Finanzielles Abenteuer ERP
Quelle: Profinance.ch

Finanzielles Abenteuer ERP

Jenseits von Buzzwords und Technologie-Hype gibt es einige Kernregeln für die Anschaffung von ERP-Systemen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/04

     

Worauf muss man achten, wenn man ein ERP-System anschafft?
Yves-Alain Dufaux, Profinance.ch: Die Technik muss die betriebswirtschaftlichen Bedürfnisse unterstützen, nicht die Prozesse sich an das neu anzuschaffende Tool anpassen. Das ist die Regel Nummer Eins bei Evaluation und Implementierung eines neuen ERP-Systems. Leider erschöpft sich die Anwendung dieses Prinzips häufig mit dem Abhaken technischer Schlagwörter. So wird häufig ein Anschaffungsentscheid getroffen, ohne die eigentlichen Bedürfnisse der Anwender zu berücksichtigen. Das kann leicht dazu führen, dass Tools angeschafft werden, die im ersten Schritt gar nicht nötig sind. Das kann schnell zu einem finanziellen Abenteuer werden.

Wie kann man diese Kosten vermeiden?
Zunächst muss entschieden werden, welche Prozesse mit der Lösung abgedeckt werden sollen. Dann müssen Breite und Tiefe der Prozess-Integration definiert werden. Dieser Ansatz erlaubt ein schrittweises Vorgehen, stellt aber auch die Anforderung, dass das ERP modular aufgebaut ist. Damit das funktioniert, sollte der abzubildende Geschäftsprozess in sich fachlich und konzeptionell vollständig sein, die Anforderungen der Nutzer erfüllen und Informationen weiteren Modulen und damit Prozessen zur Verfügung stellen. So wird die Vernetzung innerhalb des Unternehmens garantiert.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Die Ressourcenbeschaffung der Produktions- und Projektplanung wirkt sich beispielsweise direkt auf die Finanzplanung und Budgetierung aus. Oder der Marketingplan nimmt Einfluss auf die zu sichernde Liquidität. Darum ist eine integrative, durchgängige Lösung der meisten Geschäftsprozesse unabdingbar. Das ist wichtiger als technische Schlagworte, auch wenn ein schnelles Cabrio im ersten Moment mehr Begeisterung auslöst als ein Kombi.

Gibt es erfolgssichernde Voraussetzungen?
Die Prozesse müssen vorgängig modelliert sein, und der Fokus muss auf durchdachte und praxiserprobte Funktionen gesetzt werden. Dazu ist ein Partner nötig, der das Geschäft der Kunden versteht. So kann er betriebswirtschaftliche Lösungen aus der Praxis zur Verfügung stellen. Ausserdem sollte die zum Einsatz kommende Technik erprobt, zuverlässig aber auch zeitgemäss sein. So kann man dann Schritt für Schritt vorgehen und immer mehr Elemente ins ERP übernehmen. Am Ende sollten sich die Module zu einem Mosaik zusammenfügen. Zentral dabei ist die Minimierung der Schnittstellen. Weniger Anbindungen erlauben ein einfacheres Handling, sind durchgängiger im Informationsgehalt, benötigen weniger Ansprechpartner und halten die Kosten tief.

Sie halten also nichts von moderner Technik?
Doch, sehr viel sogar. Ich halte nur nichts von Augenwischerei. Buzzwords sind gut und schön, bei der technischen Evaluation sollten aber Fragen zur Plattform und Zukunftssicherheit der Lösung im Mittelpunkt stehen. So zum Beispiel bei der Entwicklung vom Klein- zum Grossunternehmen. Um das unterstützen zu können, sind Faktoren wie hohe Skalierbarkeit und Mandantenfähigkeit zentral. Genau so wichtig ist die Flexibilität, mehrere Betriebs­systeme wie Mac OS oder Windows unterstützen zu können sowie die Fähigkeit, schnell zwischen Systemwelten wechseln zu können. Zudem gewinnt jedes Unternehmen bei der Benutzerakzeptanz durch eine intuitive Bedienung.

Aber unterschiedliche Branchen haben unterschiedliche Anforderungen.
Das stimmt. Deshalb lässt sich ein gutes System daran anpassen. Richtig spannend wird es aber mit den Veränderungen, die ein Business im Laufe der Zeit durchmacht.

Was meinen Sie damit?
Ein Beispiel: Bei Handelsunternehmen steht die Materialwirtschaft im Mittelpunkt. Also eine komplexe, mehrstufige Verkaufs- und Einkaufspreisfindung sowie alle Handelsabläufe vom Einkauf, dem Bestellwesen, dem Verkauf, der Lagerwirtschaft und Versandlogistik. Zunehmend wird bei diesem Modul ein optimaler Datenaustausch mit anderen Unternehmen gewünscht. Das reflektiert den Trend, dass die Wertschöpfungskette zu den Lieferanten und Partnern hin geöffnet wird. Die Systeme müssen deswegen aneinander angebunden werden – von der Auftragsbearbeitung, Lagerführung, Beschaffung, Preisfindung, Fakturierung, Inkasso und E-Business. Das beinhaltet mittlerweile aber auch Integrationswünsche für Webshops oder Barcodes.

Das ist also ERP, das Mädchen für alles?
Das ERP ist das zentrale Arbeits- und Führungsinstrument im Unternehmen. Aus dieser Perspektive ist auch klar, warum die Evaluation und Implementierung eines ERP-Systems über die sicherlich wichtigen Prozesse Finanzbuchhaltung, Anlagebuchhaltung und Kostenrechnung hinausgeht. Früher oder später müssen alle kritischen Prozesse im Unternehmen abgedeckt sein. Die Strategie dabei, schrittweise eine Abteilung nach der anderen anzuschliessen, mit dem Wissen im Hintergrund, eine modulare Software-Lösung zu haben, hat sich in der Praxis als sehr erfolgversprechend herausgestellt.

«Swiss Made Software»

Weiter Infos und alle Mitglieder auf einen Blick: www.swissmadesoftware.org


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