Meierhans meint: Sicherheit ist Vertrauenssache - eine Illusion also

von Daniel Meierhans

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/04

     

Vertrauen Sie dem Bio-Label auf den Lebensmitteln? Spätestens seit letztem Dezember beschleichen mich jeweils leichte Zweifel, ob die so gekennzeichneten Bananen, Zucchetti oder Lammracks tatsächlich ohne den Einsatz von künstlichen Düngern, Pestiziden, Hormonen oder Herbiziden produziert wurden. Seit bekannt wurde, dass italienische Händler mehrere hunderttausend Tonnen konventionell hergestellte Esswaren mit dem Bio-Label künstlich aufgewertet haben, ist offensichtlich geworden, dass für den Endverbraucher nicht sichtbare Qualitätskriterien ein ideales Tummelfeld für Betrüger darstellen. Ein neuer Kleber reicht, um den Warenwert um ein Mehrfaches zu steigern.
Und was für die Biotomate gilt, ist genauso für den IT-Service wahr. In der Praxis haben die Anwender kaum Möglichkeiten, sicherzustellen, dass mit ihren Daten wirklich so umgegangen wird, wie dies in den Verträgen festgeschrieben wurde. Sicherheit ist – aller SLA und Zertifizierungen zum Trotz – auch im Informationszeitalter, was sie schon immer war: in erster Linie eine Vertrauenssache.

80-zu-20-Regel als Mutter der Vertrauenszerstörung

Am Vertrauen nagen aber nicht nur kriminelle Betrüger wie die italienische Bio-Mafia. Am Vertrauen nagen – zwar weniger offensichtlich, dafür umso effizienter – auch die Optimierungsmanager dieser Welt. Die vielbeschworene 80-zu-20-Regel ist sozusagen die Mutter der Vertrauenszerstörung. Weil die negativen Reaktionen der Kunden immer erst mit einer Verzögerung eintreten, führt sie bei konsequenter Anwendung zur unweigerlichen Unterschreitung der Glaubwürdigkeitsschwelle. Ein anschauliches Beispiel für dieses nach einem berüchtigten Opel- und VW-Manager auch Lopez-Effekt genannte Phänomen liefert aktuell HP, wo sich die Überoptimierungen unter Mark Hurd erst jetzt in Umsatzrückgängen manifestieren.
In einem gewissen Sinn sind ja auch die Bio-Betrüger nichts anderes als Optimierungsmanager, die eine Margen-Differenz ausnützen. Die Umkehr dieser Gleichung – dass Optimierungsmanager im Grunde Betrüger sind – gilt selbstverständlich nicht. Aus Anwendersicht stehen ihre Ziele aber genauso im Widerspruch zu den eigenen Bedürfnissen. Während das Marketing vorgibt, dass die Ansprüche der Kunden im Zentrum aller Aktivitäten stünden, zwingt der Wettbewerb zum schleichenden Leistungsabbau. Für diesen öffnen sich mit der Zeit ganz legale Lücken, die auch mit den durchdachtesten Verträgen nicht vorhersehbar sind.

Wenn der Fluchtweg verbaut ist

In vielen Fällen ist dieses Spiel für die Anwender unproblematisch. Sie wechseln ganz einfach den Anbieter, wenn die Leistung nicht mehr stimmt. Im Falle von HP ist der Webshop des nächsten PC-Herstellers nur einen Klick entfernt. Wesentlich schwieriger wird der Wechsel, wenn Applikationen und Services im Spiel sind. Insbesondere die Cloud bedeutet fast immer Abhängigkeit. Wenn angepasste Applikationen oder herstellerspezifische Technologievarianten im Spiel sind, wird man sich den Migrationsaufwand eher drei- als zweimal überlegen.

Vertrauen hat ein Ablaufdatum

Aber auch wenn Sie Ihrem Provider heute vertrauen, können Sie sich nicht in Sicherheit wiegen. Im Geschäftsumfeld hat jedes Vertrauen sein Ablaufdatum. Zu schnell ändern sich die wirtschaftlichen Gross- und Kleinwetterlagen. Wenn der Anbieter unter Druck gerät, leiden früher oder später zwangsläufig die Leistungen. Wenn er übernommen wird, verschieben sich meist auch die Prioritäten. Wenn das Management wechselt, kann die Vertrauenskultur schnell kippen – und sich als Illusion entpuppen.


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