen Mausklick oder vielleicht zwei, und schon ist sie bezahlt. Der Nachteil: Man schaut die Rechnung kaum mehr an – was in meinem Fall ein Fehler war, denn Orange schaffte es vor einigen Jahren, mir über Monate fehlerhafte Rechnungen zu senden. Folgedessen war Schluss mit E-Payment, ich wollte meine Rechnungen fortan auf Papier erhalten, und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Nun aber hat mich Orange mit sanftem Druck davon überzeugen können, dass ich meine Rechnung ab sofort trotzdem wieder elektronisch kriege. Rechnungsgebühren von zwei Franken pro Monat – beziehungsweise fünf Franken für mich als Falschrechnungs-geschädigten Kunden, der einen detaillierten Auszug will – können wahre Wunder wirken, wenn man als Unternehmen seinen Postversand reduzieren will. Ein bedenkliches Geschäftsgebaren? Jein!


Tatsache ist, dass es nur mittels monetären Argumenten möglich ist, das Gros der Kunden dazu zu bringen, von der Papier- auf die elektronische Rechnung umzusteigen. Tatsache ist auch, dass Strafgebühren dabei mehr wirken als finanzielle Anreize. Problematisch ist hingegen, dass Orange die Kunden bestraft, die noch nicht komplett in der elektronischen Welt leben – Kunden ohne E-Banking oder ohne E-Mail-Adresse, nur mit einem Handy. Solche Personen gibt es. Denken Sie nur mal an Ihre Eltern, Grosseltern oder Schwiegereltern. Oder an Ihre weniger IT-affinen Bekannten. Vielleicht passt dieses Segment auch einfach nicht in das hippe Orange-Kundenschema. Oder die geschätzten zwei Prozent der Bevölkerung (Handy ja, online nein) ist einfach nicht aufgeschlossen genug. Doch Tatsache ist auch, dass Orange Geld von seinen Kunden verlangt, um von ihnen Geld zu verlangen. Ich weiss ja nicht in welcher Branche Sie arbeiten, aber wenn wir als Verlag unseren Kunden zwei Franken für die Rechnung in Rechnung stellen würden, hätten wir bald nicht mehr so viele Kunden. Ihnen geht es bestimmt ähnlich.
Warum aber erlaubt sich dann die Telekom-Branche unter dem Denkmäntelchen der Ökologie (ein fadenscheiniges Argument, solange das Unternehmen stapelweise Werbekataloge produziert) dieses Geschäftsgebaren, das sich nur die wenigsten anderen Branchen trauen würden? Warum dieser «verdeckte Preisaufschlag auf die Orange-Abos» – wie einer von vielen Kommentar-Schreibern auf unserer Online-Plattform spekuliert? Ist nicht der Konsument allenfalls gar selbst schuld?
Tatsache ist nämlich auch, dass im Telekom-Geschäft wie in kaum einer Branche permanent und von allen Seiten tiefere Gebühren gefordert werden. Alles wird teurer, nur das Telefonieren – wohlgemerkt auf quasi geschenkten Smartphones – soll immer billiger werden. Ist es da verwunderlich, dass Orange und Co. (auch Cablecom verlangt Rechnungsgebühren, und man munkelt, dass auch Swisscom und Sunrise solche ins Auge fassen) verzweifelt nach neuen Einnahmequellen suchen? Nicht wirklich. Nur: Ob Rechnungsgebühren wirklich der richtige Weg sind? (mw)


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